Gedanken zum Schmerz
Der Schmerz ist eine der grundlegendsten Erfahrungen des menschlichen Daseins. Jeder Mensch kennt ihn, jeder Mensch fürchtet ihn und doch ist er ein unvermeidlicher Begleiter des Lebens. | Von Dr. Roland Minda

Der Schmerz ist mehr als nur ein körperliches Signal; er reicht tief in die emotionale und geistige Dimension hinein. Er ist ein Phänomen, das uns fordert, uns prägt und uns manchmal sogar transformiert. In diesem Artikel, vielleicht, so Sie mögen, der Einstieg in eine Serie, möchte ich verschiedene Perspektiven auf den Schmerz beleuchten: seinen Sinn, seine Bedeutung und die Frage, wie wir mit ihm umgehen können. Jeder fragt sich irgendwann, ist ein Leben ohne Schmerzen möglich, geht das überhaupt? Wäre doch toll, oder? Letzte Frage, erste Antwort: ja, das wäre toll und ein großer Zauber und echte Zauberei gibt es nicht.
Es gibt Menschen, die durch einen genetischen Defekt keine Schmerzen wahrnehmen und dies seit ihrer Geburt. Sie leben schmerzlos. Auf unserem Planeten dürfte die Anzahl von 200 (kongenitale Analgesie) nicht überschritten werden. Die Menschen, die keine Schmerzen empfinden, haben eine reduzierte Lebenserwartung, weil der Schmerz als Hinweisgeber für eine Gefahr, im Inneren oder Äußeren, zum Beispiel bei einer Entzündung, bei einer Verletzung nicht funktioniert.
Es ist also gut, wenn wir Schmerzen empfinden. Wir müssen nämlich wissen, in welchem Zustand sich unser Körper gerade befindet. Aber wir müssen mit dieser Information – Schmerz – auch umgehen können, wir müssen ihn verstehen, wir müssen ihn behandeln, entweder selbst, so es geht oder benötigen kompetente Hilfe, die auch erreichbar sein sollte. Wir wissen, jeder Mensch ist einzig und jeder hat eine spezifische Betrachtung bestimmter Gegebenheiten. So ist es auch hier.
Jeder Mensch empfindet seinen eigenen Schmerz. Es gibt Menschen, die spüren Schmerzen sehr schnell, stark oder sehr spät, schwach. Verbunden mit einer Vielfalt von Übergängen dieser Qualitäten. Auch die Spezifik des Schmerzes wird sehr unterschiedlich empfunden, z. B. spitz oder stumpf.
Die Stärke des Schmerzes ist durch eine Definition der Schmerzskala (VAS – Visuelle Analog Skala) eingeteilt und zwar rein subjektiv: von 0 keine Schmerzen bis 10 katastrophale Schmerzen/stärkster vorstellbarer Schmerz, dies dient als Orientierung für ein Gespräch und für die Dokumentation.
Betrachten wir einmal die herausragende Rolle dieses Empfindungssystems – Schmerz. Stellen wir uns vor, wir bewegen ein Gelenk, zum Beispiel das Knie, und erreichen die größtmögliche Beugung. Was passiert? Wir verspüren einen Schmerz im Knie und beenden sofort diese Bewegung. Dieser Schmerz ist nicht dramatisch, er ist aber richtungsweisend, “halt, zu viel Bewegung“. Was machen wir? Wir beenden sofort diesen Vorgang. Richtig, das ist normal, denn beim Nichterkennen hätten wir mindestens eine Bänderdehnung zu erwarten, dieser Mechanismus ist doch toll, oder?
Die Empfindung über diese Gelenkbewegung („nicht krumm, krumm, max. Krümmung erreicht“) wird über denselben Weg an unser Gehirn signalisiert (Tractus spinothalamicus dann moduliert und als Bewegungsauftrag zum Gelenk zurückgegeben Tractus corticospinalis), schnell und stufenlos. Also – alles gut so wie es ist! Wir gehen einen Weg, jeder allein für sich aber im Schulterschluss mit dem Wir. Die Hilfe, so nötig, begleitet jeden im eigenen Körper oder von außen, laienhaft oder professionell.
Schmerz als Warnsignal
Doch der Schmerz ist nicht nur eine biologische Notwendigkeit. Er ist auch ein tief emotionales Erlebnis, das weit über die bloße Körperreaktion hinausgeht. Eine kleine Wunde kann leicht heilen, während der Verlust eines geliebten Menschen Jahre, wenn nicht ein Leben lang, schmerzt und massive psychische Störungen erzeugen kann. Warum ist das so? Und warum fühlen sich manche Schmerzen intensiver und länger an als andere?
Der emotionale Schmerz
Der emotionale Schmerz, wie die Trauer, die Enttäuschung oder die Einsamkeit, haben keine greifbare Ursache, wie es bei physischen Verletzungen der Fall ist. Und doch können sie genauso intensiv sein, wenn nicht sogar stärker. Psychologen und Neurowissenschaftler haben festgestellt, dass der emotionale Schmerz in denselben Hirnarealen verarbeitet wird wie körperlicher Schmerz. Dies erklärt, warum zum Beispiel der Verlust einer Beziehung sich wie ein Stich ins Herz anfühlen kann. Auch eine massive Gefäßeinengung am Gehirn oder am Herzen (Schlaganfall/Herzinfarkt) können dann als Folgereaktion am entsprechenden Organ auftreten.
Ein Umschalten einer psychischen Reaktionslage auf den Körper ist also möglich. Emotionale Schmerzen zwingen oft den Betroffenen dazu, sich mit sich selbst und seinen anderen Beziehungen auseinanderzusetzen. Sie sind ein Spiegel unserer Bedürfnisse, unserer Ängste und unserer Hoffnungen.
Der Verlust eines geliebten Menschen zum Beispiel lässt uns über die Endlichkeit des Lebens nachdenken und darüber, wie wir unsere Zeit nutzen. Dieser Schmerz hat eine paradoxe Natur: Er ist einerseits quälend, andererseits eine Gelegenheit zur Reflexion und inneren Reifung. Das eigene Ich wird, unter Umständen, neu definiert, sehr oft auch mit professioneller Hilfe.
Der Schmerz als Lehrer
Viele Philosophien und spirituelle Traditionen betrachten Schmerz nicht nur als ein Übel, das es zu vermeiden gilt, sondern als einen Lehrer. Der Buddhismus zum Beispiel betont, dass der Schmerz ein unvermeidlicher Teil des Lebens ist, der uns zur Akzeptanz und Achtsamkeit führen kann. Im Christentum wird der Schmerz oft als Prüfung gesehen, die den Glauben und die Seele stärken kann. In der modernen Psychologie wird diese Idee durch die Konzepte von Resilienz und posttraumatischem Wachstum gestützt. Studien zeigen, dass Menschen, die schwierige Zeiten durchgemacht haben, oft eine tiefere Wertschätzung für das Leben entwickeln, engere Beziehungen pflegen und neue Perspektiven gewinnen. Der Schmerz zwingt uns, innezuhalten, unsere Prioritäten zu überdenken und nach neuen Wegen zu suchen.
Der Umgang mit dem Schmerz
Wie wir mit dem Schmerz umgehen, bestimmt maßgeblich, wie stark er uns beeinflusst. Manche Menschen versuchen, Schmerzen zu ignorieren oder zu verdrängen, indem sie sich in Arbeit, Ablenkungen oder in Substanzen flüchten. Doch der Schmerz, der unterdrückt wird, verschwindet nicht; er sucht sich oft andere Wege, sei es durch körperliche Beschwerden, psychische Probleme oder zwischenmenschliche Konflikte oder alles zusammen.
Ein gesunder Umgang mit Schmerzen erfordert Mut und Achtsamkeit. Es bedeutet, den Schmerz anzuerkennen und ihm Raum zu geben, ohne sich von ihm überwältigen zu lassen. Dies ist natürlich leichter gesagt als getan, doch es gibt Werkzeuge, die helfen können: Gespräche mit Freunden oder Therapeuten, Meditation, Kunst oder das Schreiben können dabei helfen, den Schmerz zu verarbeiten und ihm eine Form zu geben.
Der Schmerz und das Mitgefühl
Eine der wertvollsten Lehren des Schmerzes ist, dass er uns mit anderen verbinden kann. Wer selbst gelitten hat, versteht das Leid anderer besser und kann mitfühlender reagieren. Der Schmerz macht uns menschlich und erinnert uns daran, dass wir nicht allein sind. Die Erfahrung des Schmerzes kann somit auch eine Brücke zwischen Menschen sein, die sich in ähnlichen Situationen befinden.
Zusammenfassung: Der Schmerz ist eine universelle Erfahrung, die uns körperlich, emotional und geistig berührt. Er ist Warnsignal, ein Lehrer und eine Herausforderung zugleich. Obwohl wir ihn oft vermeiden wollen, hat er eine tiefe Bedeutung für unser Leben. Er zwingt uns, innezuhalten, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen und neue Wege zu finden. Schmerz mag unangenehm sein, aber er ist auch eine Chance, zu wachsen und das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen zu verstehen. Letztlich zeigt er uns, dass wir leben.
Nr. 278 vom 30. April 2025, Seite 16
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