Der Meißel und das Denkmal

FCM-Cheftrainer Christian Titz will weg. Was das für den Fußball-Zweitligisten bedeuten würde. | Von Rudi Bartlitz

Dann steck’ ich den Meißel eben ein: Trainer Christian Titz will den FCM trotz Vertrag verlassen. (Foto: Gercke)

Keinen Steinwurf von der Magdeburger Fußball-Arena entfernt steht eine Statue. Der da mit einem Pokal in der Hand winkt, das weiß hier jedes Kind, ist Heinz Krügel. Mit dem FCM wird die Trainer-Legende auf Dauer genauso verbunden sein, wie sie unlöschbar im Gedächtnis der Fans verankert ist; und das nicht nur wegen des einmaligen Europapokal-Erfolgs von 1974. Ebenso wenig vergessen ist der Name Jens Härtel. Jener Mann, der den Club nach jahrzehntelanger Diaspora im gehobenen Freizeit-Fußball ins Profilager hievte.

 

Und da war zuletzt ein Dritter, der eifrig an einem (vielleicht bescheidener daherkommenden) Denkmal in Magdeburg meißelte: Christian Titz. Ein Mann, dem die Herzen hier nur so zugeflogen sind, der so etwas wie „Everybodys Darling“ war. Nun gut, so weit, dass sie in Magdeburg den TitzschenFußball zum immateriellen Weltkulturerbe erklären wollten, gingen sie dann doch nicht, aber Lob hagelte es aus allen Ecken.

 

Allein, dieses Werk wird unvollendet bleiben. Egal, wie sich diese Causa in den nächsten Tagen noch entwickelt. Auslöser dafür sind ausnahmsweise einmal nicht vermaledeite Zeitläufe, sondern dies hat einzig und allein mit dem Coach selbst zu tun. Weil er den Meißel aus der Hand legte, aus eigenem Willen und unvermittelt.

 

Nun sind Trainer-Rücktritte, aus freien Stücken wohlgemerkt, im Fußball nicht der Alltag in diesem knüppelharten Geschäft. Im Gegenteil. Eher wird da gefeuert, was das Zeug hält, oder eben freigestellt, wie es bemäntelnd genannt wird. Titz also, der den Blau-Weißen den umjubelten Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga bescherte und zuletzt dort mit Rang fünf für deren beste Platzierung seit der Wende sorgte, schlägt den umgekehrten Weg ein. Seine Motive dafür kennt die Öffentlichkeit nicht, können höchstens erahnt werden. Was nicht gleichbedeutend ist mit: gebilligt.

 

Kurze Rückblende. Als vergangene Woche beim FCM die Saisonabschluss-Pressekonferenz anstand, galt das eigentlich als ein Routine-Termin. Eigentlich. Wenn da nicht seit Wochen wabernde Gerüchte um den Cheftrainer gewesen wären. Deren Kernbotschaft: Titz will weg, strebt nach Höherem. Mit ausweichenden Antworten auf die Gretchen-Frage hatte der Coach derartige Vermutungen nur noch befeuert. Öffentlich vermied er zuletzt ein klares Bekenntnis zum Club. Zwar betonte er, wie sehr er sich mit Stadt und Verein verbunden fühle, aber: „Im Fußball kann man nicht immer Versprechen abgeben.”

 

An vergangenem Mittwoch nun wurde es zur Gewissheit: Sport-Geschäftsführer Otmar Schork bestätigte, dass Titz seinen Wechselwunsch bei ihm hinterlegt hat. „Er kann sich vorstellen, eine Veränderung vorzunehmen”, verkündete Schork. „Persönlich hat es mich schwer getroffen, weil der Zeitpunkt komplett überraschend war”, sagte der Mann, dem der Ruf vorausgeht, in fußballerischen Dingen mit allen Wassern gewaschen zu sein. Kalt erwischt, nennt man das wohl in der Sprache des Volkes.

 

„Zwischen Christian und mir gibt es immer Absprachen, das war schon ein Nackenschlag”, räumte Schork ein. Als er damit konfrontiert wurde, sei er „im ersten Moment geschockt” gewesen. Dass der sonst so überlegt und bedacht formulierende 67-Jährige derartige Worte in der Mund nimmt, zeigt unmissverständlich, wie ge- und betroffen er war. Und wohl auch, dass hinter den Kulissen manches nicht so läuft, wie es stets nach außen hin kommuniziert wird.

 

Der Sportchef vermutet, dass der Wunsch des Trainers auch mit dem verpassten Aufstieg des FCM und daraus resultierender Enttäuschung zu tun hat. „Wären wir jetzt noch im Rennen, wäre Christian Titz sicher nicht auf mich zugekommen”, sagte Schork: „In der ersten Liga wäre die Herausforderung dann auch da gewesen.” Fügen wir eine eigene Vermutung hinzu: Kann es sein, dass der Coach nicht mehr bereit ist, die aus seiner Sicht für höherklassigen Profifußball ungenügenden Trainingsbedingungen in Magdeburg länger hinzunehmen? Wenn anderswo diesbezüglich Paradiese winken.

 

Bei vielen Fans stellt sich trotzdem die Frage: Wie kann es sein, dass ein Cheftrainer, der noch bis 2026 unter Vertrag steht, seinem Vorgesetzten (und Vertrauten) über seine Pläne derart lange im Dunkeln lässt? Eine endgültige Entscheidung sei zwar noch nicht gefallen, fügte Schork hinzu, aber „klar ist, dass diese kommen muss”. Wie dem auch sei: Seit Schork die Situation um den Trainer bewusst öffentlich gemacht hat, ist eine gemeinsame Zukunft kaum noch vorstellbar, wenn nicht gar ausgeschlossen.

 

Eine Frist hat der Verein dem Coach, Schork zufolge, nicht gesetzt. Warum eigentlich nicht? Hofft man noch, dass sich dessen Pläne zerschlagen? Dem FCM bleibt in der Vorbereitung auf die neue Saison, die beim Club bereits am 18. Juni beginnt, nicht viel Zeit. Zumal davor noch ein Trainingslager geplant ist. Ohne neuen Cheftrainer etwa? Zumal wechselwillige Spieler schon gern wissen möchten, unter wem sie dann in Magdeburg trainieren würden.

 

Von Kompakt auf das Profil angesprochen, über das ein eventueller Titz-Nachfolger verfügen sollte, ob er danach ausgesucht werde, ob und wie er das Titzsche System fortführe, meinte Schork: „Fakt ist, unser Spielstil ist außergewöhnlich. Das hat die Mannschaft hervorragend verkörpert. Aber bei den Profis ist es ja nicht so, dass sie nur ein Spielsystem kennen. Wir waren auch schon sehr variabel in der letzten Saison. Deshalb denke ich schon, dass sich die Mannschaft auch auf mögliche andere Systeme einstellen kann.“ Und er fügte hinzu: „Jeder Trainer hat seine eigenen Ansprüche. Und ich glaube nicht, dass Trainer danach ausgesucht werden, einen Spielstil einfach so fortzusetzen.“

 

Vorläufiges Fazit: Es geht wohl nur noch um eine einträgliche Ablöse für Titz. Dessen Abgang scheint alternativlos. Aber wer weiß das schon bei einem Klub, der sich hin und wieder selbst nicht so ganz zu entschlüsseln weiß.

Nr. 280 vom 28. Mai 2025, Seite 15

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