Im Tal der Ratlosen

Nach einem desaströsen 0:4 daheim gegen Elversberg verharrt der 1. FC Magdeburg in der zweiten Fußball-Bundesliga auf dem letzten Tabellenplatz. | Von Rudi Bartlitz

Markus Fiedlers skeptischer Blick auf die Uhr: Ist die Zeit schon abgelaufen? Foto: Peter Gercke
Dieser 5. Oktober 2025 wird irgendwann einmal in die FCM-Annalen eingehen. Allerdings wohl kaum auf den Gute-Taten-Seiten, die zuletzt bei den Vereinsjubiläen so oft strapaziert wurden. Nein, eher dort, wo die bösen Geschichten niedergeschrieben werden. Denn das 0:4 daheim gegen die SV Elversberg markierte einen neuen Tiefpunkt in der Klubgeschichte. Zumindest, was den bezahlten Fußball angeht. Einen Tiefpunkt, den sich die riesige Fan-Gemeinschaft noch vor wenigen Monaten – als der Club fast am Bundesliga-Aufstieg gekratzt hatte – selbst in ihren schlimmsten Träumen nicht hätte vorstellen können.
 
Zahlen sind zwar nicht alles. Im Fußball, wo keine Punkte für guten Willen, künstlerischen Ausdruck oder anderweitige subjektive Kriterien vergeben werden, sind sie jedoch DIE Kennziffer, an der sich die Geister scheiden. Um hier einmal den Standardbegriff vom „Ergebnissport“ zu vermeiden. Bleiben wir also zunächst einmal bei reinen Fakten. Punkt 1: Mit mageren drei Punkten (und dem schlechtesten Torverhältnis von minus 12) ist man Tabellenletzter. Punkt 2: Zu Hause hagelte es für die Truppe von Cheftrainer Markus Fiedler bisher nur Niederlagen. Punkt 3: Die letzten sechs Spiele in Folge verließen die Blau-Weißen den Platz als Verlierer, verzeichneten dabei ein Torverhältnis von 5:17. Punkt 4: In den letzten vier Begegnungen – da kommen inklusive Nachspielzeit schlappe 360 Minuten zusammen – blieb man sogar völlig ohne eigenen Treffer. Das sind, wie gesagt, keine Zahlen, die vom Milchmädchen-Rechnungshof stammen. „Das ist“, merkte ein Fan beim Abgang völlig emotionslos an, „die Bilanz eines Absteigers“.
 
Wie nun weiter? Das ist zwar nicht die berühmte Eine-Million-Dollar-Frage, am späten Sonntagnachmittag in der Avnet-Arena war es aber das Thema schlechthin. In den Katakomben jedenfalls war nach der Partie die Ratlosigkeit mit Händen zu greifen. Abwehr-Stratege Jean Hugonet mit starrem Gesicht: „Ich weiß es nicht, ich bin ratlos. Wir spielen 15 Minuten ordentlich, dann geht nichts mehr. Das war bodenlos.“ Kaum anders die Reaktion von Coach Fiedler, der niedergeschlagen „von einem gebrauchten Tag“ sprach, „der wehtut“. Von Momenten, „die uns alle ratlos machen“.
 
Sicher ist es noch zu früh, ein endgültiges Urteil über den Kader abgeben zu können. Aber eines lässt sich, nachdem fast ein Viertel der Saison absolviert ist, sicher festhalten: Der Kader hat erheblich an Substanz verloren. Das hat zum einen zu tun mit dem Abgang der dominanten Offensivkräfte Martijn Kaars, Mo El-Hankouri und Livan Burcu, die allein für 49 Scorerpunkte sorgten. Zum anderen ist unübersehbar, dass Stammkräfte wie Baris Atik, Jean Hugonet und Marcus Mathisen derzeit ihrer Form hinterherlaufen. Sagen wir es offen: Es fehlt insgesamt einfach an Qualität.
 
Dazu gehört, es gibt zu wenige Akteure, die ein Spiel tragen können – und zu viele, die getragen werden müssen. Spieler, die nicht per se für Zweitliga-Klasse stehen, und die die Phantasie auch nicht wecken. Weil sie zwar zuweilen (relativ) ordentlich agieren, aber nicht gut genug, um die Konstellation um sie herum besser zu machen. Das Risiko einer negativen Kettenreaktion spielt dann immer mit.
 
Ob die mangelhafte Offensive (siehe obige Tor-Bilanz) an Fiedlers Coaching oder doch eher an den Stürmern selbst und damit am Scouting von Sportdirektor Otmar Schork liegt, werden der Trainer und der Sportdirektor möglicherweise unterschiedlich beantworten. Fest steht, am Ende zählen nur die Ergebnisse. Verrückt: Der 1. FC Magdeburg besitzt im Herbst 2025 jede Menge Spieler in seinem Profikader, darunter derzeit aber nicht einen zuverlässig funktionierenden Mittelstürmer. Eine denkbar schlechte Ausgangslage, um dem Tabellenende zu entfliehen.
 
Bleiben wir noch einen Augenblick bei der Kadergröße. Sie umfasst sage und schreibe 36 Aktive. Damit ist der FCM, laut Portal Transfermarkt, das Team mit den meisten Lizenzspielern im gesamten deutschen Profifußball! Und ist damit, ließe sich sarkastisch anmerken, zumindest da Spitze. Beispiele gefällig? Dortmund und Frankfurt haben 28 Mann im Kader, Leipzig 29, Stuttgart 32. Das sind wohlgemerkt fast alles Mannschaften, die zudem viele Nationalspieler abstellen und im Europacup aktiv sind. Und die großen Bayern? Die begnügen sich mit 25 Spielern – da sind vier Torhüter bereits einberechnet.
 
Bliebe noch die heikle Trainerfrage, die so manchen Beobachter am Sonntag umtrieb. Noch halten sie in Magdeburg (das galt bis Redaktionsschluss Montagmorgen) offiziell die Füße still. Wie es mit ihm weitergehe, wisse er nicht, sagte Fiedler in der ARD-Sportschau. Legt man allein Zahlen zugrunde, kann er mit den dürftigen 0,37 Punkten pro Spiel allerdings kein großes Pfund für sich in die Waagschale werfen.

Nr. 289 vom 8. Oktober 2025, Seite 32

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