Die Zukunft ist digital, aber mit Problemen

Der digitalen Welt gehört die Zukunft. Selbstverständlich. Niemand hält auf, was Begeisterung und Erleichterung verschafft. Manche Schattenseiten treten bereits deutlich hervor. Genannt seien Betrug, vorgegaukelte bekannte Produktseiten, Scheingewinnspiele, Datenklau, Fake-Accounts, Erpressung mit Nacktbildern oder KI-Sexvideos oder unzählbare krude Nachrichten mit Spekulationen, Verschwörungskampagnen oder einseitiger ideologischer Propaganda. Ob ein Einzelner bei der Fülle an Betrug und Schein noch die Übersicht behalten kann, ist fraglich. Bildungspolitisch begegnen wir dem Online-Universum mit Blick auf den Nachwuchs mit dem Wort Medienkompetenz.

 

Das Lernen eines gewissenhaften Umgangs oder das Üben einer gesunden Skepsis Informationen gegenüber, ist ein gutes Ansinnen. Es blendet jedoch einiges aus. Das Grundproblem sind nie die technisch-virtuellen Möglichkeiten, sondern stets die Menschen, die vor den Bildschirmen sitzen. Einerseits solche mit krimineller Energie und andererseits die verführbaren, die im Moment ihrer falschen Entscheidung von einem starken inneren Motiv getrieben werden. Solche können Gier, Scham, Narzissmus, Neid oder sexueller Trieb heißen. Dazu kommt Unwissenheit oder mangelnde Konzentration. Solche menschlichen Faktoren werden sich nicht ausschalten lassen, egal, wieviel Medienkompetenz auch vermittelt wird.

 

Außerdem wird beim Wunsch, der Onlinewelt Herr zu werden, ausgeblendet, dass unser Hirn die eigentliche unbewusste Suchtmaschine ist. Und das nicht nur bei Kindern, sondern genauso bei Erwachsenen. Das neuronale Ding, das unter der Schädeldecke wirkt, ist immer an, selbst im Schlaf. Es verarbeitet selbst dann Informationen, wenn wir glauben, im Tiefschlaf Erholung zu finden. So wie wir ständig Reizmessverfahren zu hell und dunkel, kalt und heiß, laut und leise unterliegen, erfüllt die schöne Onlinewelt eigentlich nur den Reizmagnetismus unserer grauen Zellen. Und wie die Hirnforschung weiß, erzeugt jeder Reiz Energieaustausch und Hormonausschüttung im Hirn, oft mit einer Weiterverbreitung im Körper.

 

Dem Internet also ausschließlich intellektuell mit Unterweisung zu begegnen, ist ähnlich kompliziert, wie einen schwer suchtabhängigen Menschen von seiner Droge zu erlösen. Unsere moderne Droge heißt heute Informationsreize. Auf dieser Klaviatur spielen wir alle mit. Die Hirnprozesse – insbesondere solche, bei denen Stresshormone im Spiel sind – laufen unabhängig davon ab, ob eine Information richtig oder falsch ist. Die inhaltliche Unterscheidung spielt gar keine Rolle.

 

Dass wir zum Schutz der Kinder, den Nachwuchs und sein Verhalten in den Fokus nehmen, ist eine gute Sache, blendet aber aus, dass alle unter denselben biologischen Abläufen funktionieren. Wie gesagt, es ist nicht aufzuhalten, was ein Hirn begeistert, und ein weiterer Aspekt ist, dass jede als Fortschritt bezeichnete Entwicklung immer auch etwas mit der Bequemlichkeit des Menschen zu tun hat. Was einem auf den ersten Blick selbst Erleichterung verschafft, erzeugt an anderer Stelle mehr Aufwand und Energie. Das wird uns vor den Bildschirmen nur weniger bewusst. Freuen wir uns auf die schönen und die Schattenseiten der Zukunft.

 

Thomas Wischnewski

Nr. 273 vom 12. Februar 2025, Seite 18

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