Standpunkt Breiter Weg: Lethargie übertüncht Angst

In den zurückliegenden zehn Jahren lagen über dem Land oft Angsterzählungen. Der Untergang des Abendlandes, der Klimawandel, der uns die Lebensgrundlage wegheizt, dann das Coronavirus, dass wie die Pest im Mittelalter Leichenberge auf die Straßen bringen könnte. Die kleinen Angstberichte über Stickstoffoxide und Feinstaub sind da schon vernachlässigbar. Bedroht wird das Land außerdem von rechten und linken Populisten, vom Genderwahn ohnehin. Milliardäre und ihre gehorsamen Elitenvertreter in den Regierungen planten die Versklavung der Welt. Trotz all dieser orakelten Untergänge und Angstszenarien lebt die Mehrheit weiter, gestaltet ihren Alltag und staunt über das nächste Übel, dass über uns hereinbricht.


Wer ständig Angst säht, erntet Lethargie. In so einem Zustand scheint sich das Land zu befinden. Die aktuelle Regierung steht im Abseits und will vom Volk bei Neuwahlen einen Auftrag für die künftigen politischen Prämissen erhalten. Doch unten scheint man schon zu wissen, dass von oben keine Visionen zu erwarten sind. Genau das macht die Wahlentscheidungen für die Stimmabgabe im kommenden Februar so unkalkulierbar. Man nennt das auch selbstgemachtes Leid. Der amtierende Kanzler ohne Mehrheit redet sich über die Eskalationsverhinderung im Russland-Ukraine-Krieg heiß und kann dennoch kein klares Bild eines Friedensapostels abgeben. Seitens der Grünen gibt es Avancen an die CDU, dass man deren Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützen würde. Das schmeckt nach Anbiederung für den Fall, dass die CDU im nächsten Jahr stärkste Kraft werden und den Kanzler stellen könnte.


Doch all die Polemik politischen Bettelns um einen Regierungsauftrag beseitigt nicht die Lage im Land. Die ist nämlich inzwischen tatsächlich besorgniserregend. Der Konsumindex zum Weihnachtsgeschäft ist um 23 Prozent gesunken. Entlassungen in den Kernindustrien der Exportnation Deutschland schweben über allem. Natürlich muss sich dieses, unser Land eingestehen, dass seine Wirtschaftskraft auf einem Technologie-Boden des vergangenen Jahrhunderts gediehen war. Daraus resultiert die Ratlosigkeit und erwächst die Lethargie im Volk und sogar die im vermeintlichen Gestaltungsolymp des Berliner Politiktheaters.


Da sitzen Politiker, Journalisten und Ökonomen in TV-Politikrunden des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks und sagen, dass Einsparungen eigentlich nicht möglich wären. Gerichte würden jede politische Initiative dahingehend kassieren. Und dann wundert sich selbige, dass die Abgestumpftheit gegenüber angeblichen demokratischen Gestaltungsprozessen wächst. Wenn nicht geht, was nötig wäre, warum sollte der Bürger eine Wahl haben? Bzw. wird er deshalb in die Arme jener getrieben, vor denen andere permanent warnen. Seit vielen Jahren werden wir mit Untergangszenarien überschüttet. Nur kommen die eben gar nicht aus dem Bodensatz der normalen Menschen, sondern werden in den Oberstübchen politischer Ideenschmieden initiiert und medial verstärkt. Ständige Angst verdrängt Ängste und der daraus folgende Zustand heißt Lethargie. Bleibt das so, kommt danach im schlimmsten Fall die Revolte. Das hofft keiner, aber Entscheider scheinen selbst von Lethargie betroffen und das macht die Stimmung brenzlich.


Thomas Wischnewski

Nr. 269 vom 3. Dezember 2024, Seite 2

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