Magdeburg im Dialog – ein Beitrag zu den Weltsehenswürdigkeiten (Teil 2)
Von Dr. Eckhart W. Peters

MAGDEBURGER PHOTOCHROME – SPURENSUCHE
Seit vielen Jahren befindet sich eine farbige Photographie (Photochrom) mit dem Titel 6457-P.Z. – MAGDEBURG, FONTAINE § BREITER WEG. in meinem Besitz. Sie ist auf einem starken Karton (18,6 x 24,6 cm) aufgezogen, die Vorderseite ist schwarz, die Rückseite grau und die Schnittkanten sind vergoldet. Es ist eine Plattenaufnahme, sie zeigt in Magdeburg im südlichen Stadtzentrum den Hasselbachplatz mit Brunnen, den Breiten Weg und im Hintergrund den Magdeburger Dom St. Mauritius und St. Katharina. Dieses Bild ist mein erster Schritt auf der Spurensuche nach den Magdeburger Photochromen gewesen (s. ausführlich Kompakt, Teil 1). Hier wäre die Geschichte der Plattenaufnahme (Photochrom) “6457. P.Z. – MAGDEBURG. FONTAINE § BREITERWEG.” zu Ende, wenn nicht ein besonderer Zufall dieses eigentliche Familienbild Kachholz/Peters in einen größeren, fotogeschichtlich interessanten Zusammenhang gestellt hätte.
Nach einer Haushaltsauflösung in Sudenburg erhielt ich aus dem Magdeburger Antik- und Trödelcenter den Hinweis auf zahlreiche historische Photographien vor dem Ersten Weltkrieg. In diesem Konvolut der alten Bilder beim „Antik-Leo” fand ich die zweite Plattenaufnahme von Magdeburg 6477. P. Z. – MAGDEBURG. Auf der Rückseite dieses auf Karton aufgezogenen Bildes steht der Hinweis „Louis Gold, Kunsthandlung, Berlin N.W. 41, Unter den Linden” – hier konnten die Bilder einzeln oder im Konvolut bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs erworben werden. Nach und nach fandich diverse Kartons mit Plattenaufnahmen, beschriftet „Farbige Photographien” und „Photochromos Deutsche Städte”.
Inzwischen weiß ich aus verschiedenen Publikationen, dass der Fachausdruck PHOTOCHROM ein Farblichtbild auf der Basis einer Schwarzweißplattenaufnahme bedeutet. Ein neues Kunstwort mit eigenem Glanz, das von der schweizerischen Firma Füssli § Co, Zürich, wie auf den vorliegenden Photokästen verwendet wird. Das Ordnungsprinzip in den vorliegenden Katalogen folgte der alphabetischen Zuordnung der Länder, neuere Publikationen orientieren sich an den Kontinenten. Anhand der mir vorliegenden Photokartons gestaltete sich das Ordnungsprinzip für das Buch „Weltreise der Photographie” wie folgt: Ausgehend von Magdeburg an der Elbe von der Quelle bis zur Mündung, dann die deutschen Orte, die europäischen und außereuropäischen Orte – eine Weltreise der Photographie.
Das Photochrom 6477. P. Z. – MAGDEBURG. zeigt den Blick von leicht erhöhter Stelle der Friedrichsstadt über die lange Brücke, die Zitadelle und über die Stromelbe zur Altstadt und zu dem Dom St. Mauritius und St. Katharina. Die Friedrichsstadt war mit der Turmschanze befestigt, eine militärische Basis mit drei ganzen und zwei halben abgerundeten Türmen, in der sich später auch die Kasernen befanden. Die Zitadelle steht auf einer zwischen der Stromelbe und der Tauben Elbe (Zoll-elbe) gelegenen Insel (Werder). Die Fundamente sind mit Eichenpfählen bis auf den Felsen gegründet (wie auch die Alte Zollbrücke). Die äußeren Mauern reichen bis an die Stromelbe heran und sind bis zu acht Meter hoch. Die Zitadelle wurde in der Zeit von 1683 bis 1702 als ein unregelmäßig kasemattisches und bastioniertes Fünfeck ohne bedeutende Außenwerke gebaut. Durch die Zitadelle führte die Straße zwischen Brücktor (Altstadt, heute Parkdeck von ECE) und Turmschanze. Die Zitadelle wurde zwischen 1860 und 1870 nochmals umgebaut, war jedoch schon 1890 militärisch bedeutungslos, so dass man sie bis 1927 oberirdisch vollständig abtrug. Der Magdeburger Stadtbaurat Bruno Taut hatte 1922 für diesen Ort eine Neue Stadtkrone geplant. Diese entwickelte er von der Strombrücke über die Zitadelle und Schleuse bis zur südlich gelegenen Eisenbahnstrecke (als städtebauliche Antwort auf die historische Stadt) – eine Vision von höchster architektonischer und stadtplanerischer Qualität, bis heute leider nicht realisiert. Auch mir als Stadtplaner gelang im Flächennutzungsplan 2000 die mögliche Neubebauung der Zitadelle und des Werders im Sinne von Bruno Taut nicht, obwohl der Werder – umspült von Stromelbe, Tauber Elbe und Alter Elbe – ein Ort der Ruhe, des Entspannens und Genießens mit atmosphärischer Ausstrahlung ist und auch aus meiner Sicht noch heute ein idealer Wohnstandort gehobener Qualität!
Viele haben den Blick von Osten der Elbe auf die Stadt Magdeburg genossen. Welch geistige Kraft ging vom Bistumsgründer Kaiser Otto, von Editha, von Gerbert von Aurillac, von Othrich, von Nobert von Xanten, von Mechthild, von Eike von Repgow, von Martin Luther aus …, und, und. So verwundert es nicht, dass die alte Reichsstraße (heute B 1) die Achse zum Dom aufnimmt, der Blick von Osten immer wieder Motiv für viele Postkarten war. Zu meiner Überraschung habe ich nicht nur das Bild des Doms mit der Zitadelle im Katalog der Zentralbibliothek von Zürich gefunden, sondern auch weitere Magdeburger Photochrome:
Schrägansichten, wie zum Beispiel 6458. P. Z. – MAGDEBURG. V.D. CITADELLE., zeigen die Stadt aus der Vogelperspektive. Sie ergeben ein beeindruckendes Gesamtbild der Stadt: Die Elbe, die Vorstädte, die Stadtmauer mit den Türmen, die von ihrer Kette umschlossenen Bürgerhäuser und Fischerhütten, das Rathaus, die vielen Kirchen, die Klöster und zuletzt der Dom. Dies alles bildet ein Gefüge mit steigendem Rhythmus. Von allen Edelsteinen dieser Stadtkrone ist der Dom St. Mauritius und St. Katharina die Krönung und doch kann das Ganze nicht ohne all die anderen Edelsteine wirken – auch das ist ein Grund, warum die alte Stadtkrone (St. Johanniskirche) der Altstadt am Rathaus1999 wieder ein Dach erhalten hat. So empfinde ich heute die Kraft der Kontinuität und des gewachsenen Organismus der noch nicht vollendeten Magdeburger Stadtkrone. Der Organismus ist nicht statisch, er schrumpft, wächst, wird zerstört und gedeiht wieder, er hat ein schlagendes Herz, das ihm die Kraft gibt. Die Elbe, der Domfelsen in der Elbe – ein rötliches Gestein – ist bei Niedrigwasser oft sichtbar, jedoch führt diese natürliche Sperre bei Hochwasser elbaufwärts zu gewaltigen Überschwemmungen.
Die eiszeitlichen westlichen Winde hatten die Sandanteile von der hohen Börde östlich vom Elbeurstromtal abgelagert. Die wenigen sandigen Linse im Elbeurstromtal sind oftmals noch heute wie der Werder besiedelt. Cracau, Randau, Pechau, Calenberge – immer sind die erhöhten Kirchen Mittelpunkt der Dörfer. Das westliche Prallufer der Elbe, das Vorland vor der eigentlichen Stadtkrone, war unbesiedelt und wurde immer wieder überschwemmt. Außerhalb der Stadtmauer gab es nur gärtnerische Nutzung, Klostergärten, Möllenvogteigarten und Suburbium mit ein paar Fischern am Rande der Elbe. Neben der Lage verschiedener Elbarme, der Flussübergänge und der urwüchsigen Überschwemmungsgebiete prägt der landschaftliche Gegensatz zwischen Ost- und Westelbien, zwischen Land und Stadt. Wie beeindruckend plastisch wahrnehmbar ist noch heute die Stadtkrone Magdeburgs – oft aus weiter Ferne von den westlichen Autobahnen vom richtigen Standort zum Greifen nah.
Die Lage an der Elbe brachte es mit sich, dass diese auch als Stätte des Vergnügens und der Reinigung von der Bürgerschaft ab 1800 verstärkt genutzt wurde. Das erste Flußbad Magdeburgs befand sich am Fürstenwall. Auf Befehl der napoleanischen Truppen wurde es 1813 abgerissen. Jedoch ab 1817 gab es Verhandlungen zwischen dem Magistrat und der Regierung über die Errichtung einer städtischen Badeanstalt in der Alten Elbe an der Langen Brücke (heutige Anna-Ebert-Brücke). Erst 1826 konnten diese Verträge erfolgreich abgeschlossen werden. Nachdem Probleme in der Finanzierung aufgetreten waren, verkaufte die Stadt das Bad 1857 an den Privatmann Karl Katerbow. Im Laufe der Jahre sind weitere Badeanstalten – legal und illegal – an verschiedenen Stellen der Elbe eingerichtet worden, die jedoch auch im Laufe der Jahre alle aus Verschmutzungsgründen und Gefahren geschlossen wurden (Katerbow 1954). Natürlich badeten mein Großvater, meine Eltern und mein Bruder noch während des Zweiten Weltkriegs am Herrenkrug in der Strom-elbe und in Cracau in der Alten Elbe.
Der natürliche Überschwemmungsraum nördlich des Domfelsens und dem Prallhang ist im Laufe der Jahrhunderte für den Fürstenwall drei bis vier Meter mit Sand, Mutterboden und Bauschutt aufgefüllt worden (auch schon 1838 für den Bau der Eisenbahn), wobei die letzten Maßnahmen nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs stattgefunden haben. Die im Krieg zerstörten Gebäude wurden eingeebnet und das Prallufer erhielt eine neue Mauereinfassung auch zum Schutz des Schleinufers, so hoch, dass oft die Elbe nicht mehr zu sehen, geschweige denn „anzufassen” ist.
Die Vollendung des frühgotischen Domes dauerte mit über hundert Jahren Unterbrechung bis 1520 (Fertigstellung der Turmhelme). Seit 1567 ist der Dom protestantisch. Er hat eine dreischiffige kreuzförmige Gewölbebasilika mit fünf quadratischen Jochen im Mittelschiff und nur zwei Seitenschiffjochen, ein hochgotisches Langhaus mit zweiteiliger Wandgliederung und jeweils zwei großen Übergardenfenstern über den spitzbogigen Arkaden. Die Raumhöhe im Mittelschiff beträgt 33 Meter, der Turm ist 106 Meter hoch. Am ältesten Bauteil, dem Chor, sind die Proportionen und die Bauzier noch deutlich der sächsisch-spätromanischen Formensprache verhaftet. Im Chor befindet sich das Grab Kaiser Ottos I. mit der originalen Tumba aus dem Todesjahr 973 n. Chr..
Viele Geschichten meiner Großeltern und Eltern flechten sich voller Ehrfurcht um den Dom und seine Schule – verbunden mit der Kraft des Glaubens. Hier ging mein Vater zur Schule, hier wurde meine Mutter konfirmiert. Und auch das Bild des Rathauses am Alten Markt (6456. P. Z. – MAGDEBURG. MARKTPLATZ.) erinnert mich an meine Familiengeschichte. Im Rathaus haben kurz nach Kriegsbeginn am 26. Oktober 1939 meine Eltern geheiratet, mein Vater war im September zum Polenfeldzug eingezogen worden.
Doch zurück zur Geschichte der Photographie. Für Magdeburg hat der Photograph Georg Eduard von Flottwell (1844-1894) viele historische Gebäude in Schwarzweißplattenaufnahmen dokumentiert und publiziert (Magdeburg Bau- und Kunstdenkmäler, 1892). Ähnlich hochwertige Sammlungen verschiedener Photographen liegen auch für Dresden und Hamburg vor. Besonders erwähnenswert ist die Sammlung Bokelberg „HAMBURG IN FRÜHEN PHOTOGRAPHIEN 1848-1888”. Heute weiß ich aus verschiedenen Publikationen mehr über die Photochrome. So haben Sabine Arqué (Bildredakteurin) und Marc Walter (Fotograf) im Taschenverlag 2017 eine auf über 600 Seiten beeindruckende Dokumentation mit dem dreisprachigen Buch „THE GRAND TOUR, THE GOLDEN AGE” herausgegeben. Mehr zur Geschichte der Photochrome in Magdeburg, an der Elbe und Deutschland sowie DAS GOLDENE ZEITALTER DES REISENS im nächsten Artikel hier in der KOMPAKT Zeitung.
Über Dr. Eckhart W. Peters:
Studium an der Universität Hannover, Diplom 1970. Danach bis 1974 Forschungsaufträge für den Vorderen Orient. 1975 Promotion, freier Architekt. 1993-2008 Leiter des Stadtplanungsamtes Magdeburg, diverse Veröffentlichungen, Herausgeber der Schriftenreihe des Stadtplanungsamtes, ca. 120 Veröffentlichungen und Beauftragter IBA 2010 mit vielen einzelnen Objekten, Tafeln und dem IBA-Pfad in Magdeburg. Mitglied der Architektenkammer und ehemals des Präsidiums der DASL.
Nr. 280 vom 28. Mai 2025, Seite 10-11
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