Reise durch zauberhafte Gärten
Reise durch zauberhafte Gärten Mit „Gärten und ihre Gäste“ liegt erstmalig eine interdisziplinäre Analyse vor. Interview von Margit Stark (Saarbrücker Zeitung) mit Prof. Dr. Christian Antz (Deutsches Institut für Tourismuswissenschaft Heide). Prof. Dr. Steffen Wittkowske (Universität Vechta; links) und Prof. Dr. Christian Antz (Deutsches Institut für Tourismusforschung Heide) überreichen den mit dem Deutschen Gartenbuchpreis 2023 ausgezeichneten Band „Gärten und ihre Gäste“ auf der Insel Mainau an Bundesbauministerin Klara Geywitz. Foto: Allgaier Kompakt Zeitung Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Gartenbuch herauszugeben?Christian Antz: Seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich wissenschaftlich und planerisch mit dem Thema Gärten und Parks – ausgehend vom heutigen UNESCO Welterbe „Gartenreich Dessau-Wörlitz“. Und vor genau 25 Jahren hatte ich die Idee zu einem landesweiten Gartennetzwerk historischer Gärten für Sachsen-Anhalt unter dem Namen „Gartenträume“. Und vor 15 Jahren habe ich den bundesweiten Zusammenschluss von Gartenkooperationen „Gartennetz Deutschland“ mitgegründet und den Vorsitz für 5 Jahre übernommen. Aus diesen strategischen Tätigkeiten ist parallel eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Gartentourismus geworden, aus der dieses Buch hervorgegangen ist. Warum sind Gärten und Parks Ihrer Meinung nach Trendsetter der Zukunft? Seit langem sind sie Erholungsort für Leute, die Ruhe, Entspannung in der Natur suchen?Christian Antz: In Zeiten von Krisen in Klima und Wirtschaft, Krieg und Politik, gepaart mit Unsicherheiten aus Globalisierung, Individualisierung und Medialisierung, wo dem Einzelmenschen alles über den Kopf wächst und keine eindeutigen Antworten mehr gefunden werden, wird die Suche nach Geborgenheit zu einem Hauptantrieb des Handelns, auch im Tourismus. Wo früher immer neue Erlebnisse auf Reisen gesucht wurden, geht es in Zukunft um das Finden von Sinn, an einem Ort oder in sich selbst. Und da spielen Gärten eine zentrale Rolle, ob bei der (Um-)Gestaltung von Städten, für die körperliche oder geistige Gesundheit, zum Chillen oder zum Genießen. Sie werden zu Oasen der Selbstfindung und des Krafttankens in Zeiten der Work-Life-Balance. Was machen für Sie einen Garten oder einen Park aus, die besonders geeignet sind, zum Ort der Entschleunigung zu werden?Christian Antz: Für mich sind es oft historische Parks des 19. Jahrhunderts, in denen man sich auf Schlängelwegen ergehen kann und immer wieder neue Aussichten bekommt. Dabei spielen (alte) Bäume, meist in Gruppen stehend, und freie Wiesenflächen im Wechsel eine beruhigende, in die Vergangenheit wie in die Zukunft weisende Rolle. Bei anderen Menschen mögen dies andere Formen des Grüns sein, die sie ansprechen und beruhigen. Wie sehen für Sie der ideale Garten oder der ideale Park aus?Christian Antz: Die Gartengeschichte bietet ein breites und spannendes Spektrum von Gärten und Parks, auch in Deutschland und vor allem in Sachsen-Anhalt. Selbst in den 1910er bis 1930er Jahren wurden noch Parks angelegt, in denen sich Menschen wohlgefühlt und aufgehoben gefühlt haben, auf dem Land und in der Stadt. Dort haben viele heutige Land Art Kunstprojekte angeschlossen. Aber die Nachkriegs- und heutige Generationen haben anscheinend verlernt, menschengerechte Umgebungen von Orten und Städten sowie von Parks zu planen und zu gestalten. Die technischen Worte „Stadtgrün“/„Stadtmöblierung“ sagen schon alles. Es wirkt in Stadt- und Gartenplanung heute vieles verkopft, wie hingestellt, aber nicht verstanden, und schon gar nicht zum Wohl und als natürliche Antwort für die Menschen gemacht. Das sieht man auch schön an den Parks des letzten Weges, den Friedhöfen – oft wie von Technokraten für Technokraten gemacht, sauber und ordentlich, pflegeleicht und geradlinig, aber nicht wohltuend für Geist und Körper. Und das sollte doch das Ziel sein, nicht Waschbeton, sondern Blätterrascheln. Das entspricht unserer Nachkriegsgeschichte und da müssen wir nun wieder im Denken und Handeln raus. Das wird nicht einfach. Sind Sie Gartenliebhaber?Christian Antz: Ja, ich ergehe und erhole mich gerne in großräumigen Parks, nehme Veranstaltungen oder Picknicks wahr, schaue aber auch nur mal in die Ferne oder erfreue mich an Farbe oder Duft von Blüten. Wie sind Sie auf den Titel „Gärten und ihre Gäste“ gekommen?Christian Antz: Ein Titel wie „Gartentourismus“ hätte den Fokus des Buches zu sehr eingeschränkt und wäre auch zu unemotional gewesen. Gärten sind erstens etwas Sinnliches und Sinnstiftendes. Und zweitens geht es um das breite Angebot der Gärten für Gäste und Besucher, während Tourismus doch zu wissenschaftlich abstrakt klingt. Der Titel legt die Vermutung nahe, dass die Besucher unterschiedliche Formen von Gärten oder Park bevorzugen, wie etwa Staudengärten, eine Kombination von Grünflächen und Blumen oder eine aus Büschen, Grünlagen und Teichen. Gibt es bei den Besuchern Favoriten? Christian Antz: Die Gäste in Gärten sind sehr unterschiedlich. Viele suchen Anregungen für ihren eigenen Garten, viele wollen einfach nur entspannen, und viele wollen aktiv in der Natur unterwegs sein. Wasser in Form von Flüssen oder Teichen machen das Angebot nochmals attraktiver. Aber daneben gibt es auch kleine Zielsegmente von Gartenliebhabern, die Spezialthemen oder Privatgärten bevorzugen. Und bei Gartenschauen ist übrigens der Themenbereich Friedhofsgestaltung immer noch das Highlight, ob man es mag oder nicht. „Die Pracht der Gärten hat stets die Liebe zur Natur zur Voraussetzung“, wird Anne Louise Germaine de Staël, Baronin von Staël-Holstein, zitiert. Stimmen Sie dieser Aussage zu?Christian Antz: Natur und Gärten sind zwei Seiten einer Medaille. Natur, im Sinne von unberührt, gibt es in Mitteleuropa nicht mehr, obwohl das viele so noch wahrnehmen. Alles, was wir sehen und begehen, ist von Menschen gestaltete Kulturlandschaft. Und um diese zu erfassen und zu erhalten, bedarf es wie bei den Gärten eines neuen und tieferen Bewusstseins. Die ausgewogene und uns beruhigende Wiesen-, Hecken- und Waldlandschaft unserer Land- und Forstwirtschaft sind beispielsweise schon lange in Gefahr, Bäche sind begradigt, Streuobstwiesen abgestorben, Heckenbereiche gerodet. Bewohner wie Besucher lieben unsere historisch gewachsene Landschaft, wo sie noch erhalten ist, genauso wie unsere umhegten Gärten. Da können wir qualitativ ansetzen, forschen, erhalten, wiederherstellen. Die ländliche Kulturlandschaft wäre in Sachsen-Anhalt unser Heimatgarten – und der wird auch touristisch nachgefragt. In dem Klappentext zu Ihrem Buch heißt es, dass die deutschsprachige Tourismusforschung das Thema der Gartenreise bisher meist stiefmütterlich behandelt – trotz der ungebrochenen Faszination. Hat hier die Forschung versagt?Christian Antz: Die Tourismusforschung wie die sonstigen Wirtschaftswissenschaften haben sich lange Zeit nur mit sogenannten Wachstumsmärkten beschäftigt, größer, weiter, effektiver. Dass sich die Menschen in Deutschland und