Römers Reich: Grenzwertverschiebungen

Ein ehemaliger Schulkamerad ist heute Neurochirurg in einer Klinik an der Ostsee. Er berichtete mir von seinem Dilemma, dass bei Blut- oder Urinproben von Patienten manchmal Grenzwerte überschritten würden. Jene Patienten zeigten jedoch keine Symptome oder fühlen keinerlei Beeinträchtigung einer entsprechenden Erkrankung. Laut vorgeschriebener Therapie müsste er jedoch Medikamente verschreiben. Nun wissen wir, dass die Herabsetzung von Grenzwerten neue Patienten erzeugt. Das kann mal medizinisch berechtigt sein, muss es aber nicht.
Anfang des Monats stellte die Antidiskriminierungsbeauftrage der Bundesregierung, Ferda Ataman, ihren Jahresbericht für 2024 vor. Demnach hätte ihre Behörde über 11.000 Fälle von Diskriminierung registriert. Und dies seien nur die bekanntgewordenen – also die gemeldeten – und wären damit nur die Spitze des Eisbergs. Solche „Anzeigen“ können nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gemacht werden. Dabei sollen Diskriminierungen wegen der Herkunft, des Geschlechts, des Alters oder der sexuellen Identität erfasst werden sowie wegen einer körperlichen Beeinträchtigung.
Seit über 15 Jahren beschäftigen wir uns in der Gesellschaft mit einer höheren Sensibilität gegenüber anderen Lebensentwürfen, sexueller Identität, Herkunftsbiografien und Geschlechtergerechtigkeit. Gesetze wurden dafür geschrieben, Sprache verbogen und Sozialisationsbedingungen in der Vergangenheit als moralisch verwerflich gebrandmarkt. Man kann auch sagen, wir haben ähnlich wie in der Medizin die Grenzwerte verschoben, Messstationen und -standards eingeführt. Das führt unweigerlich zum Erfassen von mehr Fällen. Und damit sollen keinesfalls Diskriminierungen verharmlost werden. Allerdings wird allein durch die Erfassung ein anderes, negativeres gesellschaftliches Bild erzeugt. Das muss bei jeder Verkündung von Zahlen mitgesagt werden.
Wünschenswert wäre eigentlich, dass die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle dazu führt, dass Diskriminierung zurückgedrängt wird. Die Veröffentlichung der Zahlen, deutet jedoch das Gegenteil an. Bleibt man in der inneren Logik des Diskriminierungs-Messinstrumentariums, müsste der Staat gegenüber den „Diskriminierungstätern“ strengere Sanktionen erlassen.
Das eigentliche Paradoxon, das durch mehr registrierte Fälle sichtbar wird, ist, dass Anstrengungen für mehr Sensibilität und Rücksichtnahme entweder ins Leere laufen oder andererseits das subjektive Empfinden für Beeinträchtigungen gesenkt haben. Oder eben beides. Nun sind Antidiskriminierungsstellen eingerichtet. Sich selbst infrage zu stellen bzw. die Methodik der Arbeit von innen heraus zu kritisieren, ist besonders schwer. Ich denke, wir werden in den nächsten Jahren ein weiteres Wachsen von Diskriminierungsfällen erleben, auch dem Antidiskriminierungsanliegen sei Dank.
Axel Römer
Nr. 281 vom 11. Juni 2025, Seite 3
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