Dose voll
Diktieren mächtige Klubnetzwerke im Fußball bald das Spiel? Was in Deutschland einst mit RB Leipzig begann.

Mit Phänomenen und ihren negativen Folgen ist es oft ein eigen Ding. Die breite Öffentlichkeit registriert sie meist erst, wenn sich deren Verbreitung (oder Zunahme, je nachdem) nur noch schwerlich einhegen lässt. Wenn es kaum noch ein Zurück gibt. Ob sich das mit dem neuen Zauberwort, das im internationalen Fußball seit einiger Zeit die Runde macht, ähnlich verhält, werden die nächsten Jahre zeigen. Es geht um die sogenannte Multi-Club-Ownership. Abgekürzt: MCO. Also den Besitz mehrerer Vereine in einer Hand. Die Signale, die da derzeit wahrnehmbar sind, verheißen allerdings nichts Gutes. Jedenfalls nicht für die Zukunft jenes Fußballs, wie wir ihn heute noch zu kennen glauben, wie ihn Hunderte Millionen rund um den Erdball lieben.
Worum geht es?
Im vergangenen Jahrzehnt haben Investoren aus aller Welt den Profifußball für sich entdeckt. „Sie kauften mit viel Geld große Vereine, in der Hoffnung auf Erfolg, Einfluss oder noch mehr Geld“, merkte die „Frankfurter Allgemeine“ unlängst an. Und mittlerweile haben viele dieser Investoren festgestellt: Es ist klug, mehr als nur einen Verein zu besitzen. Von wegen Synergie. Die Frage, ob mächtige Klubnetzwerke im Fußball gar bald das Spiel diktieren, ist daher alles andere als hypothetisch. Von drohender Wettbewerbsverzerrung ganz zu schweigen.
In den letzten Jahren hat sich MCO im Profifußball zu einem immer beliebteren Trend entwickelt. Der europäische Fußball-Verband, die UEFA, zählte im Jahr 2023 beispielsweise schon 31 neue MCO-Investitionen, davon 11 mit Minderheits- und 20 mit Mehrheitsbeteiligungen. Insgesamt sind laut UEFA aktuell mehr als 180 Vereine in Europa in Mehrfachbesitz-Strukturen eingebunden. Inzwischen machen MCOs selbst vor dem Frauenfußball nicht halt.
Dass ausgerechnet Deutschland zu einem der Wegbereiter der MCO werden würde, hatte sich wohl niemand ausgemalt. Schon gar nicht, als im Jahr 2009 der kleine sächsische Fünftligist SSV Markranstädt in die Hände des österreichischen Getränke-Giganten Red Bull geriet. Fortan trug man, vermeintlich genialer Werbetrick, den Namen RasenBallsport Leipzig, kurz RB. Die Ähnlichkeit zum Brause-Unternehmen, so die Werbe-Fuzzies, sei, haha, rein zufällig zustande gekommen. Seit 2016 spielt RB in der Bundesliga. Es waren die Anfänge eines der ersten festen Klubnetzwerke im Fußball, eine frühe Version des MCO.
Heute gibt es acht Vereine, die ganz oder teilweise Red Bull gehören. In Europa und den USA, in Japan und Brasilien. Es ist ein Netz, das sich über vier verschiedene Kontinente spannt. Und das, anders als 2009, längst keine Ausnahme mehr ist.
RB steht in Deutschland inzwischen mit mehr da als der einsame Rufer in der MCO-Wüste. Auch der FC Bayern spielt inzwischen ein wenig mit. Mit ersten tastenden Versuchen. „Langfristiges Engagement bei Racing Club de Montevideo“ – unter dieser nüchternen Überschrift hatte der FC Bayern Ende 2023 bekanntgegeben, dass das Joint Venture Red&Gold Football, das man gemeinsam mit dem Los Angeles FC ins Leben gerufen hat, als Mehrheitsgesellschafter beim uruguayischen Traditionsverein einsteigt. Das Joint Venture Red&Gold Football verfolgt nach eigener Aussage das Ziel, „internationale Talente für die eigenen Profi-Mannschaften und den Profifußball auszubilden“. Wie auch immer: Die Münchner sind mit der Übernahme des uruguayischen Clubs zweifelsohne als Club-Owner zu bezeichnen. Denn es handelt sich hierbei nicht, wie es aus einer kritischen Bayern-Fan-Gruppierung heißt, „um eine Kooperation dreier Vereine auf Augenhöhe, sondern der FC Bayern kann – zusammen mit dem Los Angeles FC – fortan in Montevideo mitbestimmen“.
Fachleute sprechen inzwischen davon, der Vereinsfußball sortiere sich gerade neu. „Eine Art Konzernbildung“, nannte das Christoph Breuer gegenüber der „FAZ“. Er forscht an der Deutschen Sporthochschule in Köln seit Jahren zu Multi-Club-Ownership. 113 Transfers und Leihen zählte eine von Breuer betreute Untersuchung bis 2022 allein zwischen den RB-Klubs. Sie legte auch nahe, dass die gezahlten Ablösesummen dabei teilweise unter dem marktüblichen Preis lagen. Gerade bei Spielern, die von Salzburg – Red Bulls zweitwichtigstem Fußballstandort – an den wichtigsten wechselten: nach Leipzig. Die Red-Bull-Gruppe sei „klar vertikal ausgerichtet“, sagt Breuer. Soll heißen: Es gibt eine Hierarchie unter den Klubs, die gerade für den größten Verein nützlich ist. „Leipzig, Salzburg, FC Liefering. Da war klar, wer wem zuliefert“, sagt Breuer. „Und dass die Spitze immer profitiert.“
Feste Netzwerke zwischen verschiedenen Klubs hätten einige Vorzüge, sagt Breuer: Man kann Wissen austauschen, Strategien teilen, Personal sparen. Effizienter werden im Fußballsystem, in dem Erfolg schwer planbar ist – und das, wie Breuer anfügt, „immer auch Verlierer kennt“. Weil zwar alle Klubs einer Liga investieren, aber nie alle ihre Ziele erreichen können. Ein Abstieg macht aus dem raffiniertesten Konzept ein wertloses Blatt Papier. Dennoch: Erfolg wird wahrscheinlicher, wenn man statt einem gleich eine Handvoll Klubs steuert. Auch, weil man die Sammlung strategisch nutzen kann.
Nachfolgend eine kleine Auswahl an Klubs, die im internationalen Fußball zusammenhängen. An Manchester City und dem spanischen FC Girona hat die City Football Group (CFG) jeweils große Anteile. Die Holding ist zu einem großen Teil im Besitz von Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dem Konglomerat gehört ein Dutzend Klubs aus der ganzen Welt an, darunter ManCity, New York City FC, Melbourne City FC, Yokohama Marinos, Montevideo City Torque, der FC Palermo – und eben Girona. Auch im Fall von Manchester United und dem OGC Nizza hat die UEFA entschieden, dass beide in den internationalen Wettbewerben antreten dürfen. Die beiden Klubs gehören, wie auch der FC Lausanne aus der Schweiz, zum Chemiekonzern INEOS.
Der AC Mailand aus Italien und der FC Toulouse aus Frankreich wiederum gehören mehrheitlich der Firma RedBird Capital aus den USA. Ebenfalls zum Problem wurde der Fall von Aston Villa und dem portugiesischen Klub Vitoria Guimaraes. Beide Vereine laufen unter V Sports. Das Unternehmen befindet sich im gemeinsamen Besitz des amerikanischen Milliardärs Wes Edens und des ägyptischen Milliardärs Nassef Sawiris. Weiter: Seit 2009 gehört Brighton & Hove Albion zu 75 Prozent dem britischen Pokerspieler Tony Bloom. Mit seiner Firma Starlizard ist er mittlerweile Multimilliardär und seit 2018 auch beim belgischen Klub Royal Union Saint-Gilloise involviert.
Die Frage ist vermutlich, was man von einem Verein erwartet: dass man sich mit ihm identifizieren, ihn gar mitgestalten kann, unabhängig davon, ob die Mannschaft erfolgreich ist – oder dass die Mannschaft erfolgreich spielt, unabhängig von den Bedingungen.
Die Entwicklung von MCO wird von der UEFA und anderen Fußballverbänden beobachtet, heißt es. Die UEFA hat vorgeblich einige kleinere Regeln eingeführt, um die negativen Auswirkungen von MCO zu begrenzen. Der Haken folgt auf dem Fuße. Obwohl das Regelwerk der UEFA eigentlich aussagt, dass zwei Vereine mit demselben Eigentümer nicht am Europapokal teilnehmen dürfen (aus Furcht vor Wettbewerbsverzerrung), wird es bereits jetzt unterlaufen. Weil die Netzwerke in Europa so zahlreich geworden sind. In dieser Saison durften nicht nur Salzburg und Leipzig im gleichen Wettbewerb antreten, sondern auch Manchester City und der FC Girona von der City-Group. Und Manchester United und der OGC Nizza, deren Fußballabteilungen zu unterschiedlichen Teilen dem Chemiekonzern Ineos gehören.
Von der UEFA heißt es, die Klubs hätten vor dem Wettbewerb „wesentliche Änderungen“ am Klubkonstrukt vorgenommen. Aber im Grunde werden oben beschriebene Interessenskonflikte bereits toleriert. Bei der bekannten Fixierung der internationalen Konzerne (und der Verbände nicht minder) auf Profitmaximierung lässt sich der weitere Weg, den die Multi-Club-Ownership nehmen wird, eigentlich unschwer voraussagen.
Nr. 277 vom 9. April 2025, Seite 24-25
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