Standpunkt Breiter Weg: Die Lunte brennt

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fliegt aus dem Weißen Haus. Die einen feixen darüber, andere sind entsetzt. Donald Trump und sein Vize James David Vance wollen eine Wende im Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Doch offenbar geht es um etwas Größeres. In der Ukraine will sich Trump Rohstoffe sichern und die Europäer sollen gefälligst mehr für die NATO blechen, ansonsten fällt der US-Beistand. Der amerikanische Präsident liebt Drohgebärden. Sendet welche in Richtung Selenskyj, an die Europäer, zur Hamas in Gaza, aber auch Putin bekommt nach ein paar freundlichen Gesten wieder eine Breitseite.

 

Die Gewichte auf der Welt sortieren sich neu. Das bisher größte Militärbündnis, die NATO, scheint zu bröckeln. Jedenfalls will Trump für die NATO keine Hand ins Feuer legen. Das bisher auf der Welt als „Westen“ verstandene Gebilde wird auseinanderdividiert, ganz im Putinschen Sinne. Auch die Chinesen sind darüber sicher nicht traurig. Ob die Zölle, die Donald Trump seinen bisherigen Handelspartnern verordnet, das einbringen, was er sich ausmalt, bleibt abzuwarten. Fakt ist nur, er bedient seinen Slogan „America first“.

 

Die Reaktion der Europäischen Spitzenpolitiker auf die Washingtoner Unsicherheit, mit einer gewaltigen Aufrüstungswelle zu antworten, schürt weiter die Kriegsangst. Das Orakel, Putin würde 2029 so weit sein, um ein anderes europäisches Land anzugreifen, klingt wie eine selbsterfüllende Prophezeiung, als wollte man tatsächlich einen Krieg herbeireden. Wenn sich die USA wirklich aus der NATO zurückziehen, zeigt das in der Tat, dass die so hochgehaltene Partnerschaft mit einstigen Verbündeten nicht mehr viel taugt. Außerdem wird der Eindruck geschürt, dass die USA einen Kriegsschauplatz Europa in Kauf nehmen würden. Die Forderungen hierzulande, dass Europa für eine eigene atomare Abschreckung sorgen soll, tragen eher nicht dazu bei, dass man sich als Bürger sicherer fühlt. Selbst in den Reihen der AfD fallen inzwischen Sätze, die für Deutschland Atomwaffen fordern. Als es 1990 um die Deutsche Einheit ging, wurde in den 2+4-Gesprächen vereinbart, dass die Bundesrepublik atomwaffenfrei bleibe. Das war Wille aller Verhandlungspartner. Würde daran gerüttelt, bekommt Wladimir Putin Stoff für neue vermeintliche Bedrohungsszenarien, dann aber noch handfesteren als bisher.

 

Irgendwie ist es schon so, als würde die Lunte für eine weitere Eskalation längst angezündet sein. Wer ist der Brandstifter? Man kann sehen, dass es nicht den einen gibt. Es wird auf allen Seiten gezündelt. Und genau das macht die Entwicklung insgesamt so gefährlich. Von Entspannung keine Spur, es zählen offensichtlich nur noch Stimmen nach militärischer Selbstversicherung. Wo sind die Stimmen, die für Frieden werben, für Mäßigung in der Rhetorik und in den Drohgebärden? Als Verteidigungsminister Boris Pistorius 2023 forderte, Deutschland müsse kriegstüchtig werden, wurde der Weg dafür geebnet. Jetzt soll nur umgesetzt werden, was längst in der Planungspipeline war. Ob das eine Mehrheit in der Bevölkerung wirklich unterstützt, halte ich für fraglich.

 

Thomas Wischnewski

Nr. 275 vom 12. März 2025, Seite 2

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