Nachgedanken zu einem Winterspaziergang

Winter mit zugefrorenen Teichen zum Schlittschuhlaufen, klirrender Kälte und richtig viel Schnee sind inzwischen leider zu einer verblassenden Kindheitserinnerung geworden. Aber stellen Sie sich trotzdem einmal vor, dass Sie warm angezogen mit Ihrer Familie auf einem verschneiten Waldweg unterwegs sind. Der Schnee knirscht leise unter den Winterstiefeln und glitzernde Schneeflocken rieseln vom Himmel herab. Ihr Inneres ist gerade im Begriff mit der schneeverzauberten, winterlichen Natur zu verschmelzen.
Aus diesem glückseligen Zustand werden Sie jäh durch eine Frage ihres Sohnes herausgerissen: „Vater, wie kommt es eigentlich zu den Schneeflocken und warum sind denn die weiß?“ Spontan fällt Ihnen dazu nur das Märchen von der Frau Holle ein, aber dafür ist der Sohn leider schon zu alt. Zu dumm, dass alle beim Winterspaziergang auf das Handy verzichten wollten. Um sich nicht der Versuchung auszusetzen etwas Vorläufiges und vielleicht gar Falsches zu sagen, ringen Sie sich zu dem Eingeständnis durch: Ich muss mich darüber erst belesen. Am Abend vor dem Fernseher sitzend kehren Ihre Gedanken immer wieder zu den Schneeflocken, den feuchten Großen und den feinen Kleinen, zurück. Sie wissen, dass die amorphen, großen Feuchten den baldigen Übergang zum Regen ankündigen. Auch wissen Sie, dass die glitzernden und feinstrukturierten Kleinen auch nur aus besonders schön gefrorenem Wasser bestehen. Aber alles andere über Schneekristalle ist für Sie ein terra incognita.
Warum sind Schneekristalle sechseckig?
Im Unterschied zu den allermeisten mineralischen Kristallen, wie es einem ein Besuch im Magdeburger Naturkundemuseum zeigen kann, sind Schneekristalle viel kleiner und vorwiegend dünne Plättchen. Ein Bergkristall oder die violetten Kristalle, die das Innere einer Amethyst-Druse auskleiden, haben eine ausgeprägte räumliche Gestalt. Und noch eine Auffälligkeit, Schneekristalle haben sechs bizarr-geformte Äste, zu denen man auch Dendriten sagt. Aber im Gegensatz zu den Dendriten der Nervenzellen empfangen die Schneekristalle keine Signale von anderen Schneekristallen. Weil die Form der Schneekristalle den Meteorologen viel über das Klima in der Höhe verraten, sind sie auch so etwas wie „Briefe vom Himmel“.
Schneekristalle bilden sich bei frostigen Temperaturen aus dem Wasserdampf und den Staubpartikeln in der Luft. Am Anfang heften sich Wassermoleküle an ein Partikel. Danach wird die Schönheit des zukünftigen Schneekristalls von der Chemie der Wechselwirkung zwischen Wassermolekülen bestimmt. Man kann es auch moderner ausdrücken. Das Netz von gebildeten Wasserstoff-Brückenbindungen zwischen den Wassermolekülen in einem Schneekristall ist der Ausdruck seiner DNA. Sechs Wassermoleküle sind über diese Bindungen zu einem sechseckigen Verbund, der „Keimzelle“ des Schneekristalls, miteinander verknüpft. In diesem Sechseck haben sich die Sauerstoffatome in den Ecken platziert. Wem das zu abstrakt ist, der kann sich die „Keimzelle“ auch als eine Gruppe von sechs Menschen vorstellen, die sich an den Händen haltend einen Ring bilden.
Dazu fällt mir „La Danse“, das Bild des französischen Malers Henri Matisse ein. Außerdem gleicht das durch die Wassermoleküle gebildete Hexagon dem Grundriss von Frankreich.
An die Eck-Sauerstoffatome des Hexagons heften sich Wassermoleküle an, und von denen aus beginnt das „Keimen“ der Äste des späteren Schneekristalls. Während des Falls vom Himmel wachsen die Äste ständig. Im ausgewachsenen Zustand wird ein Schneekristall im Durchschnitt von 1000 Trillionen von Wassermolekülen gebildet. Eine solche riesige Zahl überschreitet natürlich unser Vorstellungsvermögen. Anschaulich wird es mit der Vorstellung, wonach ein einzelnes Wassermolekül sich zum Schneekristall verhält, wie eine Kugel von 10 Meter Durchmesser zur Größe der Erdkugel. Und noch eine kaum zu glaubende Besonderheit. Fotografien von Schneekristallen legen nahe, dass kein Schneekristall dem anderen gleicht. Auch dafür gibt es eine Erklärung. Wegen der ungleichen Verteilung der gasförmigen Wassermoleküle in der Luft wachsen die Äste unterschiedlich schnell. Die Wassermoleküle müssen also unterschiedlich lange Wege zu den Spitzen der Äste zurücklegen. Wenn sich viele der Schneekristalle mit ihren Ästen miteinander verhakt haben, dann sind aus ihnen Schneeflocken geworden. Nebenbei gesagt, der Fall einer Schneeflocke von der Wolke bis zur Erde kann über eine Stunde dauern.
Warum ist Schnee weiß?
Schnee ist weiß und nicht farblos wie das Wasser oder das Eis? Wasser oder eine Scheibe aus Eis ist außerdem durchsichtig, aber eine dünne Schneeschicht nicht. Vom physikalischen Standpunkt betrachtet ist weiß keine Farbe. Irgendwann haben wir auch einmal gelernt, dass bei der Vermischung von rot, grün und blau das Weiß gebildet wird. Farbig sind Stoffe immer dann, wenn durch sie ein Teil des sichtbaren Sonnenlichtes, also eine der sogenannten Spektralfarben (rot, orange, gelb, grün, blau, indigo und violett) absorbiert wird. Das passiert immer dann, wenn die Moleküle leicht-bewegliche Elektronen enthalten. Das Verhalten der Elektronen ähnelt dem von Mietnomaden in einem Hochhaus, wo nur die unteren Etagen bewohnt sind.
Bei Ankündigung eines Besuches durch den Vermieter ziehen die Mietnomaden in unbewohnte Wohnungen in den oberen Etagen. Aber im Gegensatz zu den Elektronen müssen die Mietnomaden die Energie für den Umzug selbst aufbringen. Wassermoleküle besitzen aber keine beweglichen Elektronen, deshalb ist das Wasser farblos. Weil in Wasser oder einer Scheibe aus Eis Licht eindringen und wieder austreten kann, wird von deren Oberflächen auffallendes Licht nur wenig reflektiert. Anders verhält es sich bei den Schneeflocken. Jede von diesen besteht aus vielen Tausenden, ungeordnet aufeinander und nebeneinander liegenden Eiskristallen. Fällt Licht auf die Flocke, wird es von den Oberflächen der Eiskristalle in alle Richtungen zurückgeworfen. Das Ergebnis ist das Weiß der Schneeflocke. Deshalb können wir auch einen „gläsernen“ Eiszapfen zu einer weißen Masse verwandeln. Dazu muss man den Eiszapfen nur mit einem Hammer in viele, viele Eissplitter zerschlagen, und danach die Splitter zu einem kleinen Berg zusammenschieben. Der strahlt uns dann mit weiß entgegen. Ähnlich verhält es sich mit dem Puderzucker.
Schnee als Sinnbild
Um das Staunen Ihres Sohnes über seinen in kurzer Zeit zu einem Schneeexperten gereiften Vater richtig auskosten zu können, ergänzen Sie noch ein paar Bemerkungen zu diesem Thema. Schnee dient auch als Sinnbild in anderen Zusammenhängen. So steht sein weiß für die jungfräuliche Reinheit und Keuschheit, was auch mit den weißen Hochzeitskleidern ausgedrückt wird. Und sind es nicht die Drogenbosse, die unter Schnee reines, nicht gestrecktes Kokain verstehen? Weiß ist auch ein Symbol für den Frieden und die Hoffnung. Deshalb werden in Kriegen bei ausweglosen Belagerungen weiße Fahnen von den Kapitulationsbereiten geschwenkt. Weiß steht auch für die Schönheit. Es war doch der Wunsch der Königsmutter von Schneewittchen ein Kind zu bekommen „mit einer Haut so weiß wie Schnee, mit einem Mund so rot wie Blut und mit einem Haar so schwarz wie Ebenholz“. Eine britische Königin, Elizabeth die Erste, hat es allerdings übertrieben mit ihrer Sucht nach weißer Haut. Durch jahrelanges Pudern ihres Gesichtes mit Bleiweiß (das Hydroxidcarbonat des Bleis) hatte sie am Ende ihres Lebens mit diesem giftigen Weiß das Gegenteil erreicht. Später konnte diese mit eiserner Hand regierende Königin den Anblick ihres entstellten Gesichtes nicht mehr ertragen und ließ alle Spiegel im Palast verhängen.
Missbraucht wird allerdings der Schnee, wenn er leicht angeschmutzt ist. Dann werden etwas ältere Nachrichten oder auch Beschlüsse oder Abmachungen als „der Schnee von gestern“ bezeichnet.
Prof. Dr. Peter Schönfeld
Nr. 271 vom 14. Januar 2025, Seite 10
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