Wie in tosender See

Trotz guter Ausgangslage ist der 1. FC Magdeburg daran gescheitert, sich den Traum vom Erstliga-Aufstieg zu erfüllen. | Von Rudi Bartlitz

So wie hier Mittelfeld-Akteur Silas Gnaka strauchelt, so erging es dem FCM auch im Aufstiegskampf. Am Ende verspielte er eine blendende Ausgangsposition ausgerechnet daheim durch ein peinliches 0:5 gegen den Tabellenvorletzten Münster. Ältere Fans erinnern sich: Eine ähnliche Situation – damals ging es um den Aufstieg in die zweite Liga – erlebte der Club schon einmal vor 18 Jahren. Am 2. Juni 2007 vergaben die Blau-Weißen daheim durch ein 1:1 gegen den FC St. Pauli sogar einen dritten Aufstiegs-Matchball. Es flossen zahlreiche Tränen. Das Datum gilt bis heute als ein schwarzer Tag in der jüngeren Clubgeschichte. Foto: Peter Gercke

Es gibt wichtige (zuweilen sogar weltgeschichtliche) Ereignisse, von denen jeder genau weiß, wo er zum Zeitpunkt des Geschehens gewesen ist. Was er da gerade gemacht hat. Irgendwann, in ein paar Jahren vielleicht, werden sie sich möglicherweise in Magdeburg die Frage stellen: Weißt Du noch, was Du am 2. Mai 2025 getan hast? Denn es könnte durchaus sein, dass dieses Datum, zumindest für den Fußball der Elbestadt, nachhaltige Wirkung hinterlässt.

 

 

Zur Erinnerung: Es war jener 2. Mai, als der 1. FC Magdeburg ein einmaliges Debakel erlebte. Als der seinerzeitige Tabellendritte gegen den Vorletzten Münster daheim 0:5 unterlag. 0:5!!! Selbst das Wort Debakel vermag den Sachverhalt, der sich dahinter verbarg, nur ungenau zu beschreiben. Und wie wir seit dem vergangenen Wochenende, dem 1:2 in Paderborn, wissen, war genau diese Pleite entscheidend dafür, dass der Traum von Erstliga-Fußball unterging wie ein Papierschiffchen in tosender See. Aus Magdeburger Sicht der entscheidende Punkt dabei: Der Club hatte es zu jenem Zeitpunkt selbst in der Hand, hätte zumindest die Relegation aus eigener Kraft erreichen können. Es war eben nicht irgendeine Fata Morgana, die da trügerisch etwas vorgaugelte.

 

Den Jubiläen der letzten Zeit – 50 Jahre nach dem Europapokal-Triumph von Rotterdam, zehn Jahren nach der Rückkehr in den deutschen Profifußball – hätte ein weiteres glanzvolles Highlight hinzugefügt werden können. Es wäre möglich gewesen! Wenn sich der FCM etwas vorwerfen kann (oder muss), dann ist es der Umstand, dass eine derart günstige Gelegenheit, den Schritt nach ganz oben zu schaffen, sich wohl nicht so schnell noch einmal bieten wird. Dazu genügt ein Blick auf die Liga. Was dort in dieser Saison los war, geht eigentlich auf keine Kuhhaut. „Irre“, „gaga“, „verrückt“ – derart Superlative erheischende Adjektive hagelte es jede Woche. Sie meinten jedoch in den seltensten Fällen die Klasse, die auf dem Rasen zu besichtigen war, sondern genau das Gegenteil. Spannung und Tradition (verkörpert durch Bundesliga-Dinos wie HSV, Köln, Hertha oder Schalke) waren also das eine – fehlende Qualität auf dem Platz das andere. Wer sich die Spiele Woche für Woche ansieht, der muss zu dem Schluss kommen, dass jene Traditionsklubs genau dort hingehörten, wo sie gerade sind – oder waren. 

 

Natürlich gibt es nicht wenige, die sagen, wer weiß wozu es gut ist, dass der Club nicht aufsteigt. All jene Bedenkenträger, die da sagen: Der Club ist noch nicht so weit. Die Mannschaft habe noch kein erstligareifes Gefüge. Mag sein, dass da etwas dran ist. Dem stehen aber die diejenigen unter den Fans entgegen (und das sind nicht wenige), die sich ihrem (sportlichen) Lebenstraum – ihren Verein einmal in der ersten Liga zu sehen, Duelle gegen die Bayern oder Dortmund im eigenen Stadion zu erleben – so nah wie nie sahen. Sie auf die Zukunft zu vertrösten, kommt im immer schnelllebigeren Fußball einer Gleichung mit mehreren Unbekannten nahe. Glaubt man wirklich, diejenigen Akteure, die es heute schon draufhaben, mit einem Versprechen halten zu können: in drei, vier Jahren – ja, da wären wir dann eventuell soweit. Die Jungs wollen oben spielen. Jetzt. Und, ja, sie wollen auch richtig gutes Geld verdienen. Dafür sind sie Profis. Zur Erinnerung einige Namen aus jüngster Vergangenheit, die sich für diesen Weg entschieden – nur mal so als Beispiel: Marius Bülter, Sirlord Conteh, Mo Kwarteng, Daniel Elfadli, Luca Schuler, Andreas Müller.

 

Es hapere, so weitere Argumente der Zweifler, am Geld, an der Infrastruktur, an den Trainingsplätzen. Frage: Haben sich diese Leute einmal in Heidenheim, Kiel, Fürth oder Darmstadt umgesehen, als diese aufgestiegen sind? Und was ist mit einst Unterhaching, heute mit dem Dörfchen Elversberg, sollte dort wirklich der große Coup gelingen? Oder nehmen wir das Argument, das Stadion gebe erste Liga nicht her. Sicher, es müsste da und dort Hand angelegt werden. Dafür gibt es aber im Oberhaus einen Batzen TV-Geld im unteren zweistelligen Millionenbereich in die Kassen. Weiter: Mit 30.800 Zuschauern ist die Arena offiziell bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) registriert. In Kiel und Heidenheim passen mal gerade die Hälfte rein. Und sie durften, mindestens eine Spielzeit, auch mitmachen.

 

Auf den Traversen und selbst in den VIP-Kombüsen machten zwischendurch böse Gerüchte die Runde, der FCM habe gegen Münster gar nicht gewinnen wollen. Oder sollen, wie ganz Garstige unterstellten. Ein Teil der Behauptungen schlug sich Tage danach auch auf den Leserbriefseiten der Lokalpresse niederschlagen. Dies alles als üble Nachrede (und nichts anderes) abzutun wäre gewiss einfacher gewesen, hätte es an diesem Abend nicht eine derart blutleere Vorstellung gegeben, in der Körpersprache und Kampfgeist schmerzlich vermisst wurden. Es muss wohl, daran kommt im Rückblick kaum einer vorbei, als sportlicher GAU eingeordnet werden, der größte anzunehmende Unfall.

 

Gewiss, im Rückblick ist dies alles Jammern auf ziemlich hohem Niveau. Oder wie der große Fußball-Philosoph Franz Beckenbauer einmal sagte: „Wir sollten nicht alles ins Korn schmeißen.“ Der FCM hat viel erreicht in dieser Saison. Einer Spielzeit, in der laut Sport-Geschäftsführer Otmar Schork die Hauptaufgabe darin bestand, so abzuschneiden, dass es für ein weiteres Jahr zweite Liga reicht. In diesem Sinne: Ziel übererfüllt. Die Titz-Truppe hatte mit dem Abstieg nie etwas zu tun. Im Gegenteil, die Lobeshymnen – auch und gerade von der Konkurrenz – waren nicht zu überhören, klangen vielen wie Musik in den Ohren. Die Zuschauer sahen, vor allem auswärts, zuweilen ein verführerisches Offensivspiel, das auf Ballbesitz mit Bewegung, auf Umschaltspiel, aber vor allem Intensität mit und ohne Ball basiert.

 

Schreib zum Schluss etwas Nettes, mahnten sie in der Redaktion noch. Versuchen wir es so:  Titz bleibt jetzt ein ganzes Jahr Zeit, seine schöngeistige Idee vom Fußball auf ein aufstiegsfähiges Fundament zu stellen.

Nr. 279 vom 14. Mai 2025, Seite 24

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