Standpunkt Breiter Weg: Die Regierung macht mir Angst

In den höchsten Regierungskreisen kursiert die Angst vor den Russen. Es vergeht kaum ein Tag, dass nicht Drohnen-Provokationen, Luftraumverletzungen und damit eine Gefahr beschworen wird, die vom Moskauer Zaren Wladirmir I. ausgeht. Das Wort Kriegstüchtigkeit schwingt dabei immer wieder mit. Inzwischen ist man vorsichtiger geworden und spricht häufiger von Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft. Es ist egal, welches Wort mit Waffen- oder gar Kriegsbezug in den Mund genommen wird. Was wirklich wächst, ist die Angst im Volk, weiter in einen Konflikt mit Russland hineingezogen zu werden oder gar in die Eskalation, die in Waffengewalt münden könnte. 

 

Man scheint in Berlin wenig über das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung zu wissen. Auf jeden Fall klingen alle Rufe nach Aufrüstung, Wehrdienstpflicht und Verteidigungsbereitschaft wie ein Zündeln mit dem Feuer. Indes zeigen uns die Ukrainer seit bald drei Jahren, dass sie sich von Russlands Militärmacht nicht so einfach überrollen lassen. Zugegeben, sehr wahrscheinlich nur durch die westliche Unterstützung. Doch warum trommelt man im NATO-Bündnis derart viel mit der russischen Bedrohung? Ich, als Otto-Normal-Bürger kann das nicht verstehen. Nun ist mir der Ausspruch von Gustav von Rochow bekannt: „Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.“ Jedenfalls fühlt man sich in den Niederungen des gemeinen Volkes durch Regierungshöhen wie durch von Rochow herabgesetzt, und das in Zeiten von Sprach-Sensibilität und Moral-Gefasel.

 

Man teile der Friedensverteidiger-Obrigkeit im Wettrüsten mit, dass ihre Untertanen das eigene Verteidigungsvermögen infrage stellen – für welches militärische Bedrohungsszenario auch immer. Bei psychischen Störungen unter Kindern und Jugendlichen erreichen wir von Jahr zu Jahr Rekordzahlen. In der Erwachsenenpopulation übrigens ebenfalls. Wir haben das Recht auf Änderung des Geschlechtseintrags beim Standesamt auf den Weg gebracht. Wir hängen an Wörter Sternchen, Doppelpunkte und anderes an, damit sich jeder irgendwie mitgenannt fühlt. Ich bin gespannt, wie sich die Sprachgerechtigkeit in der Befehlskette durchsetzt, damit sich Soldatinnen angesprochen fühlen. Für die geforderte Kriegs- oder Verteidigungstüchtigkeit wird auch die Einführung von mehr Teilzeitmodellen kaum hilfreich sein. Insofern kommt mir das verbale Waffenrasseln vor, als wären wir über 100 Jahre zurückversetzt. Also wenn hierzulande schon Angst vor einem Krieg mit Russland herrscht, müsste es die vor der eigenen Ohnmacht sein und die vor dem Zustand, in den wir uns in ständigen Weltverbesserungspredigten hineinmanövriert haben.

 

Die Angst vor den Russen wird geschürt, anstatt die vorm eigenen Unvermögen. Putin ist kein Waisenknabe und sitzt am Drücker von Atomwaffen. Ja, davor darf man Angst haben. Doch die Berliner Angsterzählungen über die einseitigen Ursachen des Konflikts und das Ausblenden der Unfähigkeit Deutschlands, kriegstüchtig zu werden – das macht mir am meisten Angst.

Nr. 289 vom 8. Oktober 2025, Seite 2

Veranstaltungen im mach|werk

Edit Template

Über uns

KOMPAKT MEDIA als Printmedium mit über 30.000 Exemplaren sowie Magazinen, Büchern, Kalendern, Online-Seiten und Social Media. Monatlich erreichen wir mit unseren verbreiteten Inhalten in den zweimal pro Monat erscheinenden Zeitungen sowie mit der Reichweite unserer Internet-Kanäle mehr als 420.000 Nutzer.