Erzrivalen unter sich
Derbys sind in der Handball-Bundesliga das Salz in der Suppe. Auch in diesem Jahr könnten sie wieder Einfluss auf den Ausgang der Meisterschaft nehmen. | Von Rudi Bartlitz

Ob es mehr der Zufall war oder gar messerscharfe strategische Weitsicht der Bundesliga-Planer, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls lagen sie am zurückliegenden Wochenende mit ihren Ansetzungen goldrichtig. Mit der Länderspielpause hatte die Fußball-Bundesliga quasi das Fernseh- wie Debattierfeld widerstandslos geräumt. In diese Lücke stießen die Jungs von der werfenden Zunft gnadenlos hinein.
Und zwar mit dem Besten, was die Liga derzeit zu bieten hat: den beiden fulminantesten Derbys, die man sich hierzulande vorstellen kann. Im Osten das Duell der Erzrivalen SC Magdeburg und Füchse Berlin, im Norden die „Mutter aller deutschen Handball-Derbys“, die zum 112. Mal (!) ausgetragene Partie zwischen der SG Flensburg und dem THW Kiel (diesmal 36:33). Da alle vier Teams – hinzu kommen noch Hannover und Melsungen – zudem im wahrscheinlich spannendsten Titelkampf des letzten Jahrzehnts verwickelt sind, beantwortete sich die Frage nach Dramatik eigentlich von selbst.
Dass ausgerechnet der SCM an diesem Wochenende die Stimmung nicht noch zusätzlich in ungeahnte Höhen treiben konnte und zu den Verlierern des Tages zählte (30:33), passte dann so gar nicht in die Vorstellung der mit 6.600 Zuschauern erneut ausverkauften Getec-Arena. Die Niedergeschlagenheit der Grün-Roten war danach in der Mixed-Zone und bei der Pressekonferenz wahrlich mit Händen zu greifen. Selbst wenn es – wie Gäste-Coach Jaron Siewert und SCM-Trainer Bennet Wiegert übereinstimmend bemerkten – am Ende „nur Kleinigkeiten“ waren, die den Ausschlag gaben. Dennoch, räumte SCM-Spielmacher Gisli Kristjansson ein, „das tat schon weh“.
Während Wiegert von einem „absolut verdienten Sieg“ der Berliner sprach und bei seiner Mannschaft – die bei Torhütern und Außenspielern diesmal unübersehbare Defizite besaß – ein wenig „Cleverness und Smartheit“ vermisste, spazierte Füchse-Manager Bob Hanning mit stolzer Brust übers Parkett. Selbst für ein TV-Interview war ihm an diesem Abend im Hallen-Wirrwarr kein Weg zu weit. „Hier in Magdeburg zu gewinnen, das bedeutet schon etwas“, meinte er und konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass in seinem Team „fünf Jungs aus dem eigenen Nachwuchs“ standen. „Nach dieser Leistung lebt der Traum von der Meisterschaft weiter.“ Es wäre die erste überhaupt für die Hauptstädter.
Und noch etwas war an diesem Abend unübersehbar: Die Füchse sind dabei, den schnellen SCM-Handball erfolgreich zu adaptieren. Andere würden vielleicht sagen: zu kopieren. Mit dem Dänen Mathias Gidsel, für viele der derzeit beste Handballer der Welt, weiß man dafür einen echten Diamanten in seinen Reihen. „Er ist unser X-Faktor“ schwärmt Hanning seit längerem. „Die Achse mit ihm und Nils (Lichtlein, d. Red.) und ihrer Geschwindigkeit funktioniert unheimlich.“
Dennoch wundert es ein wenig, dass die Bilanz zwischen beiden ein Plus für die Berliner ausweist. Zumal sie erst seit 2007 im Oberhaus mitmischen. Von den Liga-Begegnungen mit dem SCM gewannen die Füchse immerhin fast zwei Drittel. Doch Ergebnisse sind nicht alles bei Derbys. „Punkte sind da nicht bloß Punkte auf der Habenseite”, hatte Wiegert schon im Vorfeld der Partie angemerkt. „Berlin gegen Magdeburg ist einfach etwas Besonderes. Das hat sich in den letzten Jahren zu einem großen Konkurrenzverhalten entwickelt.” So richtig Fahrt kam erstmals auf, als die Füchse 2009 Nationalkeeper Silvio Heinevetter wegkauften.
Manchmal nimmt die Rivalität sogar etwas außergewöhnliche Formen an. Wie im letzten Jahr, als die in den Medien allgegenwärtige Handball-Legende Stefan Kretzschmar zumindest für vorübergehende Aufregungen sorgte. Mehrfach brachte er, im Hauptamt Sportvorstand der Füchse (!), Magdeburgs Coach als neuen Bundestrainer ins Gespräch. Das stieß vielen in der hiesigen Ballwerfer-Gemeinde recht sauer auf. Vermuteten sie dahinter doch eine Kabale des einstigen SCM-Akteurs. Motto: Das bringt vor dem Ost-Derby vielleicht die eine oder andere Unsicherheit in die Reihen der Elbestädter.
Apropos Kretzschmar. Den treiben derzeit andere „Sorgen“ um. Nämlich Schlafsorgen, wie er einem Boulevard-Blatt gestand. Grund dafür sei der hochspannende Titelkampf, in dem sein Team – das aus dem Derby-Wochenende als Sieger hervorging und erst einmal die Tabellenspitze übernahm – sehr aussichtsreich mitmischt. Den Ersten trennen vom Sechsten nur vier Minuszähler. „Ja, ich schlafe zurzeit etwas unruhiger, weil der Kampf vorn um die Meisterschaft so spannend ist“, verriet der 52-Jährige. „Es macht ja momentan noch nicht mal Sinn, bei einem Sportwettenanbieter ganz sichere Tipps abzugeben. Das ist ja irrsinnig. Wir können auch nach diesem Kracher-Spieltag noch keinen Meister küren. Alles ist noch offen irgendwie.”
Mit dieser Meinung befindet sich der Berliner in guter Gesellschaft. Selbst Bundestrainer Alfred Gislason sah sich jetzt veranlasst, seinen Meistschafts-Tipp zu überdenken. „Momentan liege ich da ein bisschen daneben”, scherzte der Isländer. Warum? Weil er auf den SC Magdeburg oder die SG Flensburg-Handewitt als Meister getippt hatte. Dass aber von Platz eins bis sechs theoretisch noch jedes Team Meister werden kann, findet Gislason klasse. “Ich glaube, dass die Liga spannender ist als je zuvor”, sagt der 65-Jährige.
Richtig, so spannend wie in Deutschland geht es in keiner anderen Liga der Welt zu. In Frankreich (Paris, Nantes), Polen (Kielce, Plock), Ungarn (Veszprem, Szeged) oder Dänemark (Aalborg, GOG) duellieren sich maximal zwei Teams, in Spanien gar ist Barcelona einsame Spitze. In der Bundesliga hingegen gab es allein in den letzten acht Jahren vier verschiedene Meister (Kiel, Flensburg, Rhein-Neckar Löwen, SCM).
Wenn es also ganz verrückt läuft, steht diesmal tatsächlich erst nach dem allerletzten Spiel der Saison fest, wer sich deutscher Handballmeister 2025 nennen darf. Vielleicht könnte aber schon am 4. Juni kurz vor 22 Uhr eine Vorentscheidung gefallen sein, wenn der SCM in der Getec-Arena die SG Flensburg empfängt. Sofern beide da noch im Titelrennen mitmischen …
Nr. 276 vom 26. März 2025, Seite 31
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