Ein neuer SES-Krieger?

Ein neuer SES-Krieger? Rudi Bartlitz Mit Artur Reis könnte ein weiterer Stern am hiesigen Boxhimmel aufsteigen. Anfang Oktober greift er bei seiner Premiere für das Magdeburger Team gleich nach einem Weltmeister-Gürtel. Kompakt Zeitung Als Artur Reis Ende 2022 von einem Box-Portal nach seinen Wünschen für das kommende Jahr gefragt wurde, antwortete er selbstbewusst: „Einen Titelkampf.“ Nun kann im Boxen, wo mit dem Wort Titelkampf ziemlich großzügig umgegangen wird, darunter vieles verstanden werden. Einen Fight um einen anerkannten Weltmeister-Gürtel hatte der Mann aus Wolfsburg dabei garantiert nicht im Sinn. Zumindest nicht ernsthaft. Und einen vertraglich gebundenen Promoter, der das alles im Hintergrund regelt, wusste er zudem eben so wenig an seiner Seite. Aber genauso, zum WM-Fight nämlich, kommt es jetzt.   Anfang Oktober trifft der 30-Jährige in Magdeburg auf den Kubaner Osleys Iglesias. Da geht es um die Krone im Supermittelgewicht des Weltverbandes IBO. Der Mann aus der Karibik ist der Titelverteidiger. Bei der IBO handelt es sich um eine Box-Organisation, die gleich hinter den „Großen Vier“ des Faustkampfes (WBA, WBC, WBO, IBF) angesiedelt ist. IBO-Gürtel hielten immerhin schon solche Ring-Heroen wie Willie Ball, Rick Thornberry, Karl Willis, Eddie White und Mads Larsen. Um Kleingeld geht es da also nicht.   Es kommt noch schöner: Dieser 7. Oktober im Maritim-Hotel der Landeshauptstadt hält für Reis gleich eine doppelte Premiere bereit. Neben dem ersten WM-Kampf im Boxring gibt er auch sein Debüt für die Farben des Magdeburger SES-Teams. Erst vor kurzem unterzeichnete er einen Vertrag bei den Magdeburgern. Dessen Chef Ulf Steinforth sagt: „Artur boxt jetzt unter der SES-Flagge, weil er in seinen letzten Kämpfen aufgezeigt hat, welch Potenzial in ihm steckt.“   An ein Potenzial, das ihn beim neuen Arbeitgeber auf Anhieb für einen WM-Kampf qualifizierte, war freilich zunächst nicht zu denken. Es stimmt zwar, dass der Junge, der mit sechs Monaten mit seinen Eltern aus dem sibirischen Nowosibirsk nach Deutschland übersiedelte, schon früh ein Faible für Kampfsportarten entwickelte. Wie übrigens andere klangvolle Namen aus dem SES-Stall auch, die in den Nachfolge-Staaten der UdSSR geboren wurden und später nach Deutschland kamen: Robert Stieglitz, Adam Deines, Roman Fress. Beim neuen Jung-Star Michael Eifert, der sich in diesem Jahr das Recht aus einen WM-Kampf im Halbschwergewicht erboxte, stammen die Eltern aus Russland.   „In Wolfsburg beim AKBC gab es Kickboxen und Boxen parallel“, erzählt Reis. „Mein Trainer hat mich damals gefragt: Kannste kicken. Da habe ich gesagt: Denke schon.“ Die erste Kickboxmeisterschaft stand gleich nach einer Woche an. „Im Kickboxen ging es für mich sofort steil aufwärts. Bei den Profis wurde ich dreimal Weltmeister. Bei den Amateuren war ich Vizeweltmeister. Das lief für mich lange parallel. Damals bin ich beispielsweise nur einen Tag nach der Kickbox-Weltmeisterschaft bei den deutschen Meisterschaften der Elite im Boxen angetreten.“ Eigentlich wollte der Mann, der 98 Gefechte bei den Amateuren zu Buche stehen hat, schon immer Profiboxer werden. „Aber die Verhandlungen mit einem Promoter zogen sich zu lange hin. Dann habe ich sogar einmal fünf MMA-Kämpfe (Mixed Martial Arts, eine Vollkontakt-Sportart, d. Red.) gemacht.“   Seit nunmehr fünf Jahren verdient er sein Geld als Profi zwischen den Seilen. Elf Gefechte hat er, den das Fachportal „boxrec“ als Nummer zwei in Deutschland im Supermittelgewicht ausweist, bisher bestritten. In keinem verließ er den Ring als Verlierer. 72 Prozent der Duelle beendete er sogar vorzeitig. Und trotzdem: Der WM-Kampf in Magdeburg muss ihm vorkommen wie ein Neustart – in eine andere Welt. Hießen die Wettkampforte bisher beispielsweise Eisstadion Braunlage, Boxmühle Gifhorn oder Berufsschule Schönebeck, ist es diesmal das Maritim Hotel Magdeburg, für SES-Chef Steinforth vom Ambiente her so etwas wie das „deutsche Las Vegas“.   Mit dem in Berlin lebenden Kubaner Olseys Iglesias erwartet ihn dort allerdings auch ein Gegner von anderer, neuer Qualität. Der 25-Jährige ist noch ungeschlagen. Er wird vom einstigen Uli-Wegner-Co Georg Bramowski trainiert und hatte sich den WM-Titel, den er jetzt erstmals verteidigt, im Dezember 2022 im polnischen Gliwice gegen den Ukrainer Andrii Velikovskyi geholt. Dennoch ist Reis von sich überzeugt: „Ich will beweisen, dass ich zur Weltspitze gehöre. Meinen ersten Aufritt unter SES-Flagge will ich natürlich gleich mit einem Sieg und dem WM-Gürtel krönen!“   Da auch Iglesias nicht als Kuschelbär daherkommt (K.o.-Quote: 87,5 Prozent), dürfte es kaum ein Duell jener Art werden, das nach dem Motto verläuft, das einst Trainer-Legende Wegner in einem Gefecht für seinen Schützling Sven Ottke vorgegeben hatte: „Tu doch nur so, als ob du schlägst!“ Auf die Frage, wie er denn seinen Schützling in den verbleibenden Wochen vorbereiten werde, um die zwölf Runden gut zu überstehen, entgegnete SES-Trainer Dirk Dzemski, der Reis seit längerem betreut, lapidar: „Artur ist ein Krieger und kann Gegner boxerisch brechen. Der Kampf wird nicht über 12 Runden gehen.“   SES-Kompakt Der Magdeburger SES-Boxstall wurde am 16. März 2000 ins Leben gerufen. Es war seinerzeit der erste Profi-Boxstall in Deutschland. Die erste eigene Gala fand einen Monat nach der Gründung in Dessau statt. Inzwischen hat das von Promoter Ulf Steinforth geleitete mittelständische Unternehmen (mit einem Jahresumsatz im unteren einstelligen Euro-Millionenbereich) 165 Veranstaltungen in Deutschland, Tschechien, Slowenien, Russland, Albanien und den USA organisiert; oder war als Co-Partner engagiert. Dem SES-Team gehören derzeit gut ein Dutzend Boxer an. Weltmeister wie Robert Stieglitz, Lukas Konecny, Jan Zaveck, Natascha Ragosina und Dominic Bösel trugen den Ruf der Magdeburger in die Welt. Europameistertitel konnten sich Agit Kabayel, Dominic Bösel, Robin Krasniqi, Stefan Härtel und Nina Meinke sichern. Seite 37, Kompakt Zeitung Nr. 240

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