Da hatten wir das Theater …
Ein Nachruf auf Max K. Hoffmann
von Hans-Werner Brüning
In Magdeburg verbreitet sich die Nachricht: Max K. Hoffmann ist verstorben. Vor nun vier Wochen, am 24. Oktober 2024, fand im Kreise der Familie sowie engster Freundinnen und Freunde seine feierliche Beisetzung statt. In Biederitz, seinem Wohnort seit 1996, war in der Trauerhalle kein Platz mehr frei, als es hieß, von dem Familienvater und großartigen Theaterleiter und Regisseur für immer Abschied zu nehmen. Seither halten viele Magdeburgerinnen und Magdeburger inne, die von dem traurigen Ereignis erfahren. Die Erinnerung daran, was sie mit dem Namen Max K. Hoffmann verbinden, ist wach. Da sind vor allem dessen Begeisterung für die Theaterkunst sowie einzigartiges Talent als Regisseur und Theaterleiter. Diese waren sicher auch ausschlaggebend dafür, dass er sich schließlich erfolgreich für die Position als Generalintendant des damaligen Maxim-Gorki-Theaters bewarb.
Seit dem Großbrand im Bühnenhaus am 20. Mai 1990 war dort an Theateraufführungen nicht mehr zu denken. (Das Bühnenhaus im Bild unten) Sogar die Räume der Gewerke, wie die Theatermalerei, gab es nicht mehr. Zahlreich verabschiedeten sich dort zu dieser Zeit Handwerker, um ihren Lebensunterhalt woanders zu verdienen. Das kostspielige Unterfangen, in Sichtweite der Ruine der bisherigen Spielstätte mit einem großen Zelt ein Theaterprovisorium zu schaffen, half dem Ensemble nicht wirklich wieder auf die Beine. Zu dieser Zeit bewegte Max K. Hoffmann bereits der Gedanke, als Theaterregisseur nach Magdeburg zu gehen. Doch sein engster Freund Helmut Biedermann, der ihn im Herbst 1990 in Bielefeld aufsuchte, ermunterte ihn, sich nicht als Regisseur, sondern als Generalintendant zu bewerben. „Du kannst das, unser Theater wieder aufzubauen!“, so Helmut Biedermann. Und es war kein reines Wunschdenken. Die beiden Freunde kannten sich aus der Arbeit in den siebziger und achtziger Jahren am Maxim-Gorki-Theater sehr gut. Max K. Hoffmanns Fähigkeit, mit Menschen, insbesondere Künstlern, zu arbeiten, sich auch um individuelle Belange Einzelner zu kümmern, war in Magdeburg bekannt und wurde dort gerade in der damals so komplizierten Situation gebraucht. Davon waren Biedermann und andere Magdeburger Theaterleute überzeugt.
Max K. Hoffmann befand sich im festen Engagement als Oberspielleiter des Schauspiels in Krefeld und Mönchengladbach und inszenierte zu dieser Zeit die Oper „Peer Gynt“ in Bielefeld; nur wenige Jahre nach seiner Zwangsausbürgerung aus der DDR. Es zog ihn aber zurück nach Magdeburg, weil seine Eltern hier lebten und wo ihn nicht nur die Herausforderung des Wiederaufbaus der Theaterruine erwartete. Für ihn gab es auch viel Raum für die Verwirklichung seiner Vision von Theaterkunst an einem Dreispartenhaus, das er dann schließlich zwölf Jahre lang äußerst erfolgreich leitete.
Am 16. Mai 1991 beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Berufung Max K. Hoffmanns zum Generalintendanten des Theaters, dem er später den Namen „Theater der Landeshauptstadt“ gab. Die Stadtverordneten, die ihm ihre Stimmen gaben, wertschätzten seine Vorstellungen von Theaterleitung. Einbeziehung der Mitarbeiter bei den Entscheidungsfindungen; motivierte Theaterleute waren ihm gerade in den damals so unsicheren Zeiten wichtig. Die Magdeburger Bevölkerung beschäftigten eher persönlich-existenzielle Probleme als die der Theater oder des Intendantenwechsels. Max K. Hoffmann, in seine Heimatstadt zurückgekehrt, nahm das durchaus wahr. Umso mehr ging es ihm um Begeisterung für Theaterkunst und die Lösung der dringlichsten Probleme „seines“ Theaters.
Im damaligen Ensemble des Maxim-Gorki-Theaters – ca. 400 Schauspielerinnen und Schauspieler, Sängerinnen und Sänger, das Orchester, Tänzerinnen und Tänzer und technisches Personal – war man auf den neuen Chef gespannt. Viele kannten ihn von früher und setzten auf sein Engagement. Max K. Hoffmann enttäuschte sie nicht. Er wollte wissen, mit wem er zusammenarbeitete, war den Kolleginnen und Kollegen zugewandt und als Kümmerer auch um einzelne bemüht. Die Interessenvertretung war ihm nicht fremd; dem Personalrat stand seine Tür offen, was besonders in den folgenden Jahren rückläufiger Theaterfinanzierung durch die Landesregierungen und die Stadtverwaltung sehr bedeutsam werden sollte.
Ein baldiges Ende der Zeit im Theaterzelt neben dem Universitätsplatz war schon aus Kostengründen angesagt. So machte sich Generalintendant Hoffmann für eine Ersatzspielstätte stark, für die er auf dem damaligen sowjetischen Kasernengelände an der Berliner Chaussee ein geeignetes Gebäude ausgemacht hatte. Nach dessen zügigem Umbau zur Ersatzspielstätte wurde dort, am Jerichower Platz, die szenische Welturaufführung der Oper „Beatrice Cenci” im Beisein ihres jüdischen Komponisten Berthold Goldschmidt auf die Bühne gebracht. Diese Oper war während der Nazizeit verboten. Die Ersatzspielstätte war auch der Ort der deutschen Erstaufführung von Stephen Olivers Oper „Timon von Athen” nach William Shakespeare. Max K. Hoffmann inszenierte dort auch Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer”, deren Premiere im Beisein von Wolfgang Wagner stattfand (Enkel von Richard Wagner und Chef der Bayreuther Festspiele).
Die Eröffnung des wieder aufgebauten Theaters am Universitätsplatz war zur Spielzeit 1997/98 das Ereignis, auf das in Magdeburg mehr als ein halbes Jahrzehnt lang hingearbeitet worden war. Max K. Hoffmann gestaltete sie mit einer glänzenden Aufführung der Oper „Meistersinger von Nürnberg“. Der Enkel von Richard Wagner, Wolfgang Wagner, gehörte zu den Ehrengästen dieses Abends, dem in den Jahren bis zum Weggang Hoffmans aus Magdeburg zahlreiche Theater-Höhepunkte an verschiedenen Spielstätten unserer Stadt folgten.
Mitte der neunziger Jahre setzten im politischen Raum des Landes und der Stadt Diskussionen über Kürzungen der Theaterfinanzierung ein. Die Theaterstrukturen kamen in Sachsen-Anhalt auf den Prüfstand. Max K. Hoffmann verstand das als Herausforderung, seinem Grundsatz treu zu bleiben, der Kunst zu dienen. Sein Ensemble und er lieferten, geradezu entfesselt, großartige Theaterkunst. Zu nennen sind hier unbedingt die Aufführung des Balletts „Schwanensee“ (1999 und 2000 / Irene Schneider), die Uraufführung der Oper „Der Maschinist“, ein Auftragswerk des Theaters der Landeshauptstadt Magdeburg beim Komponisten Hans Schanderl, am 16. September 2000 auf der „Expo 2000“ in Hannover sowie das Opern-open air „Aida“ in den Jahren 2002 und 2003 auf der Seebühne in Magdeburg. Mit dieser Aida-Aufführung gastierte das Theater der Landeshauptstadt Magdeburg im September 2003 in sieben japanischen Großstädten.
Zu dieser Zeit widmete sich der so erfolgreiche Theaterleiter einem neuen Vorhaben, der Aufführung der Wagner-Opern des „Ring der Nibelungen“ als open air auf der Seebühne in Magdeburg. Diese im wahrsten Sinne des Wortes sagenhaften, im frühen Mittelalter spielenden Wagner-Opern bieten auch heute noch tiefe Einsichten in die uns Menschen anscheinend ewig beeinflussenden Kämpfe um Macht, Freiheit und Liebe. Welch bemerkenswerte Idee Max K. Hoffmann da zu Papier gebracht hat, wird sich mit Sicherheit noch herausstellen. Ich halte sie für ambitioniert und gewiss neue Maßstäbe der Theaterkunst setzend. Es ist an der Zeit, dass Verantwortliche der Stadt Magdeburg und auch Theaterfreundinnen und -freunde sich erinnern und besinnen, welch bemerkenswertes Stück Theatergeschichte einer von uns, Max K. Hoffmann, hier geschrieben hat.
Vita Max K. Hoffmann
• geboren am 22.05.1944 in Haida (Nordböhmen)
• gelernter Bootsmann der Binnenschifffahrt
• später Stadtreporter der Volksstimme
• von 1967 bis 1971 Studium an der PH Magdeburg,
Fachrichtung Germanistik und Geschichte
• dann freier Journalist, nebenbei fuhr er Taxi
• 1976 Studium an der Hochschule für Schauspielregie Berlin.
• 1984 musste Hoffmann die DDR verlassen
• 1986 Oberspielleiter der Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach
• 1991 als Generalintendant nach Magdeburg berufen
• 2003 Entlassung. Den Rechtsstreit gewann Hoffmann.
• verstorben am 24.10.2024 in Biederitz
Nr. 268 vom 19. November 2024, Seite 14
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