Plötzlich Herbstgedanken
Plötzlich Herbstgedanken Thomas Wischnewski Kompakt Zeitung Herbstgefühl Fetter grüne, du Laub,Am RebengeländerHier mein Fenster herauf!Gedrängter quellet,Zwillingsbeeren, und reifetSchneller und glänzend voller!Euch brütet der Mutter SonneScheideblick; euch umsäuseltDes holden HimmelsFruchtende Fülle;Euch kühlet des MondesFreundlicher Zauberhauch,Und euch betauen, ach!Aus diesen AugenDer ewig belebenden LiebeVollschwellende Tränen. Johann Wolfgang von Goethe Es wird der Herbst so schön besungen, wie beispielsweise im voranstehenden Goethe-Gedicht. Jeder Jahreszeit wohnt im Beginn ein Zauber inne. So auch jetzt, da das Laub die Farbe wechselt. Zugleich wachsen die Tage mehr ins Grau. Mancherorts ist unter Zeltdächern ein großes Tamtam zu hören und Humpen mit Bier werden herumgereicht. In der aufgespielten Herbstfröhlichkeit wird der Sommer ertränkt. Was kommt nach dem Taumel auf Heimwegen? Mäuler zerfetzen sich nicht weniger als zur Sommerzeit. Die da oben sollen die Tage leicht machen, doch die kleiden Unsicherheit in politische Nebelschwaden. Nebel gehört ebenso in den Herbst. Stürme und Regen peitschen Trübsinn vor sich her. Auf Straßen klebt dennoch die Zukunft, die angeblich keine hat. Vor Zeiten sollen Menschen angepackt haben, wenn sie etwas erreichen wollten. Heute haben wir mehr Arbeitsteilung, bei der kaum sichtbar wird, welches Gerede zum Handeln führt. Baut Schienen, fahrt Busse in entlegene Landstriche, damit Autos zum Stehen kommen, gegen die in Verzweiflung Farbbeutel geworfen werden. Im Sitzen aus Ohnmacht soll eine Revolution werden? Die Straßen der Stadt, auf denen bald das gelb-braune Herbstlaub klebt, werden nicht dafür herhalten, dass der Oktober zur Verkehrswende wird, wie einst im roten Monat Mauern fielen. Jeder Herbst ist anders. Jedem gebührt ein eigenes Lied. Die letzte Generation verspricht Tod und Trübsinn. Im November kommt beides sowieso. Die Weißhaarigen schütteln die Häupter, andere klatschen zum Kleben. Niemand ändert etwas. Das Klima ändert sich, vor allem in der digitalen Welt. In Bits und Bytes verbreitet sich das Geschrei. Man kennt und begegnet sich nicht und glaubt dennoch genau zu wissen, wer der jeweils andere sei. „Sex and Drugs and Rock and Roll“ wollten einst Liebe und Frieden über die Welt bringen. Jetzt ist der Flower-Power-Sommer vorbei und der Krieg steht vor der Haustür wie ein frostiger Winter. Liebe, die zwischen Menschen, ist zu Hass mutiert. Gegenseitig reißt man sich die Blätter von der Krone, die keiner mehr trägt. Welches Gedicht würde ein Dichterfürst wohl heute schreiben, wo die Fürsten hierzulande nichts mehr zu sagen haben, aber jeder das Wort schwingt, als gehörte ihm ein Zepter? Der Herbst ist heute anders bunt und Jugendtage fallen bald in den Winterschlaf. Seite 16, Kompakt Zeitung Nr. 241
Die Spektakel-Liga
Die Spektakel-Liga Rudi Bartlitz Das Unterhaus des deutschen Fußballs lässt mit Rekorden aufhorchen. Der 1. FC Magdeburg gilt bisher als eine der großen Überraschungen. Kompakt Zeitung Mit lauten, weithin zu hörenden Schalmeien, einem Halleluja und jeder Menge Vorschusslorbeeren war die 2. Fußball-Liga Ende Juli angetreten. Um all dies zu lobpreisen, griffen deren Auguren tief in ihre Wortschatzkiste. Attraktiver als je zuvor sollte sie werden. Spannender als je zuvor. Spielerisch besser als je zuvor, das sowieso. Mithin, die Jubiläumsauflage der 1974 gegründeten Spielklasse sollte alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Was ist draus geworden? Nachdem ein Fünftel der Spielzeit absolviert ist, vielleicht der rechte Zeitpunkt, sich einmal an einer ersten kleinen Zwischenbilanz zu versuchen. Einige schwergewichtige Argumente, das muss ihnen zugestanden werden, hatten die Euphorie-Befürworter freilich auf ihrer Seite. Noch nie tummeln sich hier so viele Traditionsklubs und Ex-Erstligisten. Der Hamburger SV, Hertha BSC, Schalke 04 – das sind schon Namen mit gehöriger Klangwirkung. Hinzu kommen frühere Bundesligisten und deutsche Meister wie der 1. FC Nürnberg und Eintracht Braunschweig. Weiter: Hannover 96, der Karlsruher SC, Fortuna Düsseldorf, der FC St. Pauli. Ganz Übereifrige postulierten, Liga zwei trete diesmal an, in der Aufmerksamkeit des Publikums sogar die „große“ Bundesliga zu übertreffen. Weil weite Teile des Publikums es satt seien, eine Bayern-Meisterschaft nach der anderen zu erleben. Elf sind es mittlerweile in Folge. Im Unterhaus dagegen, so die Argumentation, gehe es noch richtig zur Sache. Da liegen selbst die größten Experten oft mit ihren Tipps daneben, wer denn aufsteige, wer in die Relegation müsse oder in den sauren Abstiegsapfel zu beißen habe. So wie es zuletzt Arminia Bielefeld erleben musste, als sie von der ersten ohne Aufenthalt und störende Zwischengeräusche geradewegs in die dritte Spielklasse durchrutschte. Hauptargument dabei: die emporschnellenden Zuschauerzahlen. Anders gesagt, die Resonanz bei den Massen. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) verzeichnet in diesem Sommer einen Rekord für die 2. Bundesliga. So wurden 2022/23 insgesamt exakt 6.779.038 Tickets abgesetzt. Das entspricht einem Durchschnittswert von 22.154 Karten pro Partie. Die Steigerung hat nicht nur mit Corona zu tun. Grundsätzlich ist das Interesse am Unterhaus gestiegen, wie sich im Vergleich zu früheren Spielzeiten erschließen lässt. So waren in der Saison 2018/19 noch 5.853.246 Tickets über die Ladentheke gegangen – die größten Zuschauermagneten waren damals der 1. FC Köln, der Hamburger SV und der FC St. Pauli sowie Dynamo Dresden. Wieder lässt der Hamburger SC (909.989 Karten) im Sommer einen Spitzenwert in diese Statistik einfließen. Dahinter folgt der 1. FC Kaiserlautern (678.469 Karten), der vor allem für seine Auswärtsfahrten in der letzten Saison gelobt wurde. Über 500.000 Tickets verkauften auch Hannover 96, der 1. FC Nürnberg und Fortuna Düsseldorf. Wie lange der neue Rekord bestehen bleibt, wird sich zeigen. Schon für die laufende Saison zeichnet sich noch einmal gesteigertes Interesse ab. Zumal mit dem SV Sandhausen, Jahn Regensburg und dem 1. FC Heidenheim gleich drei Klubs die Liga verlassen haben, die im Zuschauerranking die letzten Plätze einnahmen. Hinzu kommen dafür Hertha BSC und der FC Schalke 04, sowie der VfL Osnabrück. Im Gegensatz zur Bundesliga, so analysierte „Sport Bild“, verspreche die 2. Liga mehr „und wird so zur besseren Bundesliga!“ Schon jetzt hätten die Städte mit Unterhaus-Mannschaften „mehr Einwohner als die der 1. Liga.“ Während beispielsweise der 1. FC Magdeburg einen neuen Dauerkarten-Rekord aufstellte, waren beim HSV die letzten zehn Spiele in Folge (also einschließlich der Vorsaison) mit 57.000 Fans ausverkauft. Das in Liga zwei! Das wäre in England Platz fünf im Zuschauerschnitt – vor Liverpool! In Italien und Spanien jeweils Rang vier. Die Weichen für eine spannende Zweitliga-Spielzeit waren also gestellt. Und richtig: Es verging seither kein Spieltag ohne ein Spektakel. Vom öffentlichkeitswirksamen Trouble und (sportlichen) Querelen in den drei vermeintlichen Vorzeige-Klubs HSV, Schalke und Hertha ganz zu schweigen. Die letzten beiden erwiesen sich bis jetzt jedoch als Scheinriesen. „Man hat sich in der 2. Liga längst gemütlich eingerichtet“, merkte dazu Kolumnist Alfred Draxler säuerlich an. „Die Hütte ist voll, die Stimmung prächtig. Man gewinnt häufiger, als man verliert. Und wenn es mit dem Aufstieg wieder nicht klappt, feiert man sich halt selbst.“ Apropos Weichenstellung. Ein Team, das bisher im Stellwerk eifrig mit an den Schaltknöpfen drückt, ist der FCM. Nachdem im Frühsommer vorzeitig der Klassenerhalt gelungen war, ging es nur in eine Richtung: nach oben. Kaum ein Experte weit und breit, der die Blau-Weißen seither nicht als Bereicherung der Liga lobt. Derzeit belegt man Rang sechs, allerdings nur einen Zähler von einem Aufstiegsrang entfernt. Bei aller Anfälligkeit (neun Gegentore in den letzten drei Partien) und Fehlerhaftigkeit in der Defensive, der technisch anspruchsvolle, offensiv ausgerichtete Besitzfußball Titz`scher Art begeistert. „Magdeburg rockt die Liga“, hieß es bei Sky. „Gegen die ist schwer zu spielen, sie haben eine hohe Ballsicherheit“, befand Schalke-Angreifer Sebastian Polter. Seit April wurde nur eine Begegnung verloren. Und wenn es um die Zweitliga-Spektakel ging, die in den letzten Wochen ganz Fußball-Deutschland in ihren Bann zogen und die Emotionen heißlaufen ließen, war der FCM häufig einer der Beteiligten (6:4 gegen Hertha, 3:4 auf Schalke). Bei allen berechtigten Hosianna-Rufen auf die „Zweite“: Es gibt nicht nur Jubelmeldungen. Die mit dem meisten Nachhall und langfristig gefährlichsten sind vielleicht jene, bei denen es um die Finanzen geht. Vor allem um die TV-Gelder. Bis 2025 sind den DFL-Vereinen noch 1,1 Milliarden Euro pro Saison sicher. Aber danach! Branchen-Insider fürchten, dass sich die Summe dann auf eher 800 bis 900 Millionen Euro verringert. Seither sucht die Deutsche Fußball-Liga (DFL), also die Vereinigung der 36 Profiklubs aus den obersten beiden Spielklassen, nach Ersatz. Seit sich im Frühsommer eine DFL-Mehrheit gegen das Engagement eines Mega-Investors aussprach (es ging immerhin um schlappe zwei bis drei Milliarden Euro), hängt der Haussegen schief zwischen Bundesliga-Großklubs und den anderen; darunter viele Zweitligisten. Die Aufkündigung des sogenannten Solidarpakts, der den Zweitligisten 20 Prozent der Gesamterlöse zusichert – obwohl sie nach DFL-Berechnungen nur acht Prozent davon erwirtschaften – steht wie ein Menetekel an die Wand geschrieben. Schon jetzt bekommen es laut „Sport Bild“ viele Unterhaus-Vertreter zu spüren: Wegen geringerer TV-Abschlagszahlungen fehlen den meisten Summen in sechs- bis siebenstelliger Höhe. PS: Der 1. FC Magdeburg
Meter 59: Stahl, Glas und Strom – der neue Radleuchter im Dom
Meter 59: Stahl, Glas und Strom – der neue Radleuchter im Dom Erzählungen aus der gotischen Kathedrale Michael Ronshausen Der neue Radleuchter hängt seit Herbst 2021 im Hohen Chor des Domes. Foto: Peter Gercke Kompakt Zeitung Im Magdeburger Dom eine ordentliche Beleuchtung zu schaffen, war über viele Jahrhunderte eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein waren Kerzen die einzige Lösung des Problems. Sie wurden aus Bienenwachs hergestellt und waren damals schon genauso teuer wie heute. Zeitweilig, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, gab es im Dom eine Gasbeleuchtung. Später hielt der Strom und damit das elektrische Licht Einzug in die Kathedrale. Und obwohl im Dom bis heute viele Kerzen brennen, ist Elektrizität längst das Mittel der ersten Wahl, wenn es in der Kathedrale hell werden soll. Maßgeblich verbessert wurde die Situation jüngst durch den kompletten Neubau der Beleuchtungsanlage im gesamten Kirchenschiff. Das Licht im Dom ist nun sogar dimmbar und entsteht durch LEDs. Neben diesem praktischen Nutzen hat die Domgemeinde aber auch ein – wenn man so will – elektrisches Kunstwerk angeschafft. Zwar waren im Vorfeld dieser Aktion durchaus Zweifel angebracht. Ein hochmoderner, mit elektrischem Licht betriebener Radleuchter zwischen den Mauern des frühgotischen Hohen Chores und unmittelbar über dem Kaisergrab Ottos des Großen – das ist eine Kombination, die man zuallererst gründlich im eigenen Geist bewegen muss. Auch wenn es schwerfällt, muss man zugeben, dass dieses Experiment gelungen ist und sich die dreieinhalb Meter im Querschnitt messende Konstruktion annähernd perfekt in die mittelalterliche Architektur und in die ebenso alte Ausstattung einfügt. Erschaffen wurde das 350 Kilo wiegende Kunstwerk in einer Gemeinschaftsarbeit durch das Schmiede- und Metallbauunternehmen Höhne aus Oberheldrungen, die in Halle/Saale arbeitende Künstlerin Christiane Budig, welche für die Glasgestaltung verantwortlich war, und den Erfurter Innenarchitekten und Designer Albrecht von Kirchbach, der das Gesamtkonzept des Leuchters entwickelt hat. Silvio Höhne, Inhaber des gleichnamigen Unternehmens, bezeichnete den Leuchter als einen einmaligen Auftrag in der bald 200-jährigen Geschichte seiner Firma. Finanziert wurde das Werk durch private Spenden, jedoch auch durch eine höhere Zuwendung des Kaliwerks in Zielitz. Trotz seines modernen Daherkommens folgt der aus Edelstahl bestehende Radleuchter der Aussage seiner historischen, teilweise bis in die Zeit der Romanik zurückreichenden Vorbilder. Er ist ein klassischer Jerusalemleuchter, wobei sein Ring die Stadtmauer mit den zwölf Toren symbolisiert. Innerhalb dieser Ikonographie verweist er sowohl auf das irdische Jerusalem als auch auf das himmlische Paradies als erstrebenswertes Ziel. Seite 9, Kompakt Zeitung Nr. 241
Magdeburger Gesichter: Bescheidener Handelsmann
Magdeburger Gesichter: Bescheidener Handelsmann Sabine Liebscher Kompakt Zeitung Samuel Christian Tripp wurde um 1779 in Magdeburg geboren. Er war Kaufmann, heiratete Anfang des 19. Jahrhunderts Antoinette Marie Charlotte Keilhack und hatte mit ihr mindestens zwei Töchter und einen Sohn. Die jüngere, namentlich bekannte Tochter, Charlotte Luise Tripp (1804–1834), heiratete 1832 standesgemäß den Magdeburger Kaufmann, Brauer und Likörfabrikanten Isaac Bonte (geb. 1800). Nach dem frühen Tod Charlottes vermählte sich Bonte im Jahr 1835 mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Anna Marie Sophie Wilhelmine Tripp. Samuel Christian Tripp hatte seine Materialwarenhandlung, heute würde man Lebensmittelladen sagen, in der Magdeburger Friedrichstadt, Brückstraße 2. Zudem betrieb er eine Branntweinbrennerei, Schmelzerei und Gastwirtschaft mit Ausspanne: Zum weißen Roß am Breiten Weg 3. Samuel Tripp wurde 1817 und 1823 in den jeweiligen Adressbüchern der Stadt Magdeburg als 2. Hauptmann der fünften Compagnie im 1. Bataillon der Bürger-Garde aufgeführt. Im Magdeburger Adressbuch aus dem Jahr 1845 ist er als Senior der Materialwarenhandlung eingetragen und sein Sohn Carl Wilhelm als Junior des Geschäftes. Das genaue Sterbedatum Samuel Christian Tripps ist nicht bekannt. Im Portrait ist Kaufmann Tripp in schlichter Biedermeierkleidung mit kappenartiger Mütze, weißem Schaltuch ohne gebundenen Knoten und einer wuchtigen schwarzen Jacke oder einem ebensolchen Mantel dargestellt. Der neutrale Hintergrund des Porträts und fehlende Attribute zur Person auf dem Brustbild lassen auf einen zurückhaltenden, in Bescheidenheit lebenden Handelsmann schließen. Das Kulturhistorische Museum Magdeburg erinnerte 2021 an Magdeburger Gesichter des 19. Jahrhunderts. Die Porträts der Sonderausstellung sind weiterhin in der Kompakt-Zeitung zu finden. Seite 9, Kompakt Zeitung Nr. 241
„Nicht mal eine Mutkurve“
„Nicht mal eine Mutkurve“ Rudi Bartlitz Dominique Schaak, Sachsen-Anhalts einziger professioneller Automobil-Rennpilot, erlitt auf dem Sachsenring den ersten schweren Unfall seiner Karriere. „Ich werde weiter fahren“, sagt der 33-Jährige. Kompakt Zeitung Und plötzlich ist es doch passiert. Seit 2005 steuert Dominique Schaak superschnelle Boliden über berühmte Asphaltpisten Europas – nie hat er körperlich dabei etwas abbekommen. Klar, die eine oder andere Karambolage gab es schon in der Hitze von Hunderten Gefechten mit der Konkurrenz. Aber selbst blieb der 33-Jährige, Magdeburgs einziger professioneller Automobil-Rennfahrer, von Schäden unversehrt – sieht man einmal von der einen oder anderen leichten Prellung ab. „Manchmal“, hatte er in der Vergangenheit bei Interviews immer gesagt, „kann ich das selbst so recht kaum glauben.“ Das symbolische Klopfen auf Holz gehörte wie selbstverständlich dazu. Bis jener 10. September kam. Es ist früher Nachmittag auf dem Sachsenring, Ostdeutschlands bekanntester Rennstrecke. Der Lauf um die ADAC-GT4-Germany-Meisterschaft geht gerade in die 14. Runde. Der Tacho zeigt, zumindest für den Laien, respekteinflößende 220 km/h an. Schaak befindet sich mit seinem 476 PS starken Mercedes AMG gerade in einer Vollgas-Passage, dem schnellsten Teil der gesamten Strecke. „Wo eigentlich nichts passiert, nichts passieren kann“, wie er im Nachhinein erzählt. In einer leichten Biegung („nicht mal eine Mutkurve“) bricht der Wagen dann doch urplötzlich hinten links weg – Schaak schießt nach rechts, direkt frontal in die Leitplanke. Wird auf die Bahn zurückgeschleudert. Über Funk kann er zwar noch sein Team über den Crash informieren, ehe er kurz das Bewusstsein verliert. All das quasi vor den Augen seiner Verlobten Mandy und Töchterchen Mia, die wie immer an der Strecke dabei sind. Das Rennen wird kurzzeitig unterbrochen. Ein medizinisches Team ist schnell zur Stelle, bringt den Verletzten ins Rettungszentrum am Sachsenring, später ins Krankenhaus nach Chemnitz. „Schwerwiegende körperliche Schäden wurden dort nicht festgestellt“, so Schaak. „Alles im allem habe ich wohl Glück im Unglück.“ Stauchungen und Schwellungen im Hals- und Rückenbereich wurden diagnostiziert. Dazu kam eine leichte Gehirnerschütterung. Er sei „sehr froh“, sagt er im Nachhinein, dass es heute im Automobilsport diese hohen Sicherheitsstandards gebe. Aber was konkret zu dem Unfall geführt habe, was genau passiert ist, das könne er sich bis heute nicht so richtig erklären, rätselt er. „Da laufen die Untersuchungen noch.“ Am ehesten komme ein technischer Fehler am Auto in Frage, auch ein Reifenplatzer sei nicht ausgeschlossen. „Vielleicht habe aber auch ich einen Fehler gemacht. Man sagt ja immer, jeder Rennfahrer hat einen schweren Unfall in seiner Karriere. Jetzt war ich eben dran.“ Zwei Tage hat er es im Krankenhaus ausgehalten – und sich dann selbst entlassen. „Den Rest kriege ich hier in Magdeburg mit meinem Medi-Partner Helios besser in den Griff.“ Drei, vier Tage plagten ihn noch Kopfschmerzen. Inzwischen trainiert Schaak schon wieder leicht. „Ich glaube, es ist am besten, nach solch einem Unfall schnellstmöglich ins Auto zurückzukehren, damit Momente des Zweifels gar nicht erst aufkommen.“ So wie es Skispringer nach einem Sturz so schnell wie möglich wieder auf die Schanze zieht. Eines steht für Schaak felsenfest: „Ich will weiter Rennen fahren. Ich bin jetzt 33, ans Aufhören denke ich mit keiner Faser. Das ist mein Beruf. Wie viele Unfälle, weit schwerere als ich hatte, haben andere, wie beispielsweise Michael Schumacher, in ihrer Karriere erlitten …“ Zumal sowohl sein Team, Eastside-Motorsport aus dem sächsischen Crimmitschau, als auch die Großzahl seiner Sponsoren (Inzwischen sind es stattliche 52, darunter auch diese Zeitung) haben ihm nach dem Crash ihre uneingeschränkte Unterstützung signalisiert. Inzwischen wird schon an Plänen fürs nächste Jahr gebastelt. Unter anderem ist ein Start in der höher dotierten GT3-Serie im Gespräch. Aber noch warten zwei Aufgaben in dieser Saison: „Mitte Oktober steht auf dem Hockenheimring das Saisonfinale in der ADAC GT4 auf dem Programm. Ich möchte das Jahr vernünftig abschließen, auch wenn sportlich sicher nicht mehr allzu viel zu reißen ist.“ Trotz des Unfalls, glaubt er, habe er mit seinem Teamkollegen Phi-lipp Gogollok „insgesamt einen guten Job gemacht“. Viermal sei man in der vielleicht härtesten GT4-Serie der Welt in die Punkte gefahren. Am Ende werde man sicher irgendwo im Mittelfeld landen, prognostiziert er. Auch die Erfüllung eines großen Kindheitswunsches stand in diesem Jahr noch auf dem Programm. „Schon als Jugendlicher, als ich Kart-Rennen gefahren bin, habe ich davon geträumt, einmal in der US-amerikanischen Nascar-Serie mitzumachen“, gesteht er. „Dazu musst du allerdings nach Amerika gehen, haben sie mir damals gesagt. Aber jetzt ist Nascar mit seiner Serie nach Europa gekommen. Und einziger Deutschland-Termin ist meine Heimatstrecke in Oschersleben. Als man mich gefragt hat, ob ich quasi als Lokalmatador mitmachen möchte, habe ich natürlich sofort zugestimmt. Manchmal gehen Träume eben doch in Erfüllung.“ So optimistisch und zuversichtlich sich Schaak alles in allem gibt, ein paar winzige Zweifel, das ist im Gespräch unüberhörbar, sind nicht so einfach wegzuwischen. „Ich muss sicher abwarten“, meint er nachdenklich, „welche Gedanken mir in dem Moment durch den Kopf gehen, wenn ich erstmals wieder den Helm für ein richtiges Rennen aufsetze.“ Seite 28, Kompakt Zeitung Nr. 241
Reise durch zauberhafte Gärten
Reise durch zauberhafte Gärten Mit „Gärten und ihre Gäste“ liegt erstmalig eine interdisziplinäre Analyse vor. Interview von Margit Stark (Saarbrücker Zeitung) mit Prof. Dr. Christian Antz (Deutsches Institut für Tourismuswissenschaft Heide). Prof. Dr. Steffen Wittkowske (Universität Vechta; links) und Prof. Dr. Christian Antz (Deutsches Institut für Tourismusforschung Heide) überreichen den mit dem Deutschen Gartenbuchpreis 2023 ausgezeichneten Band „Gärten und ihre Gäste“ auf der Insel Mainau an Bundesbauministerin Klara Geywitz. Foto: Allgaier Kompakt Zeitung Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Gartenbuch herauszugeben?Christian Antz: Seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich wissenschaftlich und planerisch mit dem Thema Gärten und Parks – ausgehend vom heutigen UNESCO Welterbe „Gartenreich Dessau-Wörlitz“. Und vor genau 25 Jahren hatte ich die Idee zu einem landesweiten Gartennetzwerk historischer Gärten für Sachsen-Anhalt unter dem Namen „Gartenträume“. Und vor 15 Jahren habe ich den bundesweiten Zusammenschluss von Gartenkooperationen „Gartennetz Deutschland“ mitgegründet und den Vorsitz für 5 Jahre übernommen. Aus diesen strategischen Tätigkeiten ist parallel eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Gartentourismus geworden, aus der dieses Buch hervorgegangen ist. Warum sind Gärten und Parks Ihrer Meinung nach Trendsetter der Zukunft? Seit langem sind sie Erholungsort für Leute, die Ruhe, Entspannung in der Natur suchen?Christian Antz: In Zeiten von Krisen in Klima und Wirtschaft, Krieg und Politik, gepaart mit Unsicherheiten aus Globalisierung, Individualisierung und Medialisierung, wo dem Einzelmenschen alles über den Kopf wächst und keine eindeutigen Antworten mehr gefunden werden, wird die Suche nach Geborgenheit zu einem Hauptantrieb des Handelns, auch im Tourismus. Wo früher immer neue Erlebnisse auf Reisen gesucht wurden, geht es in Zukunft um das Finden von Sinn, an einem Ort oder in sich selbst. Und da spielen Gärten eine zentrale Rolle, ob bei der (Um-)Gestaltung von Städten, für die körperliche oder geistige Gesundheit, zum Chillen oder zum Genießen. Sie werden zu Oasen der Selbstfindung und des Krafttankens in Zeiten der Work-Life-Balance. Was machen für Sie einen Garten oder einen Park aus, die besonders geeignet sind, zum Ort der Entschleunigung zu werden?Christian Antz: Für mich sind es oft historische Parks des 19. Jahrhunderts, in denen man sich auf Schlängelwegen ergehen kann und immer wieder neue Aussichten bekommt. Dabei spielen (alte) Bäume, meist in Gruppen stehend, und freie Wiesenflächen im Wechsel eine beruhigende, in die Vergangenheit wie in die Zukunft weisende Rolle. Bei anderen Menschen mögen dies andere Formen des Grüns sein, die sie ansprechen und beruhigen. Wie sehen für Sie der ideale Garten oder der ideale Park aus?Christian Antz: Die Gartengeschichte bietet ein breites und spannendes Spektrum von Gärten und Parks, auch in Deutschland und vor allem in Sachsen-Anhalt. Selbst in den 1910er bis 1930er Jahren wurden noch Parks angelegt, in denen sich Menschen wohlgefühlt und aufgehoben gefühlt haben, auf dem Land und in der Stadt. Dort haben viele heutige Land Art Kunstprojekte angeschlossen. Aber die Nachkriegs- und heutige Generationen haben anscheinend verlernt, menschengerechte Umgebungen von Orten und Städten sowie von Parks zu planen und zu gestalten. Die technischen Worte „Stadtgrün“/„Stadtmöblierung“ sagen schon alles. Es wirkt in Stadt- und Gartenplanung heute vieles verkopft, wie hingestellt, aber nicht verstanden, und schon gar nicht zum Wohl und als natürliche Antwort für die Menschen gemacht. Das sieht man auch schön an den Parks des letzten Weges, den Friedhöfen – oft wie von Technokraten für Technokraten gemacht, sauber und ordentlich, pflegeleicht und geradlinig, aber nicht wohltuend für Geist und Körper. Und das sollte doch das Ziel sein, nicht Waschbeton, sondern Blätterrascheln. Das entspricht unserer Nachkriegsgeschichte und da müssen wir nun wieder im Denken und Handeln raus. Das wird nicht einfach. Sind Sie Gartenliebhaber?Christian Antz: Ja, ich ergehe und erhole mich gerne in großräumigen Parks, nehme Veranstaltungen oder Picknicks wahr, schaue aber auch nur mal in die Ferne oder erfreue mich an Farbe oder Duft von Blüten. Wie sind Sie auf den Titel „Gärten und ihre Gäste“ gekommen?Christian Antz: Ein Titel wie „Gartentourismus“ hätte den Fokus des Buches zu sehr eingeschränkt und wäre auch zu unemotional gewesen. Gärten sind erstens etwas Sinnliches und Sinnstiftendes. Und zweitens geht es um das breite Angebot der Gärten für Gäste und Besucher, während Tourismus doch zu wissenschaftlich abstrakt klingt. Der Titel legt die Vermutung nahe, dass die Besucher unterschiedliche Formen von Gärten oder Park bevorzugen, wie etwa Staudengärten, eine Kombination von Grünflächen und Blumen oder eine aus Büschen, Grünlagen und Teichen. Gibt es bei den Besuchern Favoriten? Christian Antz: Die Gäste in Gärten sind sehr unterschiedlich. Viele suchen Anregungen für ihren eigenen Garten, viele wollen einfach nur entspannen, und viele wollen aktiv in der Natur unterwegs sein. Wasser in Form von Flüssen oder Teichen machen das Angebot nochmals attraktiver. Aber daneben gibt es auch kleine Zielsegmente von Gartenliebhabern, die Spezialthemen oder Privatgärten bevorzugen. Und bei Gartenschauen ist übrigens der Themenbereich Friedhofsgestaltung immer noch das Highlight, ob man es mag oder nicht. „Die Pracht der Gärten hat stets die Liebe zur Natur zur Voraussetzung“, wird Anne Louise Germaine de Staël, Baronin von Staël-Holstein, zitiert. Stimmen Sie dieser Aussage zu?Christian Antz: Natur und Gärten sind zwei Seiten einer Medaille. Natur, im Sinne von unberührt, gibt es in Mitteleuropa nicht mehr, obwohl das viele so noch wahrnehmen. Alles, was wir sehen und begehen, ist von Menschen gestaltete Kulturlandschaft. Und um diese zu erfassen und zu erhalten, bedarf es wie bei den Gärten eines neuen und tieferen Bewusstseins. Die ausgewogene und uns beruhigende Wiesen-, Hecken- und Waldlandschaft unserer Land- und Forstwirtschaft sind beispielsweise schon lange in Gefahr, Bäche sind begradigt, Streuobstwiesen abgestorben, Heckenbereiche gerodet. Bewohner wie Besucher lieben unsere historisch gewachsene Landschaft, wo sie noch erhalten ist, genauso wie unsere umhegten Gärten. Da können wir qualitativ ansetzen, forschen, erhalten, wiederherstellen. Die ländliche Kulturlandschaft wäre in Sachsen-Anhalt unser Heimatgarten – und der wird auch touristisch nachgefragt. In dem Klappentext zu Ihrem Buch heißt es, dass die deutschsprachige Tourismusforschung das Thema der Gartenreise bisher meist stiefmütterlich behandelt – trotz der ungebrochenen Faszination. Hat hier die Forschung versagt?Christian Antz: Die Tourismusforschung wie die sonstigen Wirtschaftswissenschaften haben sich lange Zeit nur mit sogenannten Wachstumsmärkten beschäftigt, größer, weiter, effektiver. Dass sich die Menschen in Deutschland und
Kaffeeklatsch: Die Rückkehr der Schokolade
Kaffeeklatsch: Die Rückkehr der Schokolade Kompakt Zeitung „Schau nur, diese Auswahl“, hörte ich eine Frau sagen. Ein Pärchen stand vor unserer neuen Theke, in der wir unser Kuchen- und Tortenangebot präsentieren. „Hast du dich schon entschieden?“, fragte er. Dann Schweigen. Schließlich sagte sie: „Es gibt wieder Baileys-Torte!“ und ein Lächeln ging über ihr Gesicht. Ja, die gab es an den heißen Sommertagen nicht. Die Schokolade schmilzt sonst zu schnell. Doch nun sind sie wieder da: die Kuchen und Torten mit Schokolade. Auch die beliebte Espresso-Torte und andere, die mit der glücklich machenden Süßigkeit verfeinert werden. Schokolade fördert die Bildung von Serotonin und wenn es weniger sonnige Tage gibt, können Genießer so einen schönen Schub für gute Laune bekommen. Ich freue mich, wenn unseren Gästen das veränderte Angebot auffällt. Zeigt es doch, dass sie öfter zu uns kommen – und gern. Sie werden in nächster Zeit weitere Überraschungen erleben. Mit dem Oktober stellen wir auch wieder unsere Speisekarte um. Ab Monatsmitte etwa kommen beispielsweise wieder Kürbisgerichte dazu. Und Karotten-Ingwer-Suppe, die wärmt so schön von innen, wenn es draußen kälter wird. Manche Gerichte gibt es nur im Sommer, doch einige werden in diesem Jahr bleiben, weil sie bei unseren Gästen so gut ankommen. Wie das Omelette mit Ziegenkäse. Damit ist unserem Koch wirklich ein Volltreffer gelungen, es wird stets danach gefragt. Auch eigentliche Tagesangebote schaffen es wohl auf einen Dauerplatz: Die Senfeier zur Mittagszeit sind so beliebt, dass unser Chef sie auf die allgemeine Speisekarte übernehmen will. Natürlich gibt es auch immer wieder Neues, es soll ja nicht langweilig werden. So bieten wir jetzt Wraps an, gefüllt mit Salat und Huhn, dazu je nach Wunsch Avocadocreme oder Tomatenchutney. Letztere Variante hat neulich die Kompakt-Journalistin probiert und war begeistert. Haben Sie schon getestet? Ich kann es wärmstens empfehlen. Apropos warm: Solange es noch sonnige Tage gibt, bleibt unsere Terrasse geöffnet und Sie können Ihren Aufenthalt bei uns auch draußen genießen. Übrigens bereiten wir neben Speis und Trank kulturelle Unterhaltung vor. Am 25.November wird der Musiker Manuel Richter ein Konzert bei uns geben. Sie können ab sofort Ihre Plätze dafür reservieren. Ob Frühstück, Mittagspause oder gemütlicher Abend, ob auf der Terrasse, in unserem Café oder im Freundes- oder Familienkreis in der Gemäldestube – wir freuen uns auf Sie. Ihre Jaqueline Fütterer, Bedienung von Gemäldestube und Café Alt Magdeburg Das Café „Alt Magdeburg” … mit Gemäldestube ist leicht zu finden in der Grünen Zitadelle, Breiter Weg 8a; zu erreichen über den Innenhof. Geöffnet täglich 9 bis 18 Uhr. Reservierungen unter Tel. 0391/5 82 31 54. Seite 22, Kompakt Zeitung Nr. 241
Stadtraum wiedergewinnen
Stadtraum wiedergewinnen Eckhart W. Peters Die Stadt Magdeburg will die Innenstadt entwickeln und freie Flächen wie beispielsweise den Prämonstratenserberg bebauen. Es existiert dazu bereits ein Grundsatzbeschluss vom Stadtrat, jedoch möchte eine Bürgerinitiative die Freifläche erhalten. Die Darstellung zeigt den Entwurf von Duong & Schrader Architekten für den Prämonstratenserberg. Kompakt Zeitung Betr.: Änderung des Bebauungsplanes Nr. 237-2 „Zentraler Platz – Elbufer“Liebe Frau Lehmann, haben Sie Dank für die Einladung des Stadtplanungsamtes zur Ideenwerkstadt. Leider ist es mir nicht möglich, an diesem Termin teilzunehmen, sodass ich mich nochmals schriftlich äußere und auf die über einhundert Veröffentlichungen des Stadtplanungsamtes, den Grabungsbericht – liegt mir bis heute nicht vor –, das Stadtarchiv sowie diverse Bücher (z. B. Magdeburg lebt auf – Visionen einer Stadt) und Zeitungsartikel verweise. Dazu gab es seit 2019 mit der „Arbeitsgruppe“ um Dr. W. Polte, W. Kaleschky, H.-J. Olbricht und mir diverse Fachgespräche mit den politischen Gremien sowie der Spitze der Stadtverwaltung unter Beteiligung des Stadtplanungsamtes, mit den Grundstückseigentümern sowie der WOBAU, der Architektenkammer, dem AIV und es gab eine öffentliche Diskussion und dazu eine Publikation der Magdeburgischen Gesellschaft. Weitere Veröffentlichungen zur Historie liegen von Sabine Ulrich und von mir in der Serie „Ein Gang entlang der Stadtmauer“ in der KOMPAKT ZEITUNG vor. Gedanken zur heutigen Situation in Magdeburg Viele deutsche Städte sind zerstört worden, bis am 8. Mai 1945 Deutschland durch die Alliierten von den Nationalsozialisten befreit wurde. Magdeburg war am 16. Januar 1945 in einer Nacht des Grauens zerstört worden Der Zweite Weltkrieg, das Tausendjährige Reich war beendet. Historiker schätzen heute die Bilanz des Grauens weltweit auf über 50 Millionen Tote. So begann 1945 die Suche nach den Vermissten, Toten und Verletzten, dann das Aufräumen, die Neuorganisation und die Diskussion über den Wiederaufbau der deutschen Städte. So auch in Magdeburg. Magdeburgs Trümmerfrauen wurden zum Symbol der ersten Aufbauphase. In den fünfziger Jahren halfen alle – Kinder und Frauen, Jung und Alt, Werktätige und Rentner, Vertriebene und Heimkehrer – die Trümmer der Stadt zu beseitigen. Der Wiederaufbau begann und unzählige Zeugnisse belegen, was die Magdeburger Gesellschaft in dieser Zeit geleistet hat; einerseits die Verpflichtungen gegenüber der Sowjetunion und andererseits die Wiederbelebung des städtischen Organismus. Zur Aufbauarbeit waren alle Betriebe Magdeburgs für die Trümmergrundstücke unter Angabe der Kubikmeter zugeteilt worden. Fast 30 Feldbahnlokomotiven und über 600 Loren transportierten auf über 30 Kilometer Trümmerbahnen den Bauschutt. Ziel war es, diesen zentral zu lagern und möglichst viel Baumaterial zu gewinnen. Schon 1952 konnten die ersten Häuser am Breiten Weg und am Alten Markt bezogen werden – ganz im Sinne der „16 Grundsätze des Städtebaus“ von 1950. Zwei große Straßen vom Hauptbahnhof (Leiterstraße und heutige Ernst-Reuter-Allee) schufen die West-Ostdurchbrüche und verbanden Stadtfeld durch die Altstadt mit der Elbe. Der Standort für das neue Rathaus mit Turm wurde am Zentralen Platz Richtung Elbe ausgewiesen. Die Stadtmauer war in Teilbereichen noch erhalten, teilweise oberirdisch zerstört, teilweise verschüttet und oft durchbrochen. Bei der historischen Abfolge der Bauetappen und dem typologischen Veränderungsprozess der Wohnformen lässt sich ein interessanter Kreislauf beobachten, der mit dem Blick auf ganz aktuelle Wachstums- und Erweiterungsprozesse der Stadt nach 1990 und 2020 einer Art Spirale gleichkommt. Als Architekt und Stadtplaner habe ich den sozialistischen Städtebau der Großsiedlungen in Dresden, Berlin, Warschau und Budapest schon in den 80er Jahren mit Kolleg*innen besucht und positiv gegenüber westlichen Beispielen beurteilt. Um die zahlreichen Vorurteile gegenüber dem sozialistischen Städtebau der DDR auszuräumen und die Fragen zu einer städtebaulichen Perspektive der Landeshauptstadt Magdeburg überaus folgenreichen Entwicklung zu beantworten, legte das Stadtplanungsamt 1998 eine Studie der Epoche des Städtebaus in der DDR vor. Hierfür wurden die im Amt und im Stadtarchiv verfügbaren Dokumente gesichtet, Zeitzeugen angesprochen und ausführliche Recherchen zu den im Zeitraum von 1945 bis 1990 angefertigten Plänen, Modellen, Ausstellungen, Bürgerversammlungen und realisierten Bauwerken durchgeführt. Gerade in den stark zerstörten Städten, die durch den Wiederaufbau ein völlig neues Gesicht erhalten haben, existiert eine Sehnsucht nach den alten Stadtbildern. Für den Bereich der Regierungsstraße ist es gelungen, mit Hilfe der Fotos, dem Häuserbuch, den historischen Plänen und den Bauakten aus dem Stadtarchiv, die kleinteiligen und abwechslungsreichen Straßenansichten der Vorkriegszeit fast vollständig darzustellen – aber Ziel ist es, die Bebauung im Bereich am Prämonstratenserberg städtebaulich neu zu ordnen – auch mit moderner Architektur – und den Hauch der geschichtlichen Bedeutung mit historischen Zitaten wieder zu verspüren. Die Untersuchungen beziehen sich zum einen auf den Stadtraum und den Stadtgrundriss, zum anderen auf die konkreten Gebäude, die im Bereich zwischen dem Kloster Unser Lieben Frauen, der Berliner Straße und Am alten Brücktor gestanden haben, auch unter dem Aspekt des Ergänzens der Denkmalbereiche im archäologischen Flächendenkmal der Altstadt: Hervorheben des ehemaligen Stadtgrundrisses durch Neufassung der historischen Straßenräume, Akzeptanz und Integration der vorhandenen Bebauung (z. B. Kloster Unser Lieben Frauen, Demenz-Zentrum, Fürstenwall, Stadtmauer) unter Würdigung des Denkmalwertes Schaffen von Flächen für den ruhenden Verkehr (auch unterirdisch) Herstellen eines differenzierten Netzes von Wegen, Straßen, Plätzen und Freiflächen unter Würdigung der Höhenversprünge von bis zu acht Metern Unter dem Eindruck der großflächigen, modernen Bebauung in der Innenstadt in direkter Nachbarschaft ist es ausdrücklicher Wunsch der Politiker, im Jahre 2021 im Geltungsbereich des Bebauungsplans (B. Plan Nr. 237-2 ZENTRALER PLATZ / ELBUFER) eine kleinteilige, individuelle Bebauung zu ermöglichen. Durch die Nachverdichtung soll die Chance genutzt werden, den Bereich an der alten Stadtmauer zu einer Bummelmeile mit urbanem Flair zu entwickeln. Entsprechend werden folgende stadtgestalterische Ziele vorgegeben: Bebauen mit Strukturen, die sich zum öffentlichen Straßenraum durch Kleinteiligkeit auszeichnen (Orientierung an der ehemaligen Parzellenstruktur) differenzierte Geschossigkeit Gestalten differenzierter öffentlicher Freiflächen mit Aufenthaltsqualität Die ersten Ideen zur Zukunft der Innenstadt Magdeburgs hat das Stadtplanungsamt 2020 in einer Bürgerbeteiligung – online – öffentlich mit folgenden Themen zur Diskussion gestellt: Mehr Innenstadt – Starkes Raumgerüst – Neue Aufenthaltsqualität – Netz der kurzen Wege – Nachhaltig mobil – Erreichbar von überall – Starke Quartiere. Diese Vorgaben, die Wiedergewinnung des Stadtraumes und die Schaffung von kleinteiliger Bebauung, orientieren sich an der Idee der traditionellen europäischen Stadt. Wenigstens in diesem Teilbereich der Innenstadt soll den kommerziell geprägten, großflächigen Stadtstrukturen eine andere städtebauliche Idee entgegengesetzt werden. In vielen Bereichen Magdeburgs sind trotz anderer
Nicht immer gleich den Notarzt rufen
Nicht immer gleich den Notarzt rufen Foto: 123rf.com/huettenhoelscher Kompakt Zeitung Bei einem plötzlich auftretenden gesundheitlichen Problem ist der Schreck meist groß und schnell ärztliche Hilfe gefragt. Die meisten Betroffenen wählen dann sofort den Notruf 112. Oft ist das aber nicht notwendig und somit der falsche Weg. Geht gleichzeitig ein anderer Notruf ein, kann es hier zu lebensgefährlichen Situationen kommen, wenn der Rettungswagen gerade nicht verfügbar ist. Und da auch die sogenannten Fehlfahrten von Beitragsgeldern bezahlt werden müssen, kommen unnötige Notrufe alle Versicherten teuer zu stehen. Während der Sprechzeiten ist zunächst der Hausarzt oder die Hausärztin zuständig. Außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten ist der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 116117 (ohne Vorwahl) kostenfrei erreichbar. In Sachsen-Anhalt ist der ärztliche Bereitschaftsdienst täglich ab 19 Uhr, mittwochs und freitags bereits ab 14 Uhr bis 7 Uhr des Folgetages besetzt. An Wochenenden und Feiertagen sowie Heiligabend und Silvester ist der ärztliche Bereitschaftsdienst in Sachsen-Anhalt durchgehend eingerichtet. „Der Notruf 112 muss dann angerufen werden, wenn Lebensgefahr besteht oder schwere gesundheitliche Schäden drohen, wenn nicht unverzüglich medizinische Hilfe erfolgt. Oft ist aber die 116117 die richtige Wahl, auch wenn die Betroffenen es in dem Moment als eine bedrohliche Situation wahrnehmen“, sagt Marion Strickmann, Leiterin des Geschäftsbereichs Gesundheit und Medizin bei der AOK Sachsen-Anhalt. Telefonnummer 116117 wählen, wenn es nicht lebensbedrohlich ist Bei nicht lebensbedrohlichen Krankheiten, wie z. B. starken Hals- oder Ohrenschmerzen oder akuten Rückenschmerzen, die nicht bis zur nächsten Sprechstunde in der Hausarztpraxis warten können, kann die 116117 gewählt werden. In der Leitstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt nimmt medizinisches Fachpersonal (u. a. Notfallsanitäter, Krankenschwestern, Gesundheits- und Krankenpfleger oder Arzthelferinnen) den jeweiligen Sachverhalt auf und steuert den Patienten in die richtige Versorgungsebene. Dies kann beispielsweise die nächstgelegene Bereitschaftspraxis sein. Bei Bedarf kann auch ein direkter Kontakt zum diensthabenden Arzt hergestellt werden, der gegebenenfalls einen Hausbesuch vornimmt. Sollte durch die Mitarbeitenden festgestellt werden, dass es sich doch um einen Notfall handelt, erfolgt die Kontaktaufnahme zur 112 und ein Rettungsmittel wird alarmiert. 20 Prozent Fehlfahrten Seit Jahren steigen auch in Sachsen-Anhalt die Einsatzzahlen bei den Rettungsdiensten. Durchschnittlich 20 Prozent aller Fahrten mit dem Rettungswagen waren dabei in den letzten Jahren sogenannte Fehlfahrten. In 2022 waren das rund 65.500 Fahrten – eine steigende Tendenz für das Jahr 2023 ist bereits jetzt absehbar. Für Notfallsanitäter und Notärzte sind die steigenden Einsatzzahlen eine enorme Arbeitsbelastung. Da sind Fehlfahrten umso ärgerlicher. „Das sind Fahrten, bei denen ein Rettungswagen gerufen wird, aber schlussendlich kein Transport ins Krankenhaus erfolgt. Häufiger Grund: Es liegt gar kein Notfall vor“, berichtet Marion Strickmann. „Ein Besuch in der Sprechstunde des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes oder ein Hausbesuch des Bereitschaftsarztes ist in vielen Fällen die geeignete Versorgung“, so Strickmann weiter. „Zuweilen kommen wir uns wie ein Krankenhaustaxi vor“, sagt Marko Trenkler, Leiter Rettungsdienst beim Arbeiter-Samariter-Bund Magdeburg. „Einfaches Nasenbluten, ein leichter grippaler Infekt, Regel- oder Zahnschmerzen“, nennt der Rettungsdienstchef aus eigenem Erleben Beispiele, warum Menschen, die sich nicht in akuter Gefahr befinden, den Notarzt rufen. Neben der Unkenntnis über den Ärztlichen Bereitschaftsdienst, sei es oft Bequemlichkeit, warum selbst bei kleinen Beschwerden der Notruf gewählt wird. „Mein Hausarzt hat Urlaub“ oder „Ich wollte mit der Schnittwunde im Finger nicht so lange in der Notaufnahme des Krankenhauses warten“, seien gängige Antworten. Oder: Jemand hat den ganzen Tag über Beschwerden. Abends wird dann der Rettungsdienst gerufen. Das Ganze stellt sich schließlich als Magenverstimmung heraus. Rettungsdienst für echte Notfälle verfügbar halten Geht gleichzeitig ein anderer Notruf ein, kann es hier zu lebensgefährlichen Situationen kommen, wenn das Einsatzmittel deswegen gerade nicht verfügbar ist. Passiert zum Beispiel ein schwerer Unfall in einer Ecke des Einsatzbereiches, während das Rettungsfahrzeug in der entgegengesetzten Richtung unterwegs ist, vergehen wertvolle Minuten. Außerdem kommen die Fehlfahrten der gesamten Versichertengemeinschaft teuer zu stehen. Aus den genannten Gründen gilt: Die Notfallnummer 112 nur in lebensbedrohlichen Lagen wählen, oder wenn schwere gesundheitliche Schäden drohen. Benötigt jemand akut ärztliche Hilfe außerhalb der Sprechzeiten und die Behandlung der Beschwerden kann nicht bis zu den Öffnungszeiten der Praxen warten, ist das ein Fall für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst, Telefon 116117. Den Service gibt es auch digital: Im Internet unter www.116117.de oder per App. Dort gibt es auch einen elektronischen Terminservice, der unter anderem dabei unterstützt, zeitnah einen Termin in einer Facharzt- oder Psychotherapiepraxis zu finden. Neben der Überweisung können die Patienten von ihrer Arztpraxis auch einen Vermittlungscode erhalten. Mit diesem Code und der Postleitzahl kann online nach Arztpraxen der entsprechenden Fachrichtung gesucht und ein Termin gebucht werden. Seite 30, Kompakt Zeitung Nr. 241
Scharfe Sprüche: Von Dilettanten angerichtet
Scharfe Sprüche: Von Dilettanten angerichtet Kompakt Zeitung Im Herbst werden häufig deftigere Speisen aufgetafelt. Jetzt ist die Saison für Kürbissuppen, Eintöpfe und Aufläufe. Apropos Aufläufe, die gibt es offenbar nach der sogenannten Sommerpause auch häufiger. Allerdings meine ich weniger solche zum Essen, sondern solche aus Menschen, die eine Menge politischer Botschaften zusammenrühren. Da werden Corona-Nachtische aufgewärmt, Habecks Gemüse-Allerlei auf den Ofen gestellt und Cranberry-Scholz-Creme mit Lindner-Schmand an Baerbock-Salat serviert. Das sind die Ampel-Trend-Gerichte zur Saison. Nur die Restaurant-Kritiker von der AfD müssen stets alles mit Thüringer Senf abschmecken. Allerdings gibt es für andere Gewürz-Zutaten wie Links-Chili gerade Lieferengpässe und scharfer Wagenknecht-Paprika ist noch nicht verfügbar. Ihr seht, trotz des bevorstehenden bunten Herbstes ist es gar nicht so leicht, jahreszeitliche Farben in die richtige Geschmacksrichtung zusammenzurühren. Gut, dass wir heute Kühlhäuser und schnelle Lieferketten haben. So kann man täglich junges, grünes Gemüse auftischen und muss nicht permanent Rotkohl wie zu DDR-Zeiten raspeln. Ich könnte Euch hier noch eine ganze Menge Küchenempfehlungen aus Farbzutaten anrichten. An den kleinen Beispielen ist jedoch abzulesen, dass Kochen und Politik ziemlich ähnliche Gewerke sind. Man kann nur kochen, was da ist und die einzelnen Bestandteile so zusammenmixen, dass sie dem Gast am Ende schmecken. Klar – mit Gast ist im übertragenen Sinne Wähler gemeint. Nun löffeln wir aktuell in einer pürierten Krisen-Suppe herum, die keinem recht munden will. Doch was die Küchenchefs in der Berlin-Kombüse in den Dampfkessel gehauen haben, erzeugt viel Druck unter dem Deckel, will aber partout den Kantinen-Bürgern von Kiel bis Freiburg nicht schmecken. Wenn die Leute nicht mehr in die Personalrestaurants strömen und Küchenleiter Olaf keine anderen Rezepte parat hat, als keine Rezepte, muss man ihn vom Chefkoch zur Küchenhilfe machen oder im Fall des kompletten Vertrauensverlustes ganz entlassen. Jedenfalls läuft das in der Gastronomie so. Jawohl, Ihr habt richtig eingewendet, seit des Fach- und Hilfskräftemangels ist das mit der Ersatzpersonalfindung nicht mehr so einfach. Wie wir wissen, braucht man als politischer Spitzenkoch heute noch nicht einmal eine Ausbildung. Jetzt, wo die Anzahl der Menschen ohne Abschlüsse und Erwerbstätigkeit von 13 auf 16 Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen angestiegen ist, müsste es eigentlich ausreichend Bewerber für die deutsche Küchenleitung geben. Wahrscheinlich würden wir gegenüber dem derzeitigen Speiseangebot noch nicht einmal merken, ob die einen Dilettanten durch andere ersetzt haben. Ich versichere Euch, ich habe mein Handwerk gelernt und es kommt nur auf den Teller, was meinen Gästen schmeckt und das wird täglich mit Herzensliebe angerichtet und den passenden Gewürzen abgeschmeckt. Glaubt Ihr nicht? So viele, wie bei mir wählen kommen, können gar nicht irren. Bis gleich, Euer Olaf vom Hassel. Seite 22, Kompakt Zeitung Nr. 241