Banalität auf Bildschirmen

Das Leben nebeneinander im Smartphone, nur weniger miteinander. Foto: 123rf

Landauf landab wird die Einschränkung der Meinungsfreiheit beklagt. Das mag für einige Kanäle durchaus zutreffen. Vorrangig trifft die Kritik den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder einzelne klassische Zeitungen oder Zeitschriften. Dass Meta-Gründer und -Chef Mark Zuckerberg die „Faktenchecker“ bei Facebook und Instagramm abschaffen will, wird von einigen als Sieg über Meinungsdiktatur gefeiert. Jeder soll sich ein eigenes Bild über das Geschehen in der Welt machen, aber was mehrheitlich über die Bildschirme huscht, ist eher banal, bedeutungslos oder gar krudes Zeug.


Als Magdeburg am 20. Dezember vom Attentat auf die Besucher des Weihnachtsmarktes erschüttert wurde, sprossen die komischsten Nachrichten. Manche wussten von noch mehr Toten, und dass angeblich Medien angewiesen seien, die „wahren“ Opferzahlen zurückzuhalten. Aber selbst der ZDF-Korrespondent erzählte über angrenzende Straßennamen, so dass sich Ortskundigen die Haare sträuben mussten. In unzähligen Videokommentierungen bei YouTube wird behauptet, was das Zeug hält, ohne Quelle, ohne Angabe, wo wie was in welchem Zusammenhang gesagt wurde. Wir haben das Märchenerzählen vom Lagerfeuer auf die Hosentaschenbildschirme geschrumpft und lassen uns tausendfach von Geschichten berieseln.


Bei Kindern wird über die Folgen des Bildschirmkonsums bereits eindringlich gewarnt. Kinderhirne befinden sich noch in der Entwicklung. Sie können in der Regel den Unterschied zwischen Realität und den konsumierten Inszenierungen nicht erfassen. Aus den Hirnmechanismen ergibt sich ein besonders großes Suchtpotenzial. Die Verhaltensforschung weiß, dass das Hirn starke positive Reize abspeichert und wieder erfahren möchte. Aber das ist nicht nur bei Kindern so, sondern ebenso bei Erwachsenen. Jeder kann in seiner persönlichen Umgebung junge oder ältere Erwachsene beobachten, die permanent aufs Smartphone starren, Nachrichten beantworten oder die Reaktionen auf eigene oder fremde Posts auf Social Media verfolgen.


Fragt man jemanden, was er am Vortag auf welcher Plattform so alles gesehen hat, kommt kaum eine schlüssige Antwort. Die Informationsfülle ist zu überblicken, noch vom Hirn merkbar. Und doch muss man wie zwanghaft immer wieder auf den Bildschirm starren. Was übrigens wirklich gefährlich ist und als staatliche Gängelung betrachtet werden muss, ist die Absicht der Grünen, eine öffentliche Social-Media-Plattform zu schaffen, die auch noch vom Rundfunkbeitrag bezahlt werden soll. Das ist dann in der Tat eine meinungsverengende Absicht. Jedenfalls soll der Vorschlag auf dem Parteitag der Grünen am 26. Januar diskutiert werden.


Worüber sich wenig Gedanken gemacht wird, ist die Frage, was eigentlich aus den Biografien von Menschen wird, die bereits in der Kindheit viele Stunden online verbringen und entsprechend wenige reale gemeinsame Erlebnisse mit anderen zustandebringen. Worüber wollen solche Menschen später aus ihrem Leben berichten? Auch die Hyperdokumentation, die manche mit permanentem Fotografieren ihres Alltags auslösen, werden sie in späteren Jahren gar nicht mehr überblicken können.


Neben den vielen positiven Aspekten zur Informationsbeschaffung wächst eben die Schattenseite des Onlineuniversums. Die Mehrzahl an Inhalten besteht aus Banalem, Widersinnigem, Fehlern, Einseitigkeit bis hin zu manipulierten bösartigen Inhalten. Und alles wird nun noch von einer Welle an KI-Avataren, Fakeprofilen und sogenannten Bots überschwemmt. Man dachte einst, das Internet würde Menschen, die sich nie begegnen, ins Gespräch bringen. Inzwischen reden Menschen mit Maschinen und die nächste Stufe wird sein, dass Maschinen mit Maschinen reden, weil sich mittels KI solche Sprachmodelle unendlich vervielfältigen lassen.


Die Welt wird dadurch kein bisschen wahrer. Im Gegenteil, es ist anzunehmen, dass wir uns eher weiter voneinander entfernen, entfremden und noch mehr inhaltlichen und überflüssigen Quark erzeugen, mit dem man sich die Lebenszeit verderben wird. Nicht nur bei Kindern lassen Lese- und Schreibfähigkeiten nach. Inzwischen werden solche Auswirkungen bereits bei Erwachsenen festgestellt. Der Mangel dieser Fähigkeit wird Denkpotenziale von Individuen negativ beeinträchtigen. Wir befinden uns in der Epoche, in der noch nie so viel veröffentlicht wurde wie zuvor. Übrigens waren den größten gesellschaftlichen Umbrüchen – Reformation, Weimarer Republik, 1989 etc. – immer Zeiten vorangegangen, in denen befreiter geredet werden konnte, so wie jetzt auch.


Thomas Wischnewski

Nr. 271 vom 14. Januar 2025, Seite 11

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