Standpunkt Breiter Weg: Aus Bildung keimt Verbildung

Deutschland was nun? Oder Magdeburg? Oder das Leben? Alles scheint durcheinander. Für manche steht die Welt Kopf. Für wieder andere kommt sie gerade auf die Füße? Donald Trump will das US-Bildungsministerium abschaffen. Das klingt in einigen Ohren grotesk. Hierzulande rufen wir seit Jahrzehnten nach Bildung. Ein Konzept jagt das nächste. In der Länderzuständigkeit setzt jedes Landesministerium eigene Maßstäbe. Inklusion, Integration, Absenkung von Leistungsstandards, mehr Teilzeit für Pädagogen, elterliche individuelle Betreuungsansprüche etc. – und nichts scheint irgendwie besser geworden zu sein. Im Gegenteil, in Leistungsüberprüfungen schneiden Schüler im Durchschnitt fortlaufend schlechter ab. Niemand kommt auf die Idee, dass die permanenten Bildungsforderungen nicht die Ergebnisse erzeugen, die gewünscht sind. Wozu oben ein Bundesbildungsministerium, wenn unten weniger rauskommt und gar keine inhaltliche Zuständigkeit in Sachen Bildung vorhanden ist? Vielleicht ist das der Ansatz des US-Präsidenten.

 

Wieder schreibt sich eine deutsche Regierung auf die Fahne, Bürokratie beseitigen zu wollen. Vielleicht sollte man beim Bundesbildungsministerium mal genauer hinschauen, was die höhere Verwaltung dem Nachwuchs und den Pädagogen an der Basis bringt. Mehr Digitalisierung – heißt eine weitere Forderung, und das, obwohl der Mensch ein ziemlich analoges Wesen ist. Hessen und Baden-Württemberg wollen Smartphones aus den Schulen verbannen. In anderen Ländern ist man noch unschlüssig. Die Krankenkasse DAK-Gesundheit veröffentlichte aktuell, dass  Krankschreibungen wegen Depressionen im vergangenen Jahr um etwa 50 Prozent mehr Fehltage verursachten als 2023. Allein der durch Depressionen bedingte Arbeitsausfall sei auf 183 Fehltage je 100 Beschäftigte gestiegen. 2023 seien es 122 Tage gewesen. Laut DAK-Gesundheit seien vor allem Beschäftigte in Kitas und in der Altenpflege betroffen. Kitas gehören zum Bildungssystem.

 

Vielleicht sollten wir die Aufmerksamkeit doch mehr darauf lenken, wodurch heute jeder im Alltag abgelenkt wird, neben ständig wechselnden Vorgaben in der pädagogischen Arbeit. Die Überforderung des Menschen durch die nicht abreißende Flut an Informationen, egal, ob aus dem persönlichen Umfeld oder von irgendwo aus der Welt, könnte doch etwas mit der Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit zu tun haben. Indes wird weiter über Beschleunigung geredet. Inzwischen überschwemmen KI-erzeugte Bilder und Videos die Welt. Noch mehr Schein als Sein. Wo sind die Untersuchungen, die hier Zusammenhänge erforschen? Gleichzeitig ruft es aus geisteswissenschaftlichen Sphären nach immer neuen Bezeichnungen. Damit wird die Realität in noch kleinere Verständnisportionen zerteilt. Darin schlummert das Potenzial, den Blick für das Wesentliche zu verlieren. Manche machen sich vielleicht sogar irre dadurch. Das sogenannte Mehr, dass überall gewünscht wird, ist möglicherweise eher Grund für vieles, worüber wir uns heute inhaltlich zerfetzen. Könnte es sein, dass in der Vorstellung von angeblich mehr Bildung schon der Keim von Verbildung angelegt ist?

Nr. 276 vom 26. März 2025, Seite 2

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