Evita – bewegend, erfrischend, erlebenswert

Evita – bewegend, erfrischend, erlebenswert Szene mit Milica Jovanovic als Evita, Patrick Adrian Stamme als Che und (im Hintergrund) Dogukan Kuran als Juan Perón. Foto: Nilz Böhme Kompakt Zeitung Mit der neuen Inszenierung des Musicals „Evita“ ist ein wahrer Paukenschlag der Emotionen auf der Bühne des Theaters Magdeburg zu erleben. Das liegt zum einen natürlich an der Geschichte selbst, die Leben und Aufstieg der Eva Perón alias Evita umschreibt, und der Musik von Andrew Lloyd Webber. Zum anderen jedoch ist unter der Regie von Matthias Reichwald eine frische, bewegende Inszenierung entstanden, die zwischen historischen Bezügen und moderner Interpretation ihre Eigenheit entfaltet und mit Überraschungen aufwartet. Dabei setzt er den Fokus auf die Vielseitigkeit der Protagonistin Evita – madonnenhaft zu Beginn, im Rückblick dann die erfolgsorientierte, die verführerische, helfende, sterbenskranke. Eine Wandlung, die Milica Janovic in dieser Rolle facettenreich darstellt. In der Rolle des Che ist ein beeindruckender Parick Adrian Stamme zu erleben, der wie ein Märchenerzähler durchs Geschehen führt und in darstellerischer wie stimmlicher Weise überzeugende Akzente setzt. Die Handlung gestalten zahlreiche Mitstreiter, die symbiotisch zusammenwirken und den Gesamterfolg tragen. Sehr berührend sind die Auftritte vom (neuen) Kinderchor. Die Inszenierung führt in zwei Akten durch das Leben der Eva Peron. Es gibt viele Orts- und Zeitsprünge, die durch veränderbare Bühnenelemente und gezielte Videoeinsätze (Bühnenbild: Michel Lindner!) und variabler Kostüme (von Tanja Liebermann) beeindruckend dargestellt werden. Die wundervollen Tanzszenen führen vom argentinischen Tango bis zum modernen Jazz Dance und Hip-Hop (Choreografie: Volker Michl). Dazu das bravouröse Spiel der Magdeburgischen Philharmonie. Die musikalische Leitung oblag Paweł Popławsk. Das Musical Evita am Theater Magdeburg wird in deutscher Sprache aufgeführt und ist empfohlen für Besucher ab 10 Jahren. (ab) Seite 28, Kompakt Zeitung Nr. 245, 22. November 2023

„Evita ist mehr als die Frau auf dem Balkon“

„Evita ist mehr als die Frau auf dem Balkon“ Birgit Ahlert Kompakt Zeitung Wenn am 11. November „Evita“ am Opernhaus Premiere hat, ist es nicht die erste Aufführung des Musicals, doch die erste unter der Regie des gebürtigen Magdeburgers Matthias Reichwald. Nach 25 Jahren kehrt er an den Ort seiner künstlerischen Anfänge zurück. Mittlerweile ist der Schauspieler und Dozent ein gefragter Regisseur, der für seine frischen Inszenierungen bekannt ist. Eine davon erlebte ein Teil der Magdeburger Intendanz im vorigen Herbst in Dresden („Die Dollarprinzessin“ von Leo Fall). Daraus folgte das Angebot, am Theater Magdeburg „Evita“ zu übernehmen. Eine recht kurze Zeit für so eine Arbeit, betont Matthias Reichwald, und doch freut er sich immens. Evita, so erzählt er, kannte er bereits gut und seit seiner Jugend mochte er die Musik, die über die populären Stellen hinaus komplex, rhythmisch interessant und modern ist. Es gibt ihm aber auch einen „gewissen emotionalen Kick, nach 25 Jahren wieder in diesem Haus zu arbeiten“. Geboren 1981, wuchs Matthias Reichwald in Magdeburg auf, ging hier zur Schule, in die Musikklasse, sang im Chor, erhielt über zehn Jahre Unterricht in Klavier, Komposition und Chorleitung am Konservatorium, sammelte erste Bühnenerfahrungen im Jugendtheaterklub, bei den Freien Kammerspielen und auf der Bühne des jetzigen Opernhauses. Seinen Zivildienst absolvierte er im Krankenhaus, was ihn emotional sehr geprägt hat, da dort „Freud’ und Leid sehr nah beieinander waren, bis zum Tod“. Danach studierte er an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin und arbeitete ab 1999 als Darsteller u.a. in Magdeburg, Weimar, Halle, am Opernhaus Zürich sowie in Berlin an der Schaubühne, dem Maxim-Gorki-Theater und dem Deutschen Theater. Seit 2009 ist er neben seiner Tätigkeit als Regisseur Ensemblemitglied am Staatsschauspiel Dresden. In seinem Geburtsort ist der Vater von vier Kindern mittlerweile selten, besucht die Eltern und die Großmutter, manchmal auch das Theater. Die Stadt genauer angesehen hat er erst jetzt, in der Zeit der Vorbereitung auf „Evita“. Sie hat ihn angenehm überrascht, erzählt er. „Es hat sich kulturell, atmosphärisch, auch architektonisch und in der Lebensqualität viel verändert.“ Ebenso Spielorte wie Opern- und Schauspielhaus, das für ihn von Kindheit an ein wichtiger Ort war. „Es ist ein angenehmes Gefühl, wieder da zu sein.“ Mit „Evita“ gibt er sein Magdeburg-Debüt als Regisseur. Das Musical ist ein sehr komplexes Stück, das in Text und Musik vorgegeben ist. Daraus dennoch eine individuelle Inszenierung zu machen, stellt eine Herausforderung dar. Sie variiert von Kos­tümen, Licht bis Bühnenbild, das schnelle Ortswechsel ermöglichen muss, und natürlich in der Choreografie. Szenenweise sind bis zu 80 Personen auf der Bühne zu erleben. Dabei muss der Regisseur den Blick des Publikums auf die jeweils wichtige Handlung leiten. „Zwei Takte können einen wesentlichen Unterschied machen“, erklärt er. In seiner Inszenierung geht es ihm um die vielschichtige Betrachtung der Hauptfigur. „Bei Evita geht es ja immer um diesen Personenkult, sie wird fast als Heilige betrachtet. Aber es gibt viele andere Seiten in ihr, die nicht unbedingt im Fokus stehen, aber im Musical auch auftauchen.“ Neben der politischen Aktivistin ist da die humorvolle junge Frau, die herrschsüchtige, launische, arrogante Frau, die Mode-Ikone, liebende Ehefrau, die kinderlos eine Gebärmutterkrebs-Diagnose bekommt. „Ich möchte eine Geschichte erzählen, bei der zu erleben ist: Evita ist mehr als die Frau auf dem Balkon, die ,Don’t cry for me’ singt.“           Evita: Musical von Andrew Lloyd Webber (Musik) und Tim Rice (Text), Premiere am 11.11.23 am Theater Magdeburg. Seite 17, Kompakt Zeitung Nr. 244, 7.11.2023

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