Ich spreche Deutsch: Gelesenes

Wie viel wird doch gedruckt in Deutschland! Buchstaben, Wörter, Sätze, Texte, Bilder usw. – alles auf Papier. Flugblätter, Zeitungen, Zeitschriften, Werbeprospekte, Magazine usw. usw. Alles natürlich in der Annahme und in der Hoffnung, dass dies alles auch gelesen wird. Und die Verfasser dieser Druckerzeugnisse (Druck-erzeugnisse, denn es gibt auch, zumindest war das früher so, Drucker-zeugnisse, das waren dann die Zeugnisse nach bestandener Lehrzeit als Drucker) gehen davon aus, dass ihre Erzeugnisse auch verstanden werden.
Was man dann so in die Hände bekommt und liest, dazu lässt sich sagen, dass doch alles, oder so ziemlich alles, verständlich ist. Verständlich ist es, weil wir einen Kopf zum Denken haben, weil wir schon länger in dieser uns umgebenden Welt leben, hier aufgewachsen sind und deswegen auch gewisse Erfahrungen gemacht haben. So etwas befähigt uns, Geschriebenes in den meisten Fällen zu verstehen. Schwierigkeiten können entstehen, wenn nicht immer die formalen Voraussetzungen eingehalten werden. Formale Voraussetzungen, das sind Vorschriften in der Rechtschreibung, die Verwendung des üblichen Wortschatzes, die Einhaltung von Regeln in der Grammatik und ähnliches.
Betrachten wir doch, ob und wie solche eben geäußerten Thesen in der Praxis bestehen können. Dazu nehmen wir Sätze aus Zeitungen und Magazinen. Wir verbürgen uns dafür, dass alles aus Originalquellen stammt, nichts ist ausgedacht oder künstlich konstruiert. Aus Platzgründen sind die Textausschnitte lediglich gekürzt. Wir geben nähere Hinweise zum Kontext und fügen Kommentare an.
Ein Arzt schreibt populärwissenschaftlich in einer Fernsehzeitung über Reflux. „Typische Symptome sind starkes Brennen hinter dem Brustbein, Aufstoßen und Druck auf den Magen. Bei einigen äußert sich der Reflux aber durch Husten oder Heiserkeit und landen dann fälschlicherweise bei Pneumologen…“ – Sie, liebe Leserinnen und Leser, verstehen, wer fälschlicherweise bei Pneumologen landet, nämlich solche Patienten. Aber Sie werden zugestehen, dass die Konstruktion des Satzes „Bei einigen …“ verunglückt ist. Denn beim zweiten Teil des Satzes „… und landen dann …“ – fehlt, grammatisch gesehen, das Subjekt (Satzgegenstand) des Satzes. Vorschlag zur Korrektur dieses Satzes: ‚Bei einigen Patienten äußert sich der Reflux aber durch Husten oder Heiserkeit, und sie landen dann fälschlicherweise bei Pneumologen‘.
Aus einem Bericht in einer Tageszeitung über Probleme der Freiwilligen Feuerwehren. „Vor allem bei Personal kleinen Wehren im Landkreis gab es Engpässe bei der Ausbildung zum Maschinisten.“ Was hier auffällt, ist das „… bei Personal kleinen Wehren …“. Wir verstehen, was der Verfasser des Berichts hier ausdrücken will. Aber eine solche Konstruktion ist doch sehr ungewöhnlich. Unser Vorschlag: „Vor allem bei kleinen Wehren mit geringem (oder: kleinem) Personalbestand …“, oder, noch einfacher: „Vor allem bei Wehren mit wenig Personal …“.
„Ein wahres Paradies bietet die Hansestadt Gardelegen mit ihren Gartenträume Wallanlagen und dem angrenzenden Bürgerpark.“ Heißen die Wallanlagen Gartenträume? Oder sind die Gartenträume Wallanlagen? Hier werden ganz einfach Wörter, Substantive, die allein genommen einen guten Klang besitzen, nebeneinandergesetzt. Es ist sicherlich anzunehmen, dass die Wallanlagen der Stadt sehr schön (‚toll‘, wie es heute heißt) sind. Im Jahr 2000 initiierte das Land Sachsen-Anhalt ein Programm mit der Bezeichnung ‚Gartenträume‘, das rund 50 Parks, Schlösser und Grünanlagen umfasst. Sprachökonomie, also das Einsparen von Text, ist gut und schön, aber manchmal wäre es doch nicht schlecht, insbesondere wenn es um Werbung für schöne Orte geht, nicht auf Deutlichkeit zu verzichten. Warum also nicht: … ‚Wallanlagen, die in das Landesprogramm Gartenträume aufgenommen wurden.‘? Im Rahmen dessen wurden für Kinder und Jugendliche auch noch eine Boulebahn (? – was ist das?) und eine Calisthenics-Anlage (? – und was ist das denn?) gebaut. Der Verein BürgerparkMacher der Stadt könnte uns dazu Erklärungen geben, dann müssen wir nicht selbst in Nachschlagewerken auf Suche gehen.
Aus Kräutern, mit etwas Salz gemischt, lassen sich durch Mörsern gesunde und wohlschmeckende Zutaten für Speisen herstellen. „Wem das allerdings zu lange dauert oder keinen Mörser hat, darf auch gerne eine Kaffeemühle oder Ähnliches verwenden.“ Ein Glück, dass wir alle den Sinn verstehen. Aber zur Nachahmung – aus sprachlicher Sicht natürlich – wird der Satz nicht empfohlen. So würden wir ihn schreiben: ‚Wem das allerdings zu lange dauert, oder wer keinen Mörser hat, darf auch gerne eine Kaffeemühle oder Ähnliches verwenden.‘ ‚wem‘ ist der Dativ (3. Fall) von ‚wer‘, und ‚wer‘ im zweiten Halbsatz bildet das Subjekt (Satzgegenstand) dieses Halbsatzes.
Fachsprache ist häufig schwer zu verstehen. Eigentlich ist sie nur etwas für die Leute von dem jeweiligen Fach. Hier eine Kostprobe aus einem Magazin, das auf jeden Fall für ein breites Publikum gedacht ist. „Der Skatepark besteht im Wesentlichen aus drei Modulen: der Street-Selection, einer urbanen Straßenszenerie en miniature mit Treppen und sogenannten Rails und Ledges, der Bowl-Landschaft, eine Art Betonschüssel und schließlich der Skateplaza, einer Kombination aus Street-Elementen und individuellen Features, die die Kreativität der Skater herausfordern.“ Können Sie die drei Module nennen? Wir nehmen an, dass eines der Module die Bowl-Landschaft, eine Art Betonschüssel, ist. Klarer wäre dies, wenn diese Erklärung ‚Betonschüssel‘ als – grammatisch gesehen – sogenannte Apposition ebenfalls im Genitiv stände und durch Kommas eingeschlossen wäre: ‚,einer Art Betonschüssel,‘. Beim ersten Modul, der Street-Selection, ist dies ganz korrekt eingehalten. – Wenn Sie hier nicht alles verstanden haben sollten, dann trösten Sie sich damit, dass Sie diesen Skatepark vielleicht doch nicht selbst nutzen wollen.
„Ein Kran hievte 2016 einen der ersten, noch kleinen Kugelpumpspeicher ins Konstanzer Hafenbecken, um diesen für wenige Wochen im Bodensee zu testen.“ Wir verstehen das so, dass ein kleiner Kugelpumpspeicher ins Wasser gehievt wurde. Das natürlich auf Initiative sowie unter Aufsicht und Regie von Menschen. Auf den ersten Blick aber könnte man meinen, dass der Kran das Testen ausführt. Er wird dazu aber wohl nicht in der Lage sein. Das Problem ist dieses ‚um … zu‘. Lesen Sie dazu bitte den folgenden Satz: „Jeden Donnerstag wählen wir zufällig 20 Benutzer per System aus, um an einer kurzen Umfrage teilzunehmen.“ Ja, ‚wir wählen aus‘, richtig. Aber wollen wir tatsächlich an der Umfrage teilnehmen? Sind das nicht wir, die Organisatoren, die die Umfrage durchführen wollen? Und es sollen doch die 20 Benutzer sein, die befragt werden sollen. Vergleichen Sie den konstruierten Satz: ‚Ich gehe zum Tanzen, um Mädchen kennenzulernen.‘ Grammatisch gesehen ist ‚ich‘ das Subjekt (Satzgegenstand), und beim zweiten Halbsatz mit ‚um … zu‘ ist das Subjekt immer noch dasselbe, im konkreten Fall derselbe Mensch, nämlich ‚ich‘. Vorschlag zur Verbesserung des obigen Satzes: „Jeden Donnerstag wählen wir zufällig 20 Benutzer per System aus, die an einer kurzen Umfrage teilnehmen sollen.“, oder: ‚… damit sie an einer kurzen Online-Umfrage teilnehmen.‘
Ja, auf Papier gedruckt wird viel in Deutschland. Vorher aber stehen Menschen, die das verfassen, was gedruckt werden soll. Ob sie selbst dann auch alles nochmal lesen, quasi zur Überprüfung, was dann letztlich auf dem Papier steht? Dabei sind nicht immer tiefschürfende Erkenntnisse in der Grammatik der deutschen Sprache nötig. Die Sprache ist zwar häufig nicht logisch, aber manches in den oben zitierten Sätzen könnte vielleicht doch besser geschrieben sein.
Dieter Mengwasser
Dipl.-Dolmetscher u. -Übersetzer
Buch-Tipp: Die Beiträge von Dieter Mengwasser sind als Buch unter dem Titel „Ich spreche Deutsch! – Sprachbetrachtungen eines Sprachkundigen“ erhältlich. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online bestellt werden.
Nr. 275 vom 12. März 2025, Seite 16
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