Nein heißt nein
Warum Journalisten bei Mitgliederversammlungen des 1. FC Magdeburg
weiterhin nicht willkommen sind.
Von Rudi Bartlitz
Unter hiesigen Journalisten gehören sie unbestritten zu den beliebteren Veranstaltungen des 1. FC Magdeburg: die alljährlichen Mitgliederversammlungen. Warum? Weil, sagen die einen, anschließend weder mühevoll noch lang und breit erklärt werden muss, warum es mit einem Heimsieg mal wieder nicht geklappt hat. Größer noch ist die Zahl der anderen, die darauf verweisen, man könne bei diesem Termin sich guten Gewissens von den Lieben daheim mit dem schlichten, aber immer wieder gern gehörten Satz verabschieden: „Ich bin dann gleich wieder da.“
Auch 2024, darauf ist eben Verlass, ließ der FCM die Medienleute nicht im Regen stehen. Es dauerte diesmal keine gefühlte Viertelstunde, da waren sie, ratzfatz, per Abstimmung wieder draußen. Wie schon in den Vorjahren. „Wir sind eben ein Traditionsklub“, scherzte ein Präside. Da schützte die Reporter weder ein Eintrag in die Akkreditierungsliste (mit Geburtsdatum!) noch ein rotes Teilnehmer-Bändchen (Nummer 182.138). Der Zeremonienmeister droben am Katheder bat die ungebetenen Gäste, bitteschön den Saal zu verlassen. So muss sich ein D-Day anfühlen, um ein derzeit populäres Wort zu bemühen. Die Macht der Versammelten war einfach zu gewaltig. Einfach alternativlos, würde eine Ex-Kanzlerin sagen. Womit wir bei der Politik wären. Nicht einmal dort werden Medien, nehmen wir mal Parteitage, brüsk außen vorgehalten. Im Gegenteil – da machen selbst extreme Gruppierungen keine Ausnahme –, es können gar nicht genug Beobachter sein, die über vorgebliches oder tatsächliches gedeihliches Innenleben berichten.
Weil man es kann
Also wiederholen wir an dieser Stelle gern noch einmal die seit Jahren gestellte Frage: Warum entscheidet das höchste Forum des FCM, der sonst gern auf seine Transparenz und Offenheit pocht, sich gegen die Anwesenheit von Medien? Einfache Antwort: Weil man es kann. Weil Paragraf 2 der Geschäftsordnung, also ganz vorn platziert, die Handhabe dazu liefert. Die Passage besagt: „Alle Versammlungen sind nicht öffentlich.“ Oha. Die Vermutung, da könnte in der Hast des Redigierens versehentlich ein Satz aus alten DDR-Zeiten hineingerutscht sein, trifft nicht zu. Die Geschäftsordnung stammt vom Oktober 2021.
Ein Satz, der, so ergaben schon vor Jahren Stichproben, in entsprechenden Papieren anderer Vereine in dieser drastischen Form nicht zu finden ist. Nicht bei Traditionsklubs (als der sich der FCM ja ebenso versteht) wie Schalke 04 oder dem FC Bayern. Nicht einmal beim HFC steht er so explizit. Da hilft selbst der FCM-Nachsatz kaum weiter, „auf Antrag und Beschluss der Versammlung kann die Öffentlichkeit zugelassen werden“. Kann und hätte, Viererkette.
Schon vor zweieinhalb Jahren – damals fand die Wahlversammlung im Sommer statt – hatte diese Zeitung darauf aufmerksam gemacht, was uns alles entgeht, wenn nicht berichtet wird. Nicht berichtet werden kann. Welch herrliche Geschichten wären der Nachwelt verlustig gegangen, wären Medien anderswo des Schauplatzes verwiesen worden. Keiner hätte je etwas vom Auftritt von Schalke-Faktotum Charly Neumann mitbekommen, der auf dem Podium, statt einen Redebeitrag abzuliefern, plötzlich laut die Vereinshymne anstimmte: „Blau und Weiß, wie lieb ich dich …“ Ähnlichkeit zum Hier und Heute könnte beabsichtigt sein. Oder etwa die Versammlungs-Darbietungen von Schalkes Ex-Präsident Günter Eichberg, den sie den „Sonnenkönig“ nannten. „De Günna is’n Kamikaze“, raunten sie sich bei den Königsblauen zu. Er verpflichtete Netzer als Berater und Lattek als Trainer. Drunter kam für ihn nichts infrage. Seine Lebensgefährtin, zu jener Zeit nur die „Gräfin“ genannt, ließ auf der Geschäftsstelle Picasso-Bilder aufhängen: „Damit die hier mal kapieren, dass das nicht der Mittelstürmer von Real Madrid ist.“
Ein anderes Mal waren 132 (!) Medienvertreter ins Sportzentrum Schürenkamp geeilt, um der Mitgliederversammlung beizuwohnen. Sie durften übrigens bleiben. Alle. In Anbetracht der vielen Presseleute kommentierte der Versammlungsleiter, der unvergessene Jürgen W. Möllemann, stolz: „Hier sind mehr Journalisten als bei der Amtseinführung von George Bush als US-Präsident.“ Oder erinnern wir an jenen denkwürdigen Beitrag des Schalke-Rentners Hans Bitzkowski, der einst verkündete: „Ich gebe dem Verein 250.000 Mark, wenn ich Präsident werde. Und einen VW-Bus für die Jugend dazu.“ Aber: „Wenn ich nicht gewählt werde, behalte ich mein Geld.“
Nur Berichte über Siege
Zurück in die raue Gegenwart. Hey, ihr Loser, rief ein eher wohlmeinendes Clubmitglied den Reportern beim Abgang hinterher, ihr wusstet doch von Anfang an, dass ihr keine Chance habt. Richtig. Nein heißt nein – selbst, wenn einige im Saal da etwas mit der Me-Too-Debatte durcheinandergebracht haben könnten. Selbstkritisch angemerkt: Wann hätten die Journalisten eigentlich wissen müssen, dass sie am Ende nichts wissen würden – oder anders gefragt, warum wussten die Journalisten nichts davon, dass andere wussten, dass sie es nicht wissen würden können? Das sind nicht nur grammatikalische Probleme. Diese Wissensfragen kratzen an der Existenz des Magdeburger Fußballs.
Da wären wir, ungewollt, bei der Satire gelandet. Die angeblich alles darf. Also erlauben wir uns ein, zwei gutgemeinte Hinweise. Wann wird Paragraf 2 endlich ergänzt? Es schreit regelrecht danach. Da geht bestimmt noch was. Etwa dahingehend, dass nicht nur Versammlungen, sondern ebenso Spiele des FCM generell „nicht öffentlich sind“. Oder ausschließlich vor Clubmitgliedern stattfinden. Großzügig könnte die Mitgliederversammlung per Akklamation natürlich einzelnen Reportern zu ausgewählten Partien huldvoll Zugang gewähren. Was für eine blendende Idee! Einzig übertroffen vielleicht von der Festlegung: Laut Geschäftsordnung ist es Medien in Zukunft nur erlaubt, über Siege des FCM zu berichten. Remis und Niederlagen werden nicht zur Kenntnis genommen. Ja, das wäre dann der endgültige Durchbruch.
Bis es so weit ist, gilt allerdings weiter die alte Kicker-Weisheit: Irgendwann einmal reißt auch die schwärzeste Serie. Nicht einmal Mitgliederversammlungen, so wird gemunkelt, sollen davon ausgenommen sein.
Nr. 270 vom 17. Dezember 2024, Seite 40
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