Vom Schuhkarton ins Stadtgedächtnis
Zwischen vergilbten Briefen, alten Fotos und kuriosen Sammlerstücken schlägt das Herz des Bürgerarchivs Magdeburg.
Manchmal sind es die unscheinbaren Dinge, die den größten Wert haben: eine vergilbte Postkarte aus den 30ern, ein handgeschriebenes Rezeptbuch, ein altes Meisterdiplom. Für den einen Kram von gestern – für andere ein Stück Stadtgeschichte. Damit solche Alltagszeugnisse nicht im Vergessen verschwinden, gibt es das Bürgerarchiv Magdeburg. Gegründet als kleine Arbeitsgemeinschaft, ist es heute ein eingetragener Verein – mit Burckhard Dienemann an der Spitze, einem leidenschaftlichen Sammler und Bewahrer. Sein Ziel: Erinnerungen und Zeugnisse aus dem Leben der Magdeburgerinnen und Magdeburger vor dem Verschwinden zu retten.
Die gesammelten Schätze brauchen Platz – und den hat das Bürgerarchiv gefunden. Mit Unterstützung der WOBAU und weiterer Partner konnte ein geeigneter Raum angemietet werden, in dem Dokumente, Fotos, Briefe und andere Fundstücke sicher aufbewahrt werden. Ohne diese Hilfe müssten viele wertvolle Stücke wohl immer noch in privaten Kisten lagern.
Das Bürgerarchiv konzentriert sich nicht auf „Prunkstücke“ der Stadtgeschichte – dafür ist das Stadtarchiv zuständig – sondern auf die Geschichten von „Lieschen Müller“ und „Otto Normalbürger“. Es sind die Dinge des Alltags, die ein lebendiges Bild der Vergangenheit zeichnen: Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg, eine große Bildermappe mit Stadtansichten, Tagebücher in Sütterlinschrift, alte Straßenbahnfahrpläne oder persönliche Lebensgeschichten mit Fotos.
Wenn ein Fundstück für Forschung und Wissenschaft von Interesse ist, wird es gezielt weitergegeben – etwa an Museen, Archive oder Universitäten. So finden manche Schätze ihren Platz in einer wissenschaftlichen Arbeit, einer historischen Studie. Oder sie könnten – bei Einverständnis – künftig auch in einer Ausstellung gezeigt werden.
Rund zehn aktive Mitglieder halten das Bürgerarchiv am Laufen – aber es gibt mehr Arbeit als Hände. Besonders gefragt sind Menschen, die alte Handschriften wie Sütterlin lesen und übertragen können. „Das kann man auch wunderbar zu Hause machen und es ist eine riesige Hilfe“, erklärt Dienemann.
Ebenso wichtig: Technikaffine Helfer innen und Helfer, die bei der Digitalisierung der Bestände mit anpacken, und jemand, der eine ansprechende Internetpräsenz aufbauen und pflegen kann. Dazu kommt jede helfende Hand, die Freude am Sortieren, Archivieren oder einfach am Mitdenken hat.
Wer also beim Aufräumen auf alte Briefe, Fotos oder Dokumente stößt oder Lust hat, Teil einer kleinen, engagierten Gemeinschaft zu werden, sollte sich beim Bürgerarchiv Magdeburg melden. So bleibt ein Stück Magdeburger Geschichte lebendig – für alle, die heute neugierig sind, und für jene, die morgen zurückblicken wollen.
Nr. 289 vom 8. Oktober 2025, Seite 19
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