Gedanken- und Spaziergänge im Park: Was kann man noch glauben?

Gerd war immer noch fassungslos über die letzte Sitzung des alten Bundestages. „Könnte man das nicht als einen Staatsstreich bezeichnen?“, fragte er mich. „Und das Schlimmste ist doch, dass Merz so viele Versprechen, die er im Wahlkampf gemacht hat, nach der Wahl als hinfällig erklärt hat. Mehrfach tönte er großspurig, dass unter ihm die Schuldenbremse erhalten bliebe. Und was jetzt? Der Freibrief für fast eine Billion Euro Schulden! Oder die strenge Zurückweisung an den Grenzen für illegale Migranten? Kaum noch die Rede davon.“
„Nun, er ist ein Getriebener, der in seinen Entscheidungen eigentlich unfrei ist. Da er in der Zwangsjacke der Brandmauer steckt, braucht er die SPD wie ein Lahmer den Rollstuhl. Infolge seines Ehrgeizes hat er wenig Bewegungsfreiheit, und um eine Verfassungsänderung zu erreichen, brauchte er zu allem Übel die Grünen, bei denen er sich vorher mit Söder eigentlich einig war, dass man mit ihnen keinesfalls zusammenarbeiten möchte. Ich glaube, dass er einen Teil seiner Wählerschaft schwer enttäuscht hat. Mich auf jeden Fall. Auch deshalb, weil er für seine Pläne noch einmal den alten, abgewählten Bundestag benutzt hat. Mit den Mehrheitsverhältnissen im neuen Bundestag, der eigentlich der vom Volk gewählte ist, wäre das kaum gegangen.“
„Spannend werden die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD. Denn nur mit der SPD hätte Merz eine Mehrheit im neuen Parlament. Ich befürchte, dass die SPD auf Grund ihrer Unentbehrlichkeit die Preise bestimmen und hochtreiben wird. Wieder einmal das bekannte Bild, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt und nicht umgekehrt. Das Ergebnis dieser Verhandlungen ist für die CDU selbst wichtig, denn in ihr gärt es nach den gebrochenen Wahlversprechungen ihres Vorsitzenden heftig. Wenn dann die Politik ähnlich wie die der abgewählten Ampel fortgesetzt würde – das wäre für die CDU und für Merz tödlich“.
Im Bundesrat wurde das riesige Schuldenpaket bestätigt. Die Bundesländer stimmten nicht dafür, in denen die FDP und das BSW mitregieren. Das entsprach der ablehnenden Haltung dieser Parteien zu den Schulden und der Nachrüstung, die sie schon in der Bundestagssitzung deutlich gemacht hatten.
Umso überraschender fanden wir es, dass die zwei Länder, in denen immer noch die Linke mitregiert, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, für das Eine-Billion-Schuldenpaket stimmten! Hatte doch die Linke vorher im Bundestag lauthals gegen weitere Rüstungsausgaben getönt! Offenbar ist der Linken die weitere Regierungsbeteiligung inklusive realer Posten wichtiger als wohlklingende Friedensparolen, die nichts einbringen.
„Das sehen sie anscheinend ebenso wie in Bayern der Chef der Freien Wähler Aiwanger, dem Söder die Aufkündigung der Koalition androhte, falls er weiter darauf bestünde, die Neuverschuldung abzulehnen. Zumal die alte Tante SPD schon mit den Röcken wedelte, um ihre Bereitschaft kundzutun, sich statt der Freien Wähler mit der CSU in das Koalitionsbett zu legen“, kommentierte Gerd das Geschehen in Bayern.
„Operation Abendsonne“
Müntefering hatte es auf einem SPD-Parteitag 2004 klar ausgesprochen: „Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen.“ Denn nur wenn man regiert, kann man sich und seine Anhänger mit guten Posten versorgen. Wenn sich die Regierungszeit absehbar dem Ende nähert, wie jetzt nach dem Ende der „Ampel“, werden noch schnell Getreue mit höchsten Beamtenstellen versorgt. „Operation Abendsonne“ nannte es der damalige Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) 2017 in einem Schreiben.
So sollen in den letzten Monaten SPD und Grüne in den Bundesministerien etwa 90 Beamte des höheren Dienstes befördert haben. Zwei Fälle wurden öffentlich kritisiert. Familienministerin Paus holte vor zwei Jahren den Politikwissenschaftler Farhad Dilmaghani als Sprecher ins Ministerium. Ihr Amt hat im Januar extra eine neue Familien-Referentenstelle an der deutschen Botschaft in Paris geschaffen, die es vorher nicht gab und für die nun Herr Dilmaghani vorgesehen ist, da er nach dem Ausscheiden von Frau Paus sicher nicht übernommen worden wäre.
Für noch mehr Aufregung sorgte die Mitteilung, dass die Bundesregierung Frau Baerbock als deutsche Kandidatin für den Vorsitz der UN-Generalversammlung in der Sitzungsperiode 2025/26 benennen will. Das machte deshalb so viel Aufruhr, da bislang die Spitzendiplomatin Helga Schmid für den Posten vorgesehen war.
Frau Schmid war u. a. Büroleiterin von Joschka Fischer, Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, die das Iranische Nuklearabkommen verhandelt hat und Generalsekretärin der OSZE. Also eine sehr erfahrene Frau, die seit 37 Jahren im diplomatischen Dienst tätig ist.
Zu der plötzlichen Entscheidung von Frau Baerbock, selber in dieser UN-Funktion tätig werden zu wollen, fällte der langjährige Direktor der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen das bissige Urteil: „Es ist eine Unverschämtheit, die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen“ und fragte, ob das „die feministische Außenpolitik sei?“
Auch vom früheren Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) kam Kritik: Im „Tagesspiegel“ sagte er, dass die für den UNO-Posten nominierte Helga Schmid eine großartige Diplomatin sei, von der Frau Baerbock noch viel lerne könne.
Geld macht noch keine Soldaten
Die Hälfte des Geldes, das nun durch die Aufhebung der Schuldenbremse zur Verfügung steht, sind 500 Milliarden „Sondervermögen“, also in Wahrheit Sonderschulden, für die Nachrüstung der Bundeswehr. „Weißt du“, fragte Gerd mich in diesem Zusammenhang, „dass die Bundeswehr im Jahr 666 Millionen Euro für private Wachdienste ausgeben muss, da sie nicht in der Lage ist, selbst ihre Objekte zu schützen? Eigentlich ein Unding!“
In diesem Zusammenhang wird über die Einführung der Wehrplicht geredet, da die Bundeswehr seit Jahren zu wenig Personal hat. Man diskutiert, dass es dafür neue Gesetze brauche. Aber eigentlich stimmt das nicht, denn die Wehrpflicht wurde 2011 unter Merkel lediglich „ausgesetzt“, d. h. alle Gesetze sind nach wie vor gültig. Was sicher fehlt, sind Arbeitsbereiche für Erfassung und Musterung. Allerdings glaubt kaum jemand, dass das Personalproblem ohne Wehrpflicht lösbar wäre.
„Wie will man die Wehrwilligkeit steigern“, fragte mich Gerd, „wenn man jahrzehntelang Begriffe wie Heimat, Vaterland, Volk, Nation oder Vaterlandsliebe als rechts oder völkisch diffamiert hat? Wenn man junge Leute für unsere Bundeswehr motivieren möchte und die Wehrpflicht als sinnvoll vermitteln will, dann braucht es eine positive Besetzung dieser Begriffe.“ „Verrückt ist auch, dass Gegenstimmen damit argumentieren, dass das Wehrpflichtgesetz gegen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern verstoßen würde“, sagte ich. „Wenn Frauen zur Bundeswehr wollen, können sie jederzeit eintreten, niemand wird sie daran hindern. Aber eine Wehrpflicht für alle Frauen?“
Gerd erwiderte: „Da fällt mir eine Grafik von Käthe Kollwitz aus dem Jahr 1941 ein, auf der eine Frau zu sehen ist, die Kinder mit ihrem Mantel schützt. Der Titel „Saatfrüchte sollen nicht zermahlen werden“. Analog dazu könnte man sagen, dass Mutterboden nicht durch Panzer kaputtgefahren werden sollte. Wenn einige Frauen das wollen, gut. Aber als eine Pflicht für alle, da wäre ich dagegen.“
Waldrodung für den Klimagipfel
„Mal sehen, wohin das noch führt. Im Moment läuft eher nichts, sondern es geht weiter fröhlich bergab. Täglich Meldungen von Insolvenzen, Personalabbau bei großen Betrieben und Banken und Verlagerungen der Produktion ins Ausland. Jetzt bräuchte es einen energischen Politiker, der klare Vorstellungen hat, wie man die Karre wieder aus dem Dreck ziehen kann und der vor allem die Fähigkeiten dazu hat. Den sehe ich zurzeit nicht. Stattdessen nur wieder den Grünen zuliebe Beschwörung der Klimaneutralität bis 2045. Was soll das? Glauben Politiker tatsächlich, dass Deutschland mit seinem zweiprozentigen Anteil am gesamten CO2-Ausstoss die Welt retten kann? Am deutschen Wesen soll die Welt genesen? Was für ein Hochmut! Sollen sie doch erst einmal den CO2-Ausstoß und die massive Verschwendung von Geld und Material durch die Kriege im Sudan, im Nahen Osten und in der Ukraine beenden – dann täten sie etwas fürs Klima.“
„Reg dich nicht auf“, sagte Gerd und legte mir seine Hand auf die Schulter. „Die Hohen Priester der Klimareligion nehmen das selbst nicht so ernst: In der Nähe von Gardelegen soll in dem Waldgebiet Hellberge ein Windpark mit 40 Windrädern entstehen. Dazu muss etwa die Hälfte des Waldgebietes abgeholzt werden. Toll. Aber das ist nichts gegen Brasilien, wo im November in Belém der 30. Weltklimagipfel mit sage und schreibe 50.000 Teilnehmern stattfinden soll. Belém liegt am Rande des Regenwaldes. Der Flugplatz wird vergrößert und es wird durch einen eigentlich geschützten Teil des Regenwalds eine 13 Kilometer lange vierspurige Autobahn gebaut, wofür Zehntausende Hektar Regenwald gerodet werden. Tausende der Teilnehmer sollen auf Kreuzfahrtschiffen im Hafen von Belém untergebracht werden. Eine Studie zeigt, dass allein durch die Unterbringung der Delegierten auf Kreuzfahrtschiffen zusätzliche 28.450 Tonnen CO₂ freigesetzt würden. Es fällt mir immer schwerer, diese Weltuntergangspropheten noch ernst zu nehmen.“ Und damit schieden wir voneinander.
Paul F. Gaudi
Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Erschienen ist inzwischen Teil III. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum oder im Online-Shop erworben werden.
Nr. 276 vom 26. März 2025, Seite 7
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