Zwischen WALDUIN und Kinderzimmer am Heizhaus
Wer an einem angenehmen Herbsttag noch einmal die Chance nutzen möchte, Magdeburgs Urban-Art-Seite zu erkunden, sollte auch einen Zwischenstopp in der Alten Neustadt einlegen. Unweit des Nordparks und des Universitäts-Campus‘ finden sich gleich zwei optische Highlights – das eine etwas auffälliger am Südgiebel eines Wohnhauses an der Rollhagenstraße 2, das andere etwas kleiner, aber mindestens genauso viel Lebensfreude ausstrahlend, an einem Heizhaus in derselben Straße, an der Ecke zur Henning-von-Tresckow-Straße. Während das Wandgemälde am Wohnhaus von einer Künstlerin entworfen und umgesetzt wurde, gingen am Heizhaus gleich vier Künstler ans Werk.
Júlia Mota Albuquerque – auch bekannt als „Land of Júlia“ – lautet der klangvolle Name der aus Brasilien stammenden und in Berlin lebenden Künstlerin, die im Auftrag der Wohnungsbaugenossenschaft Otto von Guericke eG das Wandgemälde „wertvollerWALDUIN“ an den Giebel des Wohnhauses gebracht hat. Die Heimat der ehemaligen Tennisspielerin ist die Millionenstadt Belo Horizonte, die – im Gegensatz zur wörtlichen Übersetzung des Namens – keinen schönen Horizont zu bieten hat, sondern vielerorts mit einem Meer aus Wolkenkratzern den Blick auf den Horizont verwehrt. So verwundert es nicht, dass Themen wie Umwelt, Nachhaltigkeit, aber auch Vielfalt und Inklusion eine große Rolle bei ihren Projekten spielen. Im Mittelpunkt des farbenfrohen Murals „wertvollerWALDUIN“ steht eine große Figur, die sich symbolisch um einen Miniwald sorgt. Dieser wurde mit Unterstützung von Freiwilligen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnhaus angelegt und besteht aus zahlreichen heimischen Pflanzen, die Lärm schlucken, CO₂ speichern und Feinstaubpartikel aufnehmen sollen.
Während das eine Projekt die Umwelt zum Thema hat, stehen nebenan am Heizhaus „Kinder aus aller Welt“ im Fokus. Die Künstler Andreas Delic Ponto, Enrico Holze, Gordon Motsch und Ilja van Treeck haben sich jeweils einer Seite des Häuschens gewidmet und das Motto aus ihrer Perspektive umgesetzt. Unter der Überschrift „We are all equal“ (Wir sind alle gleich) und dem Hashtag „sayno2racism“ (Sag Nein zu Rassismus) hat Andreas Delic Ponto, auch bekannt als CokyOne, zwei Kinder an die Wand gesprayt – das eine unbekleidet in der Ecke kauernd, das andere eine Pusteblume haltend. Etwas chaotischer geht es auf Enrico „Poke“ Holzes Seite zu, der zwei Jungs umgeben von Spielsachen porträtiert hat. Im Gegensatz dazu hat sich Ilja van Treeck auf eine Figur konzentriert, die sehnsüchtig in die Zukunft zu blicken scheint. Und Gordon Motsch lässt ein sommersprossiges Kind mit Helm seine Zunge herausstrecken, um an einem tropfenden Globus am Stiel zu lecken.
Vor allem die zuletzt erwähnte Darstellung vermag ein Schmunzeln ins Gesicht der Betrachter zu zaubern. Doch eine gewisse Schwere und Ernsthaftigkeit wohnt allen vier Murals inne. Ein Bild können sich interessierte, aufmerksame Menschen bei einem Streifzug durch Magdeburg am besten selbst machen. Und wer die Augen offenhält, entdeckt sicher noch das eine oder andere sehenswerte Wandgemälde. Eine kleine Gedächtnisstütze, wo es welche urbane Kunst in der Landeshauptstadt zu entdecken gibt, findet sich online unter kiekmakunst.de.
Tina Beddies-Heinz
Nr. 267 vom 5. November 2024, Seite 15
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