Politik in der Sackgasse?

Deutscher Stillstand auf vielen Ebenen. Und das, obwohl die akademischen Abschlüsse in den Parlamenten über die Jahre zugenommen haben. Offenbar hilft vor allem die viele Politikwissenschaft nicht weiter.

 

Von Thomas Wischnewski   

In Deutschland (West) gab es 1960 24 Lehrstühle für Politikwissenschaft an 18 Universitäten (davon allein 10 in Westberlin). Bis 1975 stieg die Anzahl der Professuren auf 133 an. Heute existieren über 400. Aktuell sollen 15.703 junge Leute Politikwissenschaften studieren. Kurioserweise wird trotz des enorm gewachsenen politikwissenschaftlichen Potenzials keine wirklich bessere Politik sichtbar. Im Gegenteil, politischen Entscheidungen liegen noch immer solche Argumente zugrunde, die eh und je dafür herhalten mussten. Der Gesetzesdschungel ist inzwischen so dicht, dass niemand mehr hindurchschauen kann. Gleichzeitig sind neue Gesetze Motor für mehr bürokratische Kontrolle und zwingen Verwaltungen zu Mehrarbeit bzw. zur Schaffung neuer Stellen. Für Bürger und Unternehmen sind dennoch keine Vereinfachungen spürbar. Das Bürokratiemonster wütet in allen Lebensbereichen.


Neben der steigenden Anzahl an Rechtsvorschriften nehmen statistische Erhebungen zu. Alle gesellschaftlichen und privaten Bereiche werden durchleuchtet, jede Bewegung registriert, alles erfasst, gezählt und statistisch aufgearbeitet. Verlässliche Zahlen und Daten sollen politischen Entscheidungen als Grundlage dienen. Offenbar führen mehr vorliegende Fakten, Studien und sonstige Erkenntnisse nicht zu einer Politik, die dem deutschen Bürger nutzt.


Stimmt eigentlich die Repräsentanz in den Parlamenten mit den Mehrheitsinteressen des Volkes überein? Wenn regelmäßig Gesetze für Minderheitenrechte verabschiedet werden – deren Schutz nicht in Zweifel gezogen sein darf –, entsteht aber der Eindruck, dass Interessen der Wähler weniger berücksichtigt werden. Und dann wundern sich die studierten Politikwissenschaftler in den Parlamenten über Menschen, die etwas wählen, was von der etablierten Politik als Teufelszeug bezeichnet wird.


Und dann hagelt es neue Studien aus den Theorieküchen, woher diese unerwünschten Trends wohl rühren würden. In der deutschen Geschichte gab es noch nie so viel Sozialwissenschaft und so viele Institute wie heute. Die hängen mit ihren Augen und Ohren am Volk, eine Umfrage jagt die nächste und dennoch verbreitet sich der sogenannte böse Populismus-Virus epidemisch.


Für viele Nachwuchspolitiker gilt der zynische Karrieresatz: Kreißsaal – Hörsaal – Plenarsaal, wobei Abschlüsse gar nicht gefordert werden. Internet und Onlinewelt haben das Leben tiefgreifend verändert. Fraglich ist, ob die allgemeine Nutzungszunahme tatsächlich einen realen Nutzen erzeugt. Man könnte auch den bösen Ausspruch verwenden, in der Onlinewelt siegt das Sinnlose über das Sinnvolle!


Welche Fragen müssen wir an die Politik richten? Welche Erklärungen können uns Politiker noch geben, wo doch alles durchleuchtet und erfahrbar ist? Wenn bei Wahlen politische Mehrheiten sichtbar werden, die aber keine Abbildung in der Regierung finden, wie oft will man dann noch seine Stimme abgeben? Solche und viele andere Fragen wollen wir mit einem interessierten Publikum im Rahmen eines Kompakt-Salons diskutieren.

 

Veranstaltungs-Tipp zum Thema:


KOMPAKT SALON „Politik in der Sackgasse?“ – Demokratie neu wagen! Welche Antworten finden wir zu Ideologie, Egoismus und Populismus? Es diskutieren Patrick Meinhard, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der FDP, heute Freie Wähler und Thomas Wischnewski (Herausgeber KOMPAKT Zeitung) mit einem interessierten Publikum.
20. November 2024, 18:30 Uhr
KOMPAKT Medienzentrum, Eintritt frei
Breiter Weg 114A | 39104 Magdeburg
Anmeldungen unter: event@kompakt.media oder telefonisch 0391/79294310

Nr. 267 vom 5. November 2024, Seite 5

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