Römers Reich:
KI, der Dauerbackofen

Ich bin immer noch etwas benommen. Gerade habe ich einen Podcast gehört, in dem zwei Stimmen im Gespräch die gesamte 2. November-Ausgabe dieser Zeitung zusammengefasst, analysiert und kommentiert haben. Und das ausgesprochen gut. Ein bisschen Text, Rechenleistung und gespeicherte Hintergrundinformationen reichen aus, um mittels Künstlicher Intelligenz einen anhörbaren Inhalt hervorzubringen. Bald werden solche wie ich nicht mehr gebraucht. Texte, Audiodateien und ganze Videos können mit Rechenleistung und Daten erzeugt werden. Kreative und Geistesarbeiter können spielend einfach durch KI ersetzt werden. Viele Geschäftsmodelle werden künftig verschwinden. Und alle, die sich schriftlich, mit Fotos und Videos im Internet verewigt dachten, haben die Speicher, aus denen die Informationssimulationen geschöpft werden, gefüllt – kostenlos und freiwillig. Warum sollte also noch jemand für von Menschen produzierte Inhalte bezahlen?


Nur die damit verbundene Kehrseite wird leider nicht gesehen. Einmal davon abgesehen, dass wir den individuellen Geist entwerten, wird über den Energieaufwand, der für die KI-Rechenleistung benötigt wird, selten berichtet. Aktuell verschlingen die weltweiten Rechenzentren rund 5 Prozent der gesamten Stromerzeugung. Addierte man alle mobilen Endgeräte, die online an die Datennetze angeschlossen sind, kommen schon 8 Prozent zusammen. Bald sollen es 30 Prozent sein. Um ein KI-Modell zu trainieren, braucht es Hunderte leistungsfähige Grafikkarten mit tausenden Prozessoren. Jede permanent rund 1.000 Watt. Das entspricht etwa der Leistung eines Backofens, der rund um die Uhr auf Ober- und Unterhitze steht.


Bei Google werden täglich rund neun Milliarden Anfragen pro Tag verarbeitet. Kommt bei der Verarbeitung KI zum Einsatz, entspricht das einem Stromverbrauch von knapp 30 Terawattstunden pro Jahr. Das ist so viel Strom, wie aktuell in Irland per anno durch die Leitungen fließt. Nun wird den Rechenzentren in den kommenden zwei Jahren eine Steigerung des Strombedarfs von 160 Prozent prognostiziert.


Es wird außerdem prognostiziert, dass im Jahr 2027 fast die Hälfte aller Rechenzentren für deren Bedarf nicht mehr ausreichend mit Strom versorgt werden können. Je mehr KI in die Mega-Server einzieht, umso höher der Strombedarf. Auf etwa 150 Terawattstunden soll der Energieverbrauch steigen. Ich weiß noch nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Schließlich könnte ich in den Stromflautezeiten dann wieder Texte schreiben, weil weniger KI-Inhalte ausgestoßen würden. Die amerikanischen Tech-Riesen schließen schon jetzt Versorgungsverträge mit Atomkraftwerken. Deren Kapazität wird aber nicht reichen. Höchstwahrscheinlich kommt dann wieder die Kohle ins Spiel. Je mehr elektrotechnisches Spielzeug wir nutzen, umso mehr treiben wir die Stromerzeugung in die Höhe und damit boostern wir auf jeden Fall die Emissionen. KI könnte dann zum schlimmsten Klimakiller werden. Vielleicht schreibe ich noch ein paar Texte darüber, bevor solche Inhalte mittels KI aussortiert werden.


Axel Römer

Nr. 268 vom 19. November 2024, Seite 3

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