Die Tränen des Uli Wegner

Mit einer Gala am 17. Mai auf der Seebühne begeht das SES-Team sein 25. Jubiläum. Warum Magdeburg eine Box-Hochburg war und ist. | Von Rudi Bartlitz

Uli Wegner: "Was ihr in 25 Jahren geleistet habt, ist einmalig. Für eure Stadt, für das deutsche Boxen."

Wie oft in diesen Wochen und Monaten – bei passenden wie weniger passenden Anlässen – von der Sportstadt Magdeburg die Rede war, ist kaum zu zählen. Dabei geht es längst nicht mehr ausschließlich um Handballer und Fußballer. Und ebenso wenig nur um olympische Sportarten wie Leichtathletik und Schwimmen – wobei bei Letzteren freilich in jüngster Vergangenheit vor allem Lukas Märtens und Florian Wellbrock für gehörig Ballyhoo sorgten. Nein, Magdeburg ist auch eine Stadt des Faustkampfs. Einer, der zuletzt nachdrücklich daran erinnerte, ist niemand, dem in lokaler Entrückung die Begeisterung einfach davongaloppierte. Nein, es war kein Geringerer als Trainer-Legende Uli Wegner. Ein Berliner übrigens. „Die Stadt ist einfach eine Hochburg des Boxens“, sagte er dieser Tage bei einer Talk-Runde dieser Zeitung. „Bei dem Namen Magdeburg und Boxen schlägt mein Herz immer höher, läuft es mir eiskalt den Rücken runter.“

 

Der 83-Jährige muss es wissen. Und hat persönlich natürlich allen Grund, auf der Euphorie-Welle zu reiten. Mit seinem Schützling Sven Ottke und dessen unvergesslichen Weltmeisterschaftskämpfen in der Getec-Arena trug er um die Jahrtausendwende viel dazu bei, den Ruf der Landeshauptstadt weit in die Welt hinauszutragen. Wenn er davon berichtet, wie seinem Schützling, der zwölf WM-Kämpfe hier austrug, und ihm einst die Sympathien der Magdeburger nur so zugeflogen sind, stehen dem alten Mann die Tränen in den Augen. „2.000 Zuschauer bei einem Pressetraining, das habe ich in meiner langen Trainer-Laufbahn nirgendwo auf der Welt erlebt.“

 

Doch Wegner hat noch mehr im Blick. „Bereits damals vor 30, 40 Jahren, bei den Amateuren, war Magdeburg eine Box-Hochburg“, erinnert er sich. Namen wie Heiko Winter, Achim Bedau, Walter Cybinski oder Robby Büchner sprudeln nur so aus ihm heraus. Ergänzen wir ihn: Schon kurz nach dem Krieg in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, als noch das Berufsboxen das Prä besaß, zählte die Stadt zu den Zentren im Osten. Gleiches galt nach der später vollzogenen radikalen Wende zum Amateursport. Als Mitte der fünfziger Jahre überall in größeren Städten der DDR-Sportklubs gebildet wurden, entstand auch beim SC Aufbau Magdeburg eine Sektion Boxen. Dazu waren die Sportler der damaligen BSG Motor Mitte zum SC Aufbau delegiert worden.

 

Ein weiteres Moment für den Box-Aufstieg Magdeburgs kommt hinzu: die beiden deutschen Mannschafts-Meistertitel, die der 1. BCM in den Jahren 1999 und 2000 einfuhr. Als Präsident damals erstmals am Ring dabei: der junge Ulf Steinforth. Was er dann bei Profiveranstaltungen – wie den unvergessenen Maske-Auftritten, die er später dann sogar mitorganisierte – sah und erlebte, sollte fortan sein weiteres (Berufs)Leben bestimmen. „So etwas wollte ich auch machen“, erzählte er jüngst. Dem jungen Mann aus Sudenburg, dem man schon zu DDR-Zeiten ein ungewöhnliches Organisationstalent nachsagte und der nach Wende zum „König der Kondomautomaten-Aufsteller“ am Leipziger Hauptbahnhof aufstieg, ließ die Idee einfach nicht mehr los.

 

Und irgendwie kommt erneut der Name Wegner. Sozusagen über eine Bande. Denn der alte Fuchs hatte längst mitbekommen, welche Stimmung in Magdeburg selbst bei Amateur-Veranstaltungen herrschte. Also ging er dem Technischen Leiter des damaligen Branchen-Riesen Sauerland, Jean-Marcel Nartz, solange auf die Nerven, doch einmal im Osten zu veranstalten, bis der auch den damals schon in Kapstadt residierenden Chef Wilfried Sauerland dazu bewegte, den Schritt nach Terra X, ins „unbekannte Land“ einfach einmal zu wagen. Und siehe da – mit den Ottke-Kämpfen wurde eine neue Ära eingeleitet. Magdeburg stand Kopf. Alle Kämpfe ausverkauft, frühmorgens lange Schlangen vor den Kassen, die Tickets (von denen es nur zwei pro Nase gab) binnen 90 Minuten ausverkauft, die Halle mit fast 9.000 Zuschauern so voll wie später nie wieder.

 

Mit dem zur Jahrtausendwende von Steinforth gegründeten Profi-Team SES – übrigens bis heute das einzige im Osten – kam ein weiterer, überaus kräftiger Impuls für das Boxen in Magdeburg hinzu. Und auch hier sollte bald der Name Uli Wegner auftauchen. Als sich Steinforth nämlich mit seinen ersten beiden Athleten Rene Monse und Dirk Dzemski anschickte, in der Haudrauf-Szene mitzumischen, stellte sich unerwartet die Frage: Tja, und wer trainiert die? Der Trainer-Guru, seit Jahren in Diensten des Platzhirsches Sauerland, half unkompliziert. Er übernahm sozusagen die Anschub-Finanzierung, holte die SES-Fighter erst einmal zu sich ins Trainingsteam.

 

Heute, 25 Jahre später, gibt es – Box-Krise hin, Box-Krise her – SES immer noch. Und zwar stärker und größer als je gedacht. Schulterklopfen für Magdeburgs Sport-Botschafter Steinforth gab es zwischendurch von Alt-Oberbürgermeister Willi Polte: „Boxen ist Show. Und Show produziert Bilder. Und diese Bilder gehen von Magdeburg in die ganze Welt. Dafür hat Ulf Steinforth gesorgt.“ Der Stall ist inzwischen unangefochten die Nummer eins unter den Box-Veranstaltern in Deutschland. Auch dank von Weltmeistern und Weltmeisterinnen wie Robert Stieglitz, Jan Zaveck, Dominic Bösel, Natascha Ragosina, Ramona Kühne und jüngst Tina Rupprecht.

 

Der Impresario selbst wurde vom deutschen Berufsboxverband zum „Manager des Jahrzehnts“ gekürt. Die einst unerreichbar scheinende Konkurrenz ist um Längen abgehängt. Universum Hamburg, das von Groß-Gastronom Klaus-Peter Kohl geführte Unternehmen, unter dessen Flagge die Klitschko-Brüder in den Ring marschierten, ging pleite. Vom einst glorreichen Sauerland-Team, das sich mit Namen wie Sven Ottke, Markus Beyer und Arthur Abraham schmückte, ist nicht mehr als der Name übriggeblieben.

 

In diesen Tagen, da SES am 17. Mai auf der Seebühne sein Vierteljahrhundert-Jubiläum begeht, darf Uli Wegner natürlich wiederum nicht fehlen. Und zwar mit dicken Lobeshymnen: „Für Svenni und mich war und ist Magdeburg etwas ganz Besonderes. Ulf, was ihr in diesen 25 Jahren geleistet habt, ist einmalig. Für eure Stadt, für das deutsche Boxen.“

Nr. 279 vom 14. Mai 2025, Seite 23

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