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Römers Reich:
Altersselbstbestimmung

Axel Römer

Wie man sich fühlt und wie sich die Außenwelt der gefühlten Innenwelt von Menschen gegenüber angemessen verhalten sollte, steht heute oft im Mittelpunkt des Lebens. Zwar weiß ich oft nicht, was ich bei anderen für Gefühle auslöse, aber ich muss trotzdem darauf Rücksicht nehmen. 

 

Grundsätzlich sollte die Empathie von uns stets darauf ausgerichtet sein, andere nicht zu verletzen. Es ist dennoch schwierig, diesbezüglich immer alles richtig zu machen. Benutzt man ein Wort, das bei anderen ungute Gefühle auslöst oder eben gar Verletzungen, sollten die Möglichkeiten von Kommunikation für Verständigung sorgen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Verständigungsversuche immer öfter ins Leere laufen. Die LGBTQ+-Community wartet händeringend auf das Selbstbestimmungsgesetz aus dem Bundestag. Eine Verabschiedung wird nach der Sommerpause erwartet. Durch die neuen Regelungen können Menschen die gefühlte sexuelle Identität beim Standesamt durch Änderung des Geschlechtseintrages anzeigen.


Wir wissen, dass Differenzen zwischen biologischen Merkmalen und einer davon abweichenden Gefühlsidentität psychisch schmerzvoll sein können. Ob die amtliche Dokumentation eine magische Erleichterung verschafft, bleibt fraglich. Probleme mit Außenstehenden sind damit oft nicht gelöst. Länder, die eine solche Gesetzgebung bereits verabschiedet hatten, haben negative Erfahrung machen müssen. Z. B., dass sich Menschen als Frauen titulieren und dann in Schutzzonen für Frauen Einlass erhalten. Aber ich möchte über meine eigene Zerrissenheit berichten: Auf meiner Geburtsurkunde ist ein Datum vermerkt, sogar eine Uhrzeit, wann ich den Körper meiner Mutter verlassen hatte, um mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Nun weiß ich nicht, wie ich den Zeitpunkt meiner Geburt richtig fassen kann. Durch die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit und umgekehrt, ändert sich zweimal jährlich ganz willkürlich konstruiert mein reales Alter. Was ist ein reales Alter? Häufig fühle ich mich jünger, als dass die Zuschreibung per Urkunde ausdrücken kann. 

 

Permanent entwickle ich dazu Unruhezustände. Niemand nimmt darauf Rücksicht, dass ich mit dem mir zugeschriebenen und meinem gefühlten Alter nicht im Einklang bin. Wenn mir ein Arzt mitteilt, dass eine Beeinträchtigung altersgerecht sei, fühle ich mich echt mies. Und wer setzt sich dafür ein, dass gegen die wachsende Altersdiskriminierung vorgegangen wird?  Deshalb plädiere ich für eine Ausweitung der Selbstbestimmungsmöglichkeiten. Es ist meinen Gefühlen gegenüber nur angemessen, wenn ich einmal pro Jahr mein Geburtsdatum beim Standesamt meinem gefühlten Zustand anpassen könnte. Ich weiß, dass es vielen Menschen so geht. Zeit wird auf rein menschliche Vorstellung hin gemessen und das jeweilige Geburtsjahr ist eine willkürliche Angabe. Wer sich wirklich älter fühlt und den Leistungsansprüchen der Arbeit nicht mehr genügt, könnte sich schneller ins Rentenalter versetzen. Ich finde, das wäre ein gutes und sehr gerechtes Gesetz.

Seite 3, Kompakt Zeitung Nr. 236

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