Abgefahren: Die vollelektrische Zukunft des Autos

Was in Berlin zurzeit unter dem Titel „Koalitionsverhandlungen“ läuft, ist reif für die Mottenkiste. Es wirkt wie im Mittelalter das Aussterben des Rittertums und des Minnegesangs. Und damit meine ich noch nicht einmal die Verschuldungsorgie, die jetzt alles überdeckt.

Denn da waren doch noch „Verbrennerverbot“, „neue Kernkraftwerke“, „Heizungsgesetz“ und „Technologieoffenheit“, über die vor der Wahl erbittert gestritten wurde. Was ist dran an den Problemen?

 

1. Verbrennerverbot?

 

Die Batterieentwicklung für E-Autos hat in den letzten Monaten alles überrollt. Die Ladedichte wurde exponentiell größer. Neue Bautechniken lassen die Herstellungskosten für einen Mittelklassewagen in China auf unter 10.000 Euro sinken. Die Sicherheit und Umweltfreundlichkeit sind besser als bei den Benzinautos. Man kann heute einen Bolzen durch eine Batterie treiben, ohne dass etwas passiert. Das ist jetzt sogar ein Standardtest und nennt sich „Nagelprobe“. Elektroautos sind billiger in Herstellung und im Betrieb, dank weniger Teile wartungsärmer, langlebiger und damit unschlagbar in allen Vorteilen für den Autofahrer.

 

Das war noch vor einem Jahr völlig anders. Für uns Verbraucher in Deutschland wird es nicht transparent, weil unsere Autoindustrie noch auf den heimischen Markt hofft, seit ihre Exporte gravierend eingebrochen sind. Wollen Sie Beispiele?

 

China ist mit Abstand der größte Absatzmarkt für BMW. BMW lieferte im Zeitraum Juli bis September 2024 nur 147.691 Fahrzeuge aus; ein satter Rückgang von 29,8 Prozent im Vergleich zu 2023. In China wuchs gleichzeitig bei Neuzulassungen der Anteil von Elektroautos im Juli 2024 auf 50 Prozent. Die Hochrechnung zeigt, dass bereits 2028 der Anteil der Verbrennerautos in China auf nur noch 5 Prozent sinken wird. Und die Welt folgt! Es braucht also gar kein Verbrennerverbot! Wozu also etwas bis 2035 verbieten, was ohnehin in wenigen Jahren der Markt regelt? Nun gut, vielleicht noch nicht in Deutschland und der EU, aber wir stecken ja noch im Mittelalter!

 

Mittelalter herrscht auch noch bei unseren Autohändlern. In China fährt z. B. einen Geely Zeekr 001 mit mehr als 1.000 km Reichweite. Der Lithium Eisenphosphat Akku hält 50 Jahre bei einer jährlichen Fahrleistung von 20.000 Kilometern und einer Eine-Million-Kilometergarantie ohne Leistungsverluste. Schauen Sie mal, was im Vergleich dazu bei uns so in den Läden herumsteht!

 

2. Technologieoffenheit?

 

Bei dieser rasanten Entwicklung der Batterietechnik haben auch die Wasserstofftechnik und die „Erneuerbaren Kraftstoffe“ keine Chance mehr. Der Verein Deutscher Elektroingenieure hat berechnet, dass ein Windrad mit 3 MW Leistung 1600 Elektroautos, aber nur 600 Autos mit erneuerbarem Wasserstoff und 250 „e-fuel“ Autos versorgen kann. Andersherum: Man brauchte viermal so viele Windräder, wenn wir in Zukunft mit Wasserstoffautos fahren wollen. Selbst bei den LKW scheinen die Messen für den Wasserstoffantrieb gesungen zu sein. Seit es Batterien für Busse und LKW mit 15 Jahren Garantie bei 1,5 Millionen Kilometern Laufleistung gibt und die Kosten für einen 40-Tonner Truck pro Tonne Ladung auf 0,35 bis 0,55 Cent gesunken sind, machen sie dem Diesel Konkurrenz. Das Thema hat sich erledigt, Haken dran!

 

3. Wieder Kernkraft?

 

Mit der stürmischen Entwicklung der Speichertechnik können Erträge von Wind und Sonne kostengünstig gespeichert werden. Bei der Bundesnetzagentur liegen heute bereits Anträge für 226 GWh Speicherkapazität! Es gibt dort aber nur einen überforderten Sachbearbeiter, so dass es noch etwas dauern wird.  Wir sind noch im Mittelalter und der Beamte ist der Wächter der Burg, der die Zugbrücke allein nicht runter bekommt!

 

Zum Vergleich: Fünf mittlere Kernkraftwerke haben eine Leistung von 6 GW. Die Speicher können also bereits in naher Zukunft den völligen Ausfall von Sonne und Wind für rund 38 Stunden abfedern, anstatt fünf Kernkraftwerke am Netz zu halten!

 

Noch besser: Wenn man das „bidirektionale“ Laden für Elektroautos endlich erlaubt, dann versorgt z. B. ein Mittelklassewagen mit einer 70 kWh Batterie den Haushalt eines Einfamilienhauses für eine Woche. Werden intelligente Netze möglich, so können regionale Speichersysteme für energieautarke Stadtgebiete sorgen. Wer braucht dann noch große Energiekonzerne? Auch für die Wohnungswirtschaft sind es interessante Alternativen.

 

Ach, übrigens müssten, um den Anteil der Kernkraftwerke an der Welt- Energieversorgung in Höhe von 9 Prozent (2022) zu halten, bis 2050 insgesamt 270 neue Kernkraftwerke gebaut werden. 2024 wurden nur sechs neu gebaut, vier Meiler wurden stillgelegt. Durch die hohen Investkosten bei Kernkraftwerken (in Großbritannien stiegen die Kosten von 13 auf 59 Mrd. Euro) würde der Strompreis bei rund 14 ct/KWh liegen. An der Strombörse liegt der Preis für eine Kilowattstunde bei 6 Cent.

 

Der billige Atomstrom ist also ein Märchen und gilt nur für alte, schon abgeschriebene Anlagen. Wer neue Atomkraftwerke bauen und Windräder abreißen will, ist ein Don Quichote oder einfach nur ein Ritter von der traurigen Gestalt.

 

Hoffen wir also auf die Neuzeit und verbannen das Mittelalter in die Museen! Und sperren wir die Politiker, die uns so etwas erzählen wollen, gleich mit dazu!

 

Gehaben Sie sich wohl!

Ihr Dr. Holger Neumann

 

Wie immer zum Weiterlesen: Prof. Dr. Maximilian Fichtner: „Energiespeicher für die Zukunft – neue Batterietypen für das postfossile Zeitalter“

Nr. 275 vom 12. März 2025, Seite 20

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