Standpunkt Breiter Weg: Kein Sommermärchen an der Elbe

Im März 2022 gab es in Magdeburg ein großes Frühlingserwachen. Der amerikanische Chip-Hersteller Intel kündigte den Bau einer Mega-Fabrik auf der Industriefläche „Eulenberg“ an. 30 Milliarden Euro sollten hier investiert werden. Bundesregierung, EU und Land winkten mit Fördermitteln in Höhe eines zweistelligen Milliarden-Betrags. Zwei Jahre später hieß es aus der Konzern-Zentrale im kalifornischen Santa Clara, dass der Bau zwei Jahre zurückgestellt würde. Inzwischen ist Ernüchterung eingetreten. Wegen der wirtschaftlichen Talfahrt des Tech-Unternehmens sind die Hoffnungen für Magdeburg auf dem Nullpunkt angelangt. Dennoch kommen aus der Staatskanzlei immer mal wieder Hinhaltesignale.

 

Doch die Landeshauptstadt hat inzwischen ein ganz anderes Problem. Die Erschließungskosten für das Gelände, wie Straßenanbindung, Wasserleitungen und Stromtrassen wurden nämlich hierzulande vorfinanziert. Jetzt sitzt Magdeburg auf den Rechnungen und fordert Geld vom Land. Schließlich sei die Ansiedlung ja zur Chefsache in der Staatskanzlei erklärt worden und extra der Staatssekretär für Strukturwandel und Großansiedlungen, Dr. Jürgen Ude, als Hauptkoordinator eingesetzt worden. Die Regierung von Ministerpräsident Reiner Haseloff lehnt eine Beteiligung an den Erschließungskosten ab. Schließlich hätte es bisher keinen Förderantrag gegeben. Also sind im Haushalt keine Mittel vorhanden. Auch von Bund und EU ist deshalb kein Geld geflossen.

 

Nun ist im Rathaus die Not groß. Die Kasse ist ohnehin leer. Die plötzlich anfallenden Kosten für einen Brückenersatzbau am Damaschkeplatz kommen außerdem noch oben drauf. Offenbar war die Euphorie nach der Investitionsankündigung derart groß, dass man sich um eine rechtliche Absicherung der Vorfinanzierungskosten in keine Richtung abgesichert hatte.

 

Im Kaufvertrag für das Gelände hätte es eine Schutzklausel geben können. Wenn Intel nicht baut, hätte der Konzern die Erschließungskosten für das Grundstück bezahlen müssen. So ein Passus ist durchaus üblich. Nur im Wirtschaftsdezernat von Sandra Yvonne Stieger war offenbar der Glaube größer als die rechtliche Sicherung der Kosten. Im Rathaus erwägt man eine Klage gegen das Land, um eine Kostenübernahme zu erzwingen. Doch so ein Rechtsstreit erscheint schon jetzt aussichtslos.

 

Die nächsten Jahre werden für die Ottostadt düster. Die Straßenbeleuchtung auf dem Magdeburger Ring abzuschalten, wird nicht reichen, um den Haushalt wieder auf Vordermann zu bringen. Freiwillige Aufgaben wie Kultur, Sport und Wirtschaftsförderungen werden wohl hart beschnitten werden müssen. Notwendige Investitionen in die Infrastruktur müssen auf die lange Bank geschoben werden. Freizeitanlagen, die auf kommunale Zuschüsse angewiesen sind, dürften um ihre gewohnte finanzielle Unterstützung zittern. Die einstigen Skeptiker der Intel-Ansiedlung fühlen sich bestärkt. Aber leiden wird die Stadt und ihre Menschen. Was nicht da ist, wird nicht verteilt werden können. Die Party an der Elbe ist vorerst vorbei. Magdeburg erlebt kein Sommermärchen, sondern ein düsteres Drama.

Nr. 281 vom 11. Juni 2025, Seite 2

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