Gedanken- & Spaziergänge im Park: Kathedralen und Brombeeren

Gerd ist begeistert von der Eröffnung der Kathedrale Notre-Dame, die er bei dem französischen Fernsehsender France24 mitverfolgt hatte: „Ich liebe die Franzosen, wie sie mit den Zeugnissen ihrer Vergangenheit umgehen, sie schätzen und bewahren wollen in ihrem ursprünglichen Zustand. Und diese Leistung! In nur fünf Jahren wurde die durch das Feuer schwerst beschädigte Kathedrale wieder hergestellt. Vergleiche das mal mit Deutschland: für die Renovierung des Pergamonmuseums, das nicht zerstört ist, veranschlagt man 14 Jahre!“ „Und für unsere kleine Magdeburger Stadthalle, die innerlich neu gestaltet wird, plant man fünf Jahre“, erwiderte ich. Gerd nickte: „Bewundernswert auch die historisch getreue Wiederherstellung von Notre-Dame. 1.300 Eichen wurden zu Ende des Winters 2021 für den Dachstuhl gefällt. Ich glaube, das wäre im grünen Deutschland unmöglich.“ „Ein Großteil der Kosten wurde durch Spenden finanziert. Gute 850 Millionen Euro sollen so zusammengekommen sein.“ „Ja, und niemand hat sich darüber beklagt, dass unter den Spendern vielleicht welche mit einer rechts-konservativen Gesinnung wären, wie das in Deutschland bei der halbherzigen Restaurierung des Berliner Schlosses oder der Garnisonskirche in Potsdam der Fall ist. Da gibt es einen Architekten und ein paar linke Kräfte, die sich ständig über Details der Restaurierung mokieren und die Namen konservativer Spender nicht auf den Gedenktafeln verzeichnet haben wollen. Ich denke, bei einem wiederhergestellten Bauwerk ist das völlig schnuppe, wessen Geld dafür verwendet wurde, denn es diente einem guten Zweck! Jetzt gibt es sogar eine Gruppe mit dem Namen „Schlossaneignung“, die die Fassade wieder völlig umgestalten möchte, damit bloß keine Verherrlichung Preußens assoziiert werden könnte. Irre, nicht wahr?“ „Meine Fantasie reicht nicht aus, welch ein schreckliches Ergebnis herausgekommen wäre, wenn Notre-Dame in Deutschland stehen würde.“ „Dann wäre sie vermutlich nach 20 Jahren noch nicht fertig und zweitens hätten moderne Architekten ihr Unwesen getrieben und sie so verändert, dass sie kaum wiederzuerkennen wäre. Glückliche Franzosen. Auch wenn Macron politisch vielleicht einmal vergessen sein wird, in Bezug auf Notre-Dame wird man sich seiner erinnern.“

 

„Vive la République“

 

„Der Empfang zur Eröffnung war sehr interessant. Viel politische Prominenz“, sagte ich. „Ob es eine Bedeutung hat, dass Frau von der Leyen nicht eingeladen war? Manche meinen, dass Macron ihr böse ist, weil sie das Mercosur-Abkommen mit den südamerikanischen Ländern gegen seinen Willen unterschrieben hat.“ „Dieses Abkommen ist nach Auffassung der Bauernverbände Frankreichs und Deutschlands für die europäische Landwirtschaft eine Gefahr. Während unsere Bauern von Brüssel jede Menge einschränkende Vorschriften haben, die die Preise ihrer Produkte verteuern und angeblich dem Umweltschutz dienten, gelten solche Vorschriften in Argentinien oder Brasilien nicht. Das hätte zur Folge, dass deren Produkte viel billiger importiert werden und unsere Bauern erhebliche Verluste erleiden könnten. Frau von der Leyen hat aber das Abkommen dennoch unterschrieben. Mal sehen, ob alle EU-Mitgliedsländer zustimmen.“ Uns fiel auch auf, wie zuvorkommend der designierte Präsident Trump empfangen wurde. Er bekam den Ehrenplatz zwischen Herrn und Frau Macron. Rechts von Frau Macron saßen Frau Biden und ihre Tochter. „Weißt du, was mir sehr imponiert hat?“, meinte Gerd, „das war der Schluss der Rede von Präsident Macron, die er mit den Worten „vive la République, vive la France“ beendete. Man könnte neidisch werden! Kannst du dich erinnern, dass irgendein deutscher Staatsmann der Nachkriegszeit mal seine Rede mit „es lebe die Republik, es lebe Deutschland“ beendet hätte?“ „Nein“, erwiderte ich, „aber wer hat schon all die Reden gehört. Das Einzige, was mir diesbezüglich einfällt ist der Satz „es lebe das heilige Deutschland“, den Graf Schenk von Stauffenberg 1944 kurz vor seiner Hinrichtung ausgerufen haben soll.“ „Nationalstolz und Vaterlandsliebe gelten heutzutage nicht als lobenswert. Sie gelten als rechts und nationalistisch und sind somit tadelnswert. Unsere Staatsmänner und Staatsfrauen legen lieber bei jeder passenden Gelegenheit Schuldbekenntnisse ab, für all die Sünden, die ihre Väter, Großväter und Urahnen anderen Völkern angetan haben sollen.“ „Ich weiß nicht, wie das bei Politikern anderer Völker ankommt. Dazu gibt es wohl keine Untersuchungen. Aber bei Einzelpersonen ist es meiner Meinung nach so, dass ein Mensch, der keine Selbstachtung hat, nichts von sich hält und sich für alles Mögliche schuldig fühlt, kaum Freunde hat, mit denen er auf Augenhöhe verkehren kann. Bestenfalls findet er Tröster und im schlimmsten Falle lässt er sich ausnutzen, um sein Gewissen zu beruhigen. Aber diese Beobachtung auf Staaten zu übertragen, ist vielleicht vermessen.“

 

Überzogene FDP-Kritik

 

Innenpolitisch geht es recht turbulent zu. Nachdem Scholz die Ampel aufgekündigt hat, ist die FDP und vor allem ihr Chef Lindner für viele Journalisten ein beliebtes Objekt der Kritik geworden. Völlig überzogen ist dabei die Kritik an dem Strategiepapier der FDP für den Fall des Bruchs der Ampel. Da die Stimmung in der Ampel schon seit längerem nicht vom besten war, ist es selbstverständlich, dass die Parteispitzen sich auf die Möglichkeit eines Koalitionsendes vorbereiten. Das wird bei den beiden anderen Koalitionären der FDP nicht anders gewesen sein – nur hat es da keiner durchgestochen. Es wäre unverantwortlich, wenn eine Parteiführung in einer Krise sich auf verschiedene Szenarien nicht vorbereiten würde. Sich auf eine Situation vorzubereiten, heißt noch lange nicht, dass man sie herbeiführen will. Und dann hat der Lindner in einem Fernsehinterview noch gesagt, „dass ein bisschen Milei ganz nützlich wäre“. Sofort fiel die Presse über ihn her. Dabei hatte er nur von „ein bisschen Milei“ gesprochen und nicht davon, es dem argentinischen Präsidenten Milei gleich zu tun. Merz blies bei einer Talkshow in das gleiche Horn und sagte über Lindner: „Ich bin ehrlich gesagt völlig entsetzt gewesen.“ Wer das glaubt. Was hat eigentlich der argentinische Präsident Schlimmes getan? Er reduzierte die Zahl der Ministerien von 18 auf neun und entließ bislang rund 15.000 Beamte. Die Inflationsrate, die in Argentinien seit Jahren extrem hoch ist und im April dieses Jahres bei 287 Prozent lag, beträgt jetzt 166 Prozent. Immer noch viel zu hoch, aber der Trend verspricht etwas. In Deutschland dagegen ist die Zahl der Beamtenstellen unter der Ampelregierung um mehr als 11.000 gewachsen, das entspricht einem Zuwachs von 6,3 Prozent, bei den Bundesbeamten sogar über 8 Prozent. Und jetzt, kurz vor dem Ende dieser Regierung werden in den Ministerien noch Beförderungen beschlossen. Teure Abschiedsgeschenke, von denen wir Normalos nur träumen können. Wahrlich, ein bisschen Milei täte uns gut.

 

Umarmt von den Linken

 

„Meine anfängliche Sympathie für Merz hat einen erheblichen Dämpfer bekommen, besonders seit er verkündete, dass er als neuer Kanzler einen Wirtschaftsminister Habeck nicht ausschließen würde. Er larviert, ist windelweich und zeigt keinen eindeutigen konservativen Standpunkt. Das enttäuscht mich sehr“, sagte Gerd. „Geht mir ähnlich“, erwiderte ich. „Man hat den Eindruck, dass er sich in seinem Vorsitz keinesfalls sicher fühlt. Er weiß um die starke Gruppe der Merkelianer in seiner Partei und hat Angst, deren Unterstützung zu verlieren, wenn er eine klare konservative Kante zeigt. Und das mit Habeck ist ja wohl ein Witz. Die Mehrheit der Wähler weiß, dass unsere Wirtschaft durch die meiner Meinung nach falsche Energiepolitik in einer schweren Krise ist. Betriebe verlagern sich ins Ausland, werden insolvent, reduzieren die Kapazitäten, Läden schließen – weiß Gott kein Erfolgszeugnis für unseren Wirtschaftsminister. Und nun ist noch geplant ab 2025 die CO2-Steuer von 45 auf 55 Euro pro Tonne CO2 zu erhöhen. Das bringt weitere Preissteigerungen für Produktion und Transport mit negativen Folgen für den Verbraucher mit sich. Da würde ich von einem künftigen Kanzler erwarten, dass er diesen Irrsinn schleunigst beendet.“ „Da sind dann die fünf Euro Kindergelderhöhung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Preissteigerung für Waren des täglichen Bedarfs sind ein Vielfaches davon. Diese fünf Euro sind nur ein Wahlkampfmanöver ohne wirklich positive Wirkung für die Familien.“


„Jetzt gratulierte Merz dem neuen thüringischen Ministerpräsidenten Voigt zu dessen Erfolg und scheint ganz vergessen zu haben, dass es mal einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU betreffs der Zusammenarbeit mit den Linken gab“, fuhr Gerd fort, „ist denn das BSW etwas anderes als die Linke? Ein neuer Minister des BSW, Tilo Kummer, diente nach dem Abitur als Unteroffizier auf Zeit im Berliner Wachregiment Feliks Dzierzynski, welches zum Ministerium für Staatssicherheit gehörte und dessen Angehörige einen besonderen Eid auf das MfS leisten mussten. Eine tolle Unvereinbarkeit, nicht wahr? Dazu kommt, dass die Thüringer Regierung auf Gedeih und Verderben auf die Unterstützung der Linken angewiesen ist, da sie ohne deren Tolerierung keine Mehrheit hat. Aber Herr Merz gratuliert dazu!“ „Da du gerade die Stasi erwähnst: Ein Bekannter hat sich kürzlich beschwert, dass du immer so schlecht über Putin redest, den du noch nicht kennen würdest.“ „Ich glaube weiterhin, dass Putin ein Geschöpf des KGB, also der russischen Stasi, war und immer noch ist. Die blutigen Verbrechen des KGB möchte er verschleiern. So wurde jetzt in Moskau das Gulag-Museum geschlossen und kurz vor dem Überfall auf die Ukraine wurde der Verein Memorial behördlich aufgelöst. So sollen die Verbrechen seines früheren Arbeitgebers der Vergessenheit anheimgegeben werden.“


Paul F. Gaudi

 

Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Erschienen ist inzwischen Teil III. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.

Nr. 270 vom 17. Dezember 2024, Seite 7

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