Gen Z: Chillen, aber bitte mit WLAN!

Jeden Tag, wenn wir auf Instagram, TikTok und Co. scrollen, stoßen wir auf Lifestyle Influencer, die uns die besten Tipps geben, wie man sich so richtig entspannen kann. Der riesige Trend der „Selfcare”, der sich mit Selbstliebe beschäftigt, lässt uns mehr Bücher lesen, auf mehr Spaziergänge gehen, mehr über unsere Gefühle reflektieren und uns mehr mit uns selbst beschäftigen. Und am Ende des Tages, nachdem wir uns ordentlich erholt haben, wird das ganze mitgefilmte Material schön gepostet, damit man die Auszeit, die man sich mal gegönnt hat, der Welt präsentieren kann. Etwas verkorkst, nicht wahr? Trotz dieser Kritik an meiner Generation, der Generation Z (1995-2010), muss ich ehrlich gestehen, dass ich keine Ausnahme bin.

 

Müsste ich den Begriff Auszeit definieren, so würde ich über eine Pause sprechen. Vielleicht sogar eine Unterbrechung. Eine Unterbrechung alltäglicher Strukturen, die sich bei den meisten wohl aus stressigen, arbeits- und haushaltsintensiven Tagen ergibt und vielleicht auch mit der Gestaltung der nächsten Auszeit.

 

Allerdings muss uns bewusst sein, dass die Gesellschaft vor einigen Jahrzehnten vermutlich etwas ganz anderes unter dem Begriff Auszeit verstand, als die Generation, die in die globale Digitalisierung, in die tägliche Konfrontation mit dem Smartphone und in den regelrechten Social-Media-Wahn hineingewachsen ist. Die Generation Z.

 

Während unsere Eltern und Großeltern noch ins Reisebüro gingen, um den nächsten Urlaub zu buchen, verlassen wir uns ganz einfach auf die Reise-Vergleichsportale auf dem Smartphone und warten den günstigsten Buchungszeitraum ab. Während sich heutige Millennials (1980-1995) und Boomer (1955-1070) früher noch in persona mit Freunden verabredet haben, schicken wir in Sekundenschnelle eine Nachricht raus und bekommen in aller Regel auch zeitnah eine Antwort, schließlich ist das Smartphone ständig unter unserer Beobachtung. Wir können ja nicht einmal unser Geschäft erledigen, ohne uns minutenlang von Videos und neuen Beiträgen überfluten zu lassen. All diese Beispiele sind Arten der Auszeit, die sich generationsbedingt anders gestalten.

 

Ob große oder kleine Auszeiten – und dabei muss jeder den Begriff selbst für sich definieren – die Generation Z wird ständig und zu jeder Zeit von dem kleinen Gerät, dessen Auswirkungen wir uns öfter bewusstwerden sollten, begleitet. Dabei möchte ich erwähnen, dass ich nie von einer ganzen Generation sprechen kann und es klare Abweichungen gibt.

 

Beobachtet man junge Menschen in der Öffentlichkeit, sei es in der Straßenbahn, im Einkaufszentrum oder am Fußgängerweg, dann fällt einem schnell auf, dass die Mehrheit Kopfhörer im Ohr hat und wahrscheinlich Musik oder einen Podcast hört. Was für die „Gen Z” zur Entspannung beiträgt, ist, wenn man es mal hinterfragt, eine Abschottung von der Außenwelt. Wir kriegen überhaupt nicht mehr mit, wenn oder besser gesagt, ob sich Menschen miteinander unterhalten. Die zwischenmenschliche Kommunikation hat sich so stark geändert, dass man kaum noch mit fremden Menschen redet. Ich frage mich gerade, wann es das letzte Mal war, dass ich ein proaktives Gespräch mit einer fremden Person hatte. Ich kann mich nicht erinnern.

 

Mein Punkt ist folgender: Die Nutzung der Massenmedien, insbesondere Social Media, trägt zu einer Desozialisierung bei. Wie ironisch ist es, dass ausgerechnet die Sozialen Medien, den von Natur aus sozialen Menschen, desozialisieren?

 

Und dabei geht es nicht nur darum, mit fremden Menschen auf der Straße zu sprechen. Wir haben weniger Zeit, reale soziale Kontakte zu pflegen. Wie viel wertvolle Zeit geht verloren, während wir auf unserem Smartphone scrollen? Wir widmen unsere Zeit und Energie lieber irgendwelchen unerreichbaren Content Creatern und Influencern, statt zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie oft hätte ich meine Mutter anrufen, mit meinen Mitbewohnern kochen oder meine Freunde zum Kaffee einladen können? Wie oft habe ich meine Bildschirmzeit tatsächlichen Auszeiten vorgezogen?

 

Was fehlt, ist die Auseinandersetzung mit anderen, echten Menschen. Und ja, natürlich kann man auch in unserer digitalen und mediendominierten Welt Freundschaften und Beziehungen pflegen und ein empathischer Mensch sein. Doch Social Media ist ein fester Bestandteil unseres Alltags und viel wichtiger: unserer Lebensrealität. Augenscheinlich gilt es als ein Entspannungsfaktor, sich vor dem Schlafengehen eine zweistündige “TikTok-Zeit” zu gönnen, immer eine Serie oder ein Youtube Video beim Essen laufen zu haben oder beim Duschen Musik im Hintergrund zu hören. Dass unser Gehirn dadurch einer riesigen Reizüberflutung unterzogen wird, unsere Stresshormone steigen und unsere Konzentrationsfähigkeit sinkt – wir uns also alles andere als entspannen – wird oft vergessen. Nach einem Blick auf die durchschnittliche Tages-Bildschirmzeit der Gen Z von stolzen neun Stunden würde ich sogar behaupten, dass es weniger mit Vergesslichkeit zu tun hat, eher mit Verdrängung. Und genau das ist der Punkt. Es wurden genug Studien durchgeführt und TikToks gepostet, die die Gefahr hinter der Nutzung des Smartphones und von Social Media darstellen, um behaupten zu können, dass sich ein Großteil meiner Generation durchaus über die Folgen bewusst ist.

 

Es ist mit allen anderen Süchten vergleichbar. Rauchende Personen wissen, was das Rauchen mit dem Körper macht. Man macht sie sogar mit Großbuchstaben und kleinen, verstörenden Bildern auf den Zigaretten-Schachteln darauf aufmerksam – ohne Erfolg. Auch Menschen, die täglich Kaffee konsumieren, sind sich über mögliche Folgen in aller Regel im Klaren. Und genauso ist es mit unserem Online-Konsum.

 

Ohne dem medizinischen Hintergrund von Süchten auf den Grund gehen zu wollen, möchte ich behaupten, dass große Teile der Generation Z süchtig nach der Benutzung des Smartphones sind. Dabei muss es nicht einmal das Scrollen selbst auf TikTok sein, das uns in den Bann zieht. Sondern die Dissoziation, die unser Gehirn dabei erfährt. Je mehr Videos man sieht, desto mehr schaltet das Gehirn ab. Sehe ich, dass ein Video länger als 15 Sekunden geht, wird es weggescrollt. Habe ich mal genug von TikTok, schließe ich die App und widme mich anderen Reizüberflutungen (Instagram), um meine Sucht befriedigen zu können. Oftmals habe ich damit keinen Erfolg, woraufhin ich TikTok wieder öffne und weiter scrolle. Es ist, als würde man den Kühlschrank auf der Suche nach Snacks öffnen, nicht fündig werden, andere Schubladen durchsuchen, um sich dann erneut in der offenen Kühlschranktür wiederzufinden.

 

Vielleicht ist diese resultierende Dissoziation der Grund für Konzentrationsschwächen, eine soziale Rückentwicklung und weitere Auswirkungen, die Social Media auf uns hat. Vielleicht ist diese resultierende Dissoziation auch genau der Grund, warum Teile der Generation Z das Scrollen mit Entspannung und Auszeit in Verbindung bringen.

 

Ich frage mich, ob meine Generation es verlernt hat, bzw. nie gelernt hat, wie man sich eine Auszeit nimmt. Wir haben definitiv eine andere Art und Weise, unsere Auszeit zu gestalten, was nicht unbedingt positiv sein muss. Beeinflusst wird diese nicht nur durch Social-Media und die Nutzung unseres Smartphones, sondern auch durch die von Social Media verursachten Schäden.

 

Spätestens, wenn es zum vermeintlichen Worst Case kommt und wir unser Smartphone aus irgendeinem Grund nicht mehr benutzen können – lassen wir es durch einen längeren Stromausfall sein – werden wir mit unserer Zeit konfrontiert sein und mit der Frage, wie man eine smartphone-lose Auszeit gestaltet und genießt. Vielleicht werden wir es dabei auch in Kauf nehmen müssen, von Millennials und Boomern etwas ausgelacht zu werden. Klar ist, dass wir uns regelmäßig bewusst machen müssen, dass die Social-Media-Kultur gar nicht so greifbar ist, wie es scheint und wir uns öfter mit Dingen aus dem echten Leben beschäftigen sollten. Also, an alle Generations-Gleichgesinnten und auch an die anderen Generationen: Nehmt Euch mal eine echte Auszeit, die nicht vom stundenlangen Scrollen und einer ewig langen Bildschirmzeit geprägt ist, sondern von echten Menschen, echten Begegnungen und echten Lachanfällen, wenn jemand versucht, Oma den neuesten Instagram-Trend zu erklären.

 

Soraya Damer

Nr. 278 vom 30.April 2025, Seite 13

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