Standpunkt Breiter Weg: Die wahre Zeitenwende

Manche glauben, dass die meisten politischen Versprechen nur vor Wahlen gemacht werden. Andere wiederum sind der Ansicht, dass sich alles zum Besseren oder Guten wenden würde. Historiker werden die zurückliegende Epoche einzuordnen wissen. Denn wir befinden uns längst in einer Zeitenwende. Und damit ist nicht die vom Ex-Kanzler Olaf Scholz   wegen des Einmarschs russischer Soldaten in die Ukraine ausgerufene Zeitenwende gemeint, sondern eine, die das Verständnis vom vollversorgten deutschen Bürger auf den Kopf stellen wird.

 

Zwar wünschen sich viele, dass für Kinder mehr getan wird, obwohl die staatlichen Ausgaben dafür in Deutschland Weltspitze sind. Ins Gesundheitssystem muss mehr investiert werden, damit die Versorgung besser wird. Deutschland steht auf Platz 18 bei einer Anzahl von Ärzten pro 1.000 Einwohner (4,5). Das naturschöne Sehnsuchtsland Kanada hat nur 2,5 Ärzte pro 1.000 Einwohner. Es wird auf allen Gebieten ein Mehr und ein Schneller gefordert. Die Frage ist nur, wer soll das erzeugen?

 

Wir haben einerseits die demografische Entwicklung und andererseits sinkende Arbeitszeiten. Mit 1.332 Jahresarbeitsstunden pro Kopf stehen wir weltweit auf dem Siegertreppchen. Mit 33,2 Arbeitsstunden pro Woche liegen nur noch Belgien (30,5) und Dänemark (32,5) vor uns. In Dänemark scheint der Pragmatismus ausgeprägter. Dort wurde gerade die Rente mit 70 eingeführt. Im Übrigen wurde in einer Studie unlängst ermittelt, dass der Sozialstaat mit seinen Angeboten und Möglichkeiten mehr Teilzeit unter Frauen befördert, als dass sich Gleichberechtigung im Einkommen einstellen würde.

 

Wir beklagen marode Brücken und wundern uns gleichzeitig, dass Bauwerke und Straßen im öffentlichen Bereich immer später fertiggestellt werden. Man muss einen Blick zurückwerfen, um zu verstehen, warum wir glauben, dass alles so bliebe, wie es mal war. Das Ergebnis eines deutschen Blühens in Wirtschaft, Sozialem und Kultur fußte stets darauf, dass dies von Menschen erzeugt wurde. Und zwar von arbeitenden Menschen in längeren Arbeitszeiten. Heute haben wir mehr Erwerbstätige denn je in der deutschen Geschichte, aber es kommt weniger dabei heraus. Gleichzeitig wünschen wir uns ein hohes Lebensalter und das vor allem möglichst gesund. Aber wer soll Renten, Gesundheitsversorgung und Pflege gewährleisten bzw. bezahlen?

 

Therapien und Pflegebedarf bei Krankheiten unterliegen keiner Beschleunigung. Auch die Pflege hilfsbedürftiger Menschen verkürzt sich nicht, weil manche kürzer arbeiten möchten. Die immer längere Dauer von Genehmigungsverfahren wird davon gespeist, dass die Verfahren gesetzlich verkompliziert werden und die Arbeitsstunden im Öffentlichen Dienst sinken.

 

Bisher stopft die neue Regierung die Löcher wie schon deren Vorgänger mit mehr „Sondervermögen“. Nur wo ist das Vermögen, dass alles, was entsteht, auch durch Menschen geschaffen werden muss? Maschinen werden sicher einiges abnehmen, aber sie werden nicht die Zeitenwende aufhalten, in die wir uns hineinmanövriert haben, mit Bequemlichkeit und Vollversorgungsansprüchen.

 

Thomas Wischnewski

Nr. 280 vom 28. Mai 2025, Seite 2

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