Die Party ist vorbei

Deutschland ist ein reiches Land. Dieser Satz wurde in der Vergangenheit oft bemüht. Nach wie vor ist die Bundesrepublik laut des Internationalen Währungsfonds (IWF) gemessen am nominalen Bruttosozialprodukt (BIP) die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wird jedoch das BIP um den Faktor der Kaufkraft bereinigt, liegt Deutschland nur noch auf Platz 6. Inzwischen befindet sich das Land im dritten Jahr einer Rezession. Das BIP steigt nicht, sondern weist einen Minussaldo gegenüber dem Vorjahr aus. Und obwohl die Zahl der Erwerbstätigen auf Rekordhöchststand geklettert ist, steigt die Arbeitslosigkeit kontinuierlich. Im Januar lag sie bei 6,4 Prozent.
Eigentlich ist den meisten klar, dass die großen Probleme noch vor uns liegen. Fast 20 Millionen sogenannte Babyboomer gehen bis 2036 in Rente. Ein weiterer Anstieg der Anzahl von Berufseinsteigern bzw. Erwerbstätigen ist fraglich. Für 2025 prognostizieren 25 Wirtschaftsverbände in ihren Branchen für 2025 einen Stellenabbau, nur sieben rechnen mit mehr Beschäftigten. Weniger Jobs wird es in der Industrie geben. Und genau hier fängt das Problem an. Die Entwicklung der Wirtschaftskraft des Landes baut vorrangig auf das industrielle Wachstum in vergangenen Jahrzehnten. Nun explodiert die Zahl der Rentenberechtigten. Gleichzeitig versorgt der Sozialstaat rund 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger. Die größte Gruppe mit knapp 4 Millionen Berechtigten sind im erwerbsfähigen Alter.
Die statistischen Angaben zu gesellschaftlichen Bereichen, bei denen in den künftigen Jahren ebenfalls ein signifikanter Aufwuchs zu erwarten ist, ist lang. Das Gesundheitssystem wird teurer, die Pflegekassen können die Leistungen schon seit einiger Zeit nicht mehr aus den Pflegeversicherungsbeiträgen stemmen. Obwohl der Bedarf an Pflegeplätzen steigt, entstehen kaum neue, weil einerseits die Anbieter keine angemessene Finanzierung für die Investition in Pflegeangebote erhalten und andererseits die Kosten für Bedürftige inzwischen so hoch sind, dass sich viele einen Pflegeplatz gar nicht mehr leisten können. Das gesamte solidarische Sozialsystem Deutschlands, auf das wir in der Vergangenheit als „reiches Land“ so stolz waren, bröckelt.
Dass Politiker vor der Bundestagwahl oft Lösungen durch Verteilungsänderungen im Haushalt versprochen haben, kann nur als Placebo bei der Wahlentscheidung gesehen werden. Die Realität wird – zumindest für die etwa nächsten dreißig Jahre – eine andere sein. Was nämlich diese Babyboomer-Generation in ihrer Lebensarbeitszeit an Finanzkraft für die Sozialsysteme erwirtschaftete, wird sich in diesem Umfang nicht mehr wiederholen. Aus den Beträgen speisten sich die aktuellen Renten, alle anderen Sozialleistungen und aus der Einkommenssteuer die weiteren notwendigen Staatsausgaben.
Da das Arbeitskräftepotenzial im Zuge der Verrentung der Babyboomer stark sinkt, muss es einerseits durch Zuwanderung vergrößert werden, bzw. das vorhandene Potenzial besser ausgeschöpft werden, so sagt es die Ökonomie. Gelingt dies in beiden Punkten nur mangelhaft, sind Wohlstandsverluste die Folge. Es drohen verschärfte Verteilungskonflikte, vor allem, weil der Anteil der nicht arbeitenden Bevölkerung deutlich zunimmt. Dieser Effekt wird außerdem durch die sinkende Bereitschaft zu Vollzeitarbeit in jüngeren Generationen oder bei jenen, die sich aufs Rentenalter zubewegen, verstärkt.
Dass also immer noch politische Versprechen verkünden, die Probleme seien rein durch finanztechnische Tricks in der Verteilung oder durch Anlagen in Kapitalmärkte lösbar, darf mindestens als Täuschung bezeichnet werden, eigentlich jedoch eher als Lüge gebrandmarkt werden. Deutschland steht in einer einmaligen historischen Situation. Außer die verheerenden Folgen des 2. Weltkriegs gab es für das Land noch nie so düstere Prognosen. Dass dieser gesellschaftliche Trend auch noch mit Zusatzkosten für die Rettung des Klimas, eines Komplettumbaus der Energieerzeugung, nun aktuell mit steigenden Verteidigungsausgaben und dann noch Versprechen über Steuerwohltaten gespeist wird, darf als Hinweis für die Hilflosigkeit der Politik herhalten. Die Schwierigkeiten werden dann gern mit voluminösen, aber inhaltsleeren Begriffen übertüncht. Digitalisierung, Fortschritt durch Künstliche Intelligenz oder andere Worthülsen werden in Reden verwendet, um irgendetwas rosiges für die Zukunft zu verkündigen, obwohl man selbst gar nicht weiß, was das im Konkreten sein soll.
Von den Vorstellungen über den bisherigen Luxus eines vollversorgten, gemütlichen Lebens, mit allen möglichen Absicherungen und Anspruchserfüllungen wird man sich verabschieden müssen. Erwähnt seien an dieser Stelle auch noch die steigenden psychischen Beeinträchtigungen. Deswegen steigen vor allem die Krankentage und erreichen von Jahr zu Jahr Rekordhöhen. Von mehr Leistungskraft kann in diesem Land also kaum die Rede sein. Nun wird gern das Wort Arbeitsbelastung für mehr psychische Beeinträchtigungen als Ursache genannt. Schwer vorstellbar ist jedoch, dass die Belastungen bei permanent sinkenden Jahresarbeitszeiten herrühren. Vielleicht sind die Belastungen eher ein Ausdruck der destruktiven Seiten eines vernetzten Lebens, in das man sich offenbar gern in Selbsthaft nimmt.
Die Zukunft gehört den sozialen Medien. Auch dieser Satz – inzwischen gut 15 Jahre alt – wurde anfangs oft bemüht. Inzwischen werden die Schattenseiten der virtuellen Welt immer sichtbarer. Sie heißen Betrug, Diffamierung, Fake News, Hass und Hetze, Abhängigkeit, Vereinsamung oder Meinungseinschränkung. Im Industriezeitalter waren es schwere körperliche Arbeit, lange Schichten und giftige Substanzen, die den Menschen in Fabriken kaputt gemacht haben. Heute erfolgt die Selbstzerstörung durch eigenes Engagement. Und Millionen hängen an den Lippen einer Tausend erfolgreichen Influencer und lassen sich etwas erzählen. Schöne vergeudete Zeit, in der nichts für andere geleistet wird. Das brauchte die Gesellschaft jedoch dringend, dass Menschen miteinander, füreinander etwas tun. Aber man glaubt, die Party ginge so weiter. Doch die Party ist vorbei. Das wäre das ehrlichste Wort zur Zeit. Über die Lippen bekommen es Politiker aktuell noch nicht, obwohl sie es wissen. Dafür blähen sie den Staatsapparat weiter auf und reden im selben Atemzug von Entbürokratisierung. Liebes Land, fröhliche Zukunft mit weiter fröhlichen Geschichten.
Thomas Wischnewski
Nr. 274 vom 26. Februar 2026, Seite 4
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