Römers Reich: Wunsch und Wirklichkeit

Können Sie sich noch erinnern, als im März 2020 wegen des Corona-Virus alles dichtmachen musste, hängten unzählige Leute ihren Profilen in den sozialen Medien eine Ergänzung an? „Ohne Kultur wird’s still“. Die zahlreichen Bildchen nutzten nichts. Still war es trotzdem. Auch aktuell beteuern laut einer Studie der „Liz-Mohn-Stiftung“ 92 Prozent der deutschen Bürger, dass „Kultur wertvolle Gemeinschaftserlebnisse“ schaffe. Doch letztlich bekennen nur knapp 30 Prozent, dass sie tatsächlich Kulturangebote nutzen. Etwa 10 Prozent besuchten innerhalb der vergangenen zwölf Monate einmal ein Musiktheater. Derselbe zehnprozentige Anteil findet sich bei Theateraufführungen, Ausstellungen oder Live-Musikangeboten. Klassische Konzerte werden nur von 8 Prozent erlebt. Fazit: alle reden von Kultur, aber die wenigsten gehen hin.

 

Wichtig sei für viele, dass es am Wohnort ein breites kulturelles Angebot gebe (70 Prozent). Nur mit der realen Nutzung sieht es dann doch eher düster aus. Schließlich sagen etwa 60 Prozent der Befragten, dass sich beispielsweise Theaterangebote gar nicht an sie richten würden. Über 70 Prozent meinten gar, dass sie sich dort fehl am Platze fühlen und nicht wüssten, wie sie sich dort verhalten sollten. Offenbar werden Anregungen zu Theaterbesuchen schon in Elternhäusern unzureichend vermittelt.

 

Übrigens denken die meisten Menschen, wenn sie von wertvollen Gemeinschaftserlebnissen sprechen, vorrangig ans Kino oder an Pop-Konzerte. Oper oder Schauspiel kommt ihnen dabei kaum in den Sinn. Die gesellschaftliche Bedeutung von Theatern wird gern landauf und landab vielzüngig beteuert. Doch drei Viertel der Bevölkerung haben daran schlichtweg kein Interesse.

 

Mit der demografischen Entwicklung und dem wachsenden Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund und damit ganz anderen kulturellen Vorlieben, wird wohl das traditionelle Kulturangebot hierzulande weiter an Bedeutung verlieren. Menschen sehen sich selbst gern als kulturvolle Individuen. Nur wenn es darum geht, den Kulturkörper in einen Kulturraum zu tragen, fallen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Übrigens zeigen die Ergebnisse der Studie, dass es bei den Antworten keine Unterschiede im Bildungsniveau gibt. Den sogenannten Bildungseliten ist ein realer Kulturstättenbesuch offenbar genauso schnuppe, wie anderen Menschen auch.

 

Musikgenuss, den sich über 90 Prozent in allen Altersgruppen täglich gönnen, ist wegen der permanent digitalen Verfügbarkeit bequemer zu Hause oder unterwegs über Kopfhöher erlebbar. Regelmäßig ein Musikinstrument zu spielen, ist ebenfalls eine große Ausnahme (2 Prozent). Ich dürfte also letztlich schlussfolgern, dass der größte Teil der Menschen viel über Kultur redet, weil es zum guten Ton gehört, aber sich für gute Töne auf den Weg zu machen, ist dann doch zu anstrengend. Der reale Kulturmensch bleibt ein frommer Wunsch.

Nr. 277 vom 9. April 2025, Seite 3

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