Das war knapp

Der SC Magdeburg unterliegt den Berliner Füchsen in einem der spannendsten Titelrennen, die der deutsche Handball in den letzten Jahren erlebte.

Seit jeher ist der breite Wandelgang in der Getec-Arena mehr als nur eine Flaniermeile. Und mehr als reiner Getränkeausschank. Hier wird diskutiert, analysiert, spekuliert. Hier wird eigentlich vor keinem Handball-Thema haltgemacht, und sei es zuweilen noch so heikel. Beim großen Saison-Heimfinale gegen Flensburg, als es für den SC Magdeburg noch um so viel ging – Champions-League-Qualifikation und vielleicht sogar die Meisterschaft – war es ähnlich.

 

Doch ein Gedanke ließ sich da bereits in fast allen Gesprächen deutlich heraushören: Wenn es mit dem zweiten Titel in Folge eben nicht klappen sollte, die Füchse haben ihn allemal verdient. „Das erkennen wir an“, meinte ein Edel-Fan, „da gratulieren wir sportlich fair.“ So wie auch Trainer Bennet Wiegert, der nach dem Finale respektvoll sagte: „Wer oben steht, hat es maximal verdient.“

 

Am Ende ist es also genauso gekommen, wie es viele vorausgesagt (oder aus SCM-Perspektive: befürchtet) hatten. Die Berliner ließen sich ihren ersten Titel überhaupt in einem bis zum letzten Tag offenem Duell nicht mehr nehmen. Selbst wenn sie in ihrer finalen Partie bei den Rhein-Neckar Löwen 40 Minuten durch die Hölle gehen mussten, sie zurücklagen, als alles noch einmal wackelte. „Es war wie 60 Minuten auf dem Zahnarztstuhl“ stöhnte Manager Bob Hanning hinterher, „bei Voll-OP ohne Spritze.“

 

Zwanzig Jahre hat diese Reise der Hauptstädter gedauert. Aus einem bedeutungslosen Zweitligisten namens Reinickendorfer Füchse, in dem man anfangs kaum mehr in der Hand hielt als den berühmten Schuhkarton voller unbezahlter Rechnungen, ist eine über Jahre gereifte Meistermannschaft hervorgegangen. Weil jetzt auch das Drumherum stimmt, es in dieser Saison ein nahezu perfektes Gefüge gab, das seinen Charme auch daraus zieht, dass neben dem absoluten Weltstar Mathias Gidsel jede Menge Jungfüchse aus dem eigenen Talentbetrieb spielen.

 

Apropos Gidsel. Es muss keine besonders steile These sein zu behaupten: Ohne den Dänen in den Füchse-Reihen wäre der SCM wohl Meister geworden. Was der Halbrechte der Berliner auf dem Parkett derzeit demonstriert, kommt dem Begriff Perfektion sehr nahe. „Wenn er wechselt zwischen Momenten absoluter Innerlichkeit, eine körperlich gar nicht so überwältigende Erscheinung mit fast abwesendem Blick“ kommentierte die „Frankfurter Allgemeine“, „dann aber eine Mischung aus Schnelligkeit, Sprungkraft und Schlangenmenschenfähigkeiten aus ihm herausbricht, die es fast unmöglich macht, ihn zu bremsen.“ Das Magazin „Sport Bild“ nannte ihn dieser Tage den „Magic Johnson des Handballs“ –ein größeres Kompliment ist wohl kaum vorstellbar.

 

Den Grün-Roten bleibt jetzt nicht viel Zeit, dem verpassten Titel – trotz zuletzt 14 Siegen in Folge (!) – nachzutrauern. Selbst wenn Wiegert sagt: „Es tut auch weh, wenn nur Nuancen fehlen.“ Bereits am Wochenende wartet in Köln mit dem Final-Four-Turnier der Champions League ein weiteres Top-Event. Da geht es um Europas Handball-Krone. Der SCM hat es zum dritten Mal hintereinander geschafft, sich dafür zu qualifizieren und trifft im Halbfinale auf Rekordsieger FC Barcelona. Wiegert: „Köln ist vielleicht die schwerste aller Aufgaben.“

 

Rudi Bartlitz

Nr. 281 vom 11. Mai 2025, Seite 22

Veranstaltungen im mach|werk

Edit Template

Über uns

KOMPAKT MEDIA als Printmedium mit über 30.000 Exemplaren sowie Magazinen, Büchern, Kalendern, Online-Seiten und Social Media. Monatlich erreichen wir mit unseren verbreiteten Inhalten in den zweimal pro Monat erscheinenden Zeitungen sowie mit der Reichweite unserer Internet-Kanäle mehr als 420.000 Nutzer.