Friedrichs lau(t)e Nacht!

Die Talkshow mit dem immer grienenden Moderator und seinen vermeintlichen „C-Promis” aus Kultur und Politik, die zwar über keinen Berufs- oder anderweitigen Bildungsabschluss verfügen, aber dennoch irgendwie ins Rampenlicht geschubst worden waren, war gerade vorbei – um 00.15 Uhr am Sonntagmorgen und auf Friedrichs Mattscheibe lief nichts „Vernünftiges” mehr.

 

Er hatte davor eine Sendung mit Interesse angesehen, in der sich Menschen freiwillig im australischen Urwald einer Hungersnot ausgesetzt hatten, sich dabei mit dort krauchendem Getier, Schleim und anderen Dingen vollgestopft hatten und dann in die Kamera riefen: „Ich bin eine arme Sau, lasst mich hier drin!“ – oder irgendwas in dieser Art… 

 

So etwas wollte Friedrich, der früher viele Jahre in der Justiz als Gefängniswärter tätig war, wirklich nicht mehr sehen. Also griff er zur Fernbedienung und es ward ruhig… Denkste… „Butta, butta, butta…“ Hämmernde Bässe dröhnten plötzlich an sein Ohr. Das Wummern von Musik brachte seine Tischplatte zum Vibrieren und Fernbedienung, Blumenvase und Brillenetui zum Tanzen… 

 

Die Quelle des ganzen Übels war schnell ausgemacht: Direkt zwei Etagen über seiner Wohnung wurde offenkundig „Party“ gefeiert. Der gerade volljährig gewordene Kevin war allein zu Hause und hatte anlässlich der ausgenutzten Abwesenheit seiner Eltern zur Facebook-Party „geladen“. Die nun zahlreich erschienenen, schon auf der Straße anstehenden und im Hausflur herumlungernden, teils noch pubertierenden Gäste waren „gut drauf“, was sich an Splittern von leeren Bierflaschen und Wodkapullen festmachen ließ. Da sich der Alkoholkonsum auch auf den Hörsinn und das Sprachvermögen auswirkte, waren kreischende Laute zu vernehmen – ähnlich dem Schrei einer balinesischen, Kaffe fressenden Schleichkatze bim Kopulieren – so kam es Friedrich vor. Irgendwie erinnerte ihn dies aber auch an die kurz zuvor gesehene Sendung aus dem australischen Urwald.

 

Da wäre jede Diskussion zwecklos gewesen, erkannte er flugs und zog sich in seine vier Wände zurück, nahm eine Schlaftablette und Oropax…Tags darauf beim Vermieter angerufen, ließ er sich heftig aus und drohte mit der Kürzung der Miete und sogar einer sofortigen Kündigung und Auszug, würde er das noch ein einziges Mal in seinem Leben erleben!  Hätte er damit Recht? Hier der Ansatz einer Lösung:

 

• Übermäßiger Partylärm ist vertragswidrig und kann in Extremfällen nach einer erfolglosen Abmahnung zur fristlosen Kündigung führen. AG Köln, WuM 87, 21

 

Rechtlich ist zu fragen: Handelte es sich um einen Extremfall? Wie laut war es wirklich? War es übermäßig laut? Wie lange dauerte die „Party“? Welche Geräusche störten konkret und welche Beeinträchtigungen gingen damit einher? Wurden die anderen Mieter, also die Eltern von Kevin überhaupt schon einmal abgemahnt? Fragen über Fragen. Und auch dies muss im Streitfall ein Gericht entscheiden. Wenn nämlich Friedrich fristlos kündigt, kann sich der Vermieter auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen, weil ja vielleicht kein „Extremfall“ vorlag. Und dann müsste Friedrich zahlen – auch für die Zeit, in der er die Wohnung nicht mehr bewohnt – bis zum Ablauf der „normalen“ Kündigungsfrist. Würde er „gewinnen“, dann nicht. Aber er muss alles beweisen… Was würden die anderen Mitbewohner sagen? Lärm sorgt oft für Streit zwischen Nachbarn. Hier ein paar Urteile, die vielleicht helfen, Ärger zu vermeiden:

 

• Die Bewohner eines Mehrfamilienhauses müssen die üblichen Wohngeräusche hinnehmen, aber alle müssen Rücksicht nehmen. AG Hamburg, AZ: 46 C 139/03

 

• Eine Pendeluhr aufzuhängen, gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung. Ist das halbstündige Schlagen in der Nachbarwohnung wahrnehmbar, muss das geduldet werden. AG Spandau, AZ: 8 C 13/03 

 

• Befinden sich im Haus Gaststätten mit Vorgärten und geht hiervon ein so großer Lärm aus, dass die Balkone der Wohnung nicht oder kaum nutzbar sind, kann der Mieter die Miete kürzen. AG Lichtenberg, AZ: 6 C 239/03 

 

• Mieter dürfen so oft duschen und baden, wie sie wollen, auch nach 22 Uhr. Entsprechende Verbote in Mietvertrag oder Hausordnung, sind unzulässig – LG Köln, AZ: 1 S 304/96. Das OLG Düsseldorf, AZ: 5 Ss 411/90, begrenzt nächtliches Duschen auf max. 30 Minuten. 

 

• Lautes Streiten, überlaute Musik und zu lautes Gestöhne beim Sexualverkehr sind eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn. Amtsgericht Warendorf AZ: 5 C 414/97 

 

• Männer dürfen beim Urinieren stehen, auch wenn Nachbarn das Plätschern mitbekommen. Dies könne nur mit Gelassenheit ertragen werden. Amtsgericht Wuppertal, AZ: 34 C 262/96 

 

• Stört das Öffnen des Garagentores die Nachtruhe, darf die Garage von 22 bis 6 Uhr nicht benutzt werden. OLG Düsseldorf, WuM 91, 438 

 

• Wenn Kinder in der Wohnung weinen, schreien, beim Spielen poltern oder hopsen, müssen die Mitmieter diese Störungen in der Regel hinnehmen. AG Frankfurt AZ: 33 C 3943/04-13; AG Berlin-Wedding, AZ: 6a C 228/01 

 

• Das Fahren mit Roller-Skates in der Wohnung muss von den Mitmietern aber nicht geduldet werden. Amtsgericht Celle, AZ: 11 C 1768/01 

 

• Geschrei und Quietschen von Kindern im Alter von eineinhalb oder zwei Jahren, bevor sie das Haus morgens verlassen, muss hingenommen werden. LG München, AZ: I 31 S 20796/04 

 

• Kindergeschrei von einem nahegelegenen Kinderspielplatz ist kein Grund für eine Mietminderung. AG Frankfurt/M., AZ: 33 C 2368/08-50 

 

• Das gilt auch für die außerschulische Nutzung eines Schulhofs als Kinderspielplatz. Bay. VGH, AZ: 22 ZB 07.613 

 

• Auf Bolzplätzen gilt das Rücksichtnahmegebot. Wird es vor allem nachts nicht berücksichtigt, kann der Bolzplatz geschlossen werden. VG Berlin, AZ: 10 A 239.05 

 

• Frösche stehen unter Naturschutz. Lautes Gequake im Gartenteich muss hingenommen werden. Aber: Bei übermäßiger Lärmbelästigung kann die Naturschutzbehörde anordnen, dass der Teich trockenzulegen bzw. die Frösche zu entfernen sind. BGH WuM 93,127; VGH München NJ 99, 2914 

 

Und die Moral von der Geschicht:

Ob Kevins Bässe dröhnen oder Der Nachbar sich mit Frauchen verlustiert, versuch einfach, mit ihm zu reden – da es sonst den Richter interessiert.

Nr. 281 vom 11. Juni 2025, Seite 11

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