Dominant wie die NBA

Im Finale der Champions League bewiesen die Bundesligisten SCM und Füchse Berlin, dass deutsche Klubs derzeit die Weltspitze im Vereinshandball bestimmen. | Von Rudi Bartlitz

Bilder, die ewig im Gedächtnis haften bleiben werden: Die SCM-Handballer bejubeln auf dem Rathausbalkon vor Tausenden Fans ihren dritten Triumph in der Champions League. (Foto: Peter Gercke)

Im ebenso heiß gefeierten wie verständlichen Jubel über den dritten Champions-League-Triumph des SC Magdeburg ging zu Füßen des Kölner Doms etwas ein wenig unter: die Dominanz, die der deutsche Vereins-Handball in Europa – und damit gleichzusetzen: in der Welt – inzwischen erreicht hat. Mit zwei Klubs (von vier) war die höchste deutsche Spielklasse im Finalturnier vertreten, am Ende distanzierten sie die Konkurrenz aus Frankreich und Spanien. Damit bekräftigte die Bundesliga nachdrücklich ihren selbst geprägten Anspruch, stärkste Liga der Welt zu sein. Dass diese deutsche Vorherrschaft kein Zufall ist, wurde am Rande des rheinischen Events eifrig diskutiert, hatten doch schon drei Wochen zuvor drei hiesige Klubs (Flensburg, Kiel, Melsungen) die Hamburger Endrunde der European League bestimmt.

 

Wenn nicht alle Parameter trügen, setzt sich gerade ein Trend durch. Mit breiteren Kadern, mehr Geld und anderen Kennziffern (u. a. individuelle medizinische Versorgung) haben es Kiel, Magdeburg und nun Berlin vollbracht, die Bundesliga nach einer Durststrecke wieder nachhaltig auf der Champions-League-Landkarte zu platzieren – außer 2021 gab es immer mindestens einen Liga-Vertreter in Köln. In den zurückliegenden fünf Jahren stehen drei deutsche (zwei Mal SCM, einmal Kiel) und zwei spanische Erfolge (FC Barcelona) in der Ehrenliste. Zum neunten Mal seit der Einführung des Wettbewerbs vor 32 Jahren kommt der Gewinner aus Deutschland.

 

„Wie im Basketball die NBA ist es die Bundesliga, die alles dominiert“, befand Füchse-Manager Bob Hanning. Es habe „damit zu tun, dass Deutschland natürlich ein Handballland ist, dass du die meisten Zuschauer in der Halle hast, dass die weltbesten Handballer im überwiegenden Maße in dieser Liga spielen.“ Es hätten sechs Mannschaften deutscher Meister werden können – diese Dichte und jede Woche gefordert zu werden, das mache diesen „ganz großen Unterschied“ aus. Seine Katalanen, sagte Barcelona-Trainer Carlos Ortega in Köln, seien Leidtragende eines ungleichen Wettbewerbs. „Sie (die Bundesligisten, d. Red.) haben jedes Wochenende harte Matches. Das haben wir nicht.“

 

Und so bleiben jetzt, natürlich von der Gastgeberseite forciert, die Forderungen an den europäischen Verband nicht aus, für die Champions-League einen dritten deutschen Teilnehmer zuzulassen. Oder bescheidener formuliert: zumindest darüber nachzudenken. Und, oh Wunder, den Wunsch, unter anderem vorgetragen von SCM-Trainer Bennet Wiegert, nach einem dritten deutschen Champions-League-Startplatz griff der EHF-Präsident Michael Wiederer jetzt auf: „Ich kann ihm Hoffnung machen, denn wir prüfen genau diese Frage im Rahmen möglicher Änderungen des Spielsystems.“

 

„Erfolg macht sexy“, befand die „Frankfurter Allgemeine“ in ihrer Turnier-Bilanz. Gerade Berlin und Magdeburg seien hochattraktive Adressen für europäische Spitzenspieler geworden. Weil die Liga reizt: Wen man in Köln auch fragte, die Stimmung in Wetzlar, Lemgo oder in Mannheim preisen Profis wie der Magdeburger Schwede Felix Claar: „Nur in Deutschland wird Handball so gelebt und bekommt so viel Beachtung. Du kannst an keinem Wochenende nachlassen.“

 

Richtig, das kann ein SCM nicht. Der ist hart gefordert, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Deshalb kommt jetzt die Ruhe nach dem Köln-Triumph wie gerufen. „Es ist nach dem Olympiazyklus enorm wichtig für die Spieler, endlich mal Pause zu machen“, sagte Wiegert, „sie sind alle drei Tage marschiert und brauchen jetzt ganz viel Abstand von mir. Ich werde sie laufen lassen.“ Vier Wochen kein Handball, stattdessen Urlaub. Zeit, die Wunden zu lecken: Sieben verletzte Stammspieler, davon sechs mit Operationen, fielen im Verlauf der Serie aus. Dazu kam das Attentat auf den Weihnachtsmarkt im Dezember.

 

Trotzdem, in der Saison griff ein Rad ins andere, wie man es von Wiegerts Team seit 2021 gewohnt ist – neun große Titel hat der SCM seitdem geholt. Am Team der Zukunft wird schon seit Monaten gebastelt, wobei der SCM eher in den Strukturen wachsen will und muss. Wer Wiegert nach dem ungefährdeten 32:26-Finalsieg gegen die Füchse sah, erst kniend auf den Boden des Parketts trommelnd, dann kurz vor der Krönung dieser Saison mit der Pokalübergabe einen wilden Tanz auf der Bühne der Sieger aufführend – der konnte ermessen, wieviel Druck da abfiel, den diese Spielzeit hinterlassen hat. Ein Satz von ihm sagt alles: „Ab Dienstag bin ich für niemanden mehr erreichbar.“

 

Endgültig voller Geigen wird der deutsche Handball-Himmel aber wohl erst dann hängen, wenn auch das schwarz-rot-goldene Nationalteam wieder ständig im Konzert der ganz Großen ganz vorn mitspielt. Ein – durchaus spürbarer – Abstand zu den Dänen und Franzosen ist derzeit kaum zu übersehen. Selbst Silber bei Olympia in Paris vermag darüber nicht hinwegtäuschen.  Aber vielleicht ließe sich ja aus Spielern im Magdeburger und Berliner Trikot eine verheißungsvolle Mannschaft der Zukunft basteln. Zumal die alten Diskussionen über einen (späteren) Bundestrainer Bennet Wiegert nach dem Champions-League-Gewinn des SCM nicht gerade im Keim erstickt worden sind.

Nr. 282 vom 25. Juni 2025, Seite 30

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