Standpunkt Breiter Weg: Einseitige Erklärstücke
Standpunkt Breiter Weg: Einseitige Erklärstücke Der 34. Jahrestag der Deutschen Einheit liegt hinter uns. Über 35 Jahre Mauerfall am 9. November wird noch zu reden sein. Der Tag war der wichtigste historische Moment, der zur Vereinigung führte. Die Anfangsjahre waren für viele Ostdeutsche mit Brüchen und Lebensentwertung einhergegangen. Trotzdem darf ebenso nicht vergessen werden, welche Aufbauleistungen im Osten auf den Weg gebracht wurden. Magdeburg und sein Stadtbild sind da ein gutes Beispiel, auch wenn die hiesige Seele gern an allem etwas auszusetzen hat. Doch bei allen Erfolgen, neuer Lebensqualität und moderner Infrastruktur sind Unterschiede zwischen Ost und West nicht verschwunden. Im Gegenteil, offenbar wächst das Trennende, zumindest unter der einheimischen, deutschen Bevölkerung. Nach den drei vergangenen Landtagswahlen entpuppen sich junge Menschen als größte Wählergruppe, die das AfD-Programm unterstützt haben, entgegen jeder Grünen Hoffnung, dass die Jugend eher grün und links wählen würde. Und da scheint eine neue Kluft zwischen hier und drüben entstanden zu sein, obwohl doch diese Generationen gar keine Zweistaatlichkeit erlebt haben. Nicht die Älteren, die angeblich die Mauer noch in ihren Köpfen tragen sollen, sind es, die eine Nostalgie weitertragen würden. Unter denen ist die eher beständige Wählerschaft zu finden, die traditionell eher CDU oder SPD ihre Stimme geben. Ebenso wird das Phänomen sichtbar, dass Israel-Kritik heute häufig bei jungen zu finden ist und bei Menschen, die aus muslimischen Regionen zu uns eingewandert sind. Da verwundert das natürlich nicht. Die Verortung von linken oder rechten Einstellungen bei solchen Trends erweist sich als wenig hilfreich. Dass die Republik bunter und meinungsvielfältiger wird, war erwünscht. Nun stehen wir vor der Fortschreitung von Differenzierung und erleben, dass daraus nicht automatisch Toleranz und Respekt vor Meinungsfreiheit erwachsen. Wenn deutsche Staatsräson die unteilbare Unterstützung des Staates Israel bedeuten soll, unterläuft die Forderung das Anerkennen anderer Ansichten, auch wenn diese nicht jedem schmecken. Die Schlagworte Integration oder kulturelle Vielfalt muss eben auch solche Erscheinungen akzeptieren. Der Begriff deutsche Leitkultur wurde in der Vergangenheit vielfach kritisiert und abgelehnt. Wer jedoch einseitig auf diese Staatsräson setzt, stellt selbst eine Leitkulturidee in den Raum. Die Bestimmung, was Ost und West trennt, ist heute nicht mehr allein auf die DDR-Geschichte zu reduzieren. Vermögensverhältnisse, Einkommensunterschiede und industrielle Kernregionen mögen Ursachen für andere Einstellungen und Werte hervorbringen, aber sie reichen nicht aus, um das neue Trennende zu beschreiben. Wir – bzw. politische Maßgaben – haben die Welt zu uns eingeladen, nun müssen wir die Welt bei uns lernen. Dazu gehört es auch, sich mit jedem einzelnen Phänomen zu beschäftigen und nicht die rechte oder linke Keule zu schwingen. Die Einheitsgeschichte heute zu begreifen, erfordert es, alle Entwicklungen unter die Lupe zu nehmen. Auf der politischen Bühne werden leider nur allzu oft einseitige Erklärstücke aufgeführt. Thomas Wischnewski Kompakt Zeitung Nr. 265 vom 09. Oktober 2024, Seite 2 Veranstaltungen im mach|werk Neuigkeiten aus Magdeburg Mann am Neustädter Platz angegriffen Blitzermarathon im Oktober DomplatzOpenAir 2025: Hälfte der Tickets verkauft Weitere Artikel Banal? Oder? Gedanken- & Spaziergänge im Park: Brandmauern und Krieg Die Abschaffung des schlechten Cannabis-Gesetzes erzeugt am Ende nur Verlierer