Standpunkt Breiter Weg: Deutschland, ein Märchenland

Standpunkt Breiter Weg: Deutschland, ein Märchenland Thomas Wischnewski Kompakt Zeitung Am 31. März sehen Magdeburger Licht am Ende des Tunnels. Jedenfalls sollen mit der Freigabe der neuen Unterführung am Bahnhof Stadtfeld und Innenstadt wieder verbunden sein. Den offiziellen Spatenstich für das Projekt hatte der ehemalige Oberbürgermeister Lutz Trümper am 19. Juni 2015 gesetzt. Acht Jahre dauerte, was eigentlich nach vier beendet sein sollte. Offenbar haben wir Deutsche uns mit endlosen Verzögerungen und Kostensteigerungen bei öffentlichen Bauprojekten abgefunden. Die Misere ist jedoch inzwischen symptomatisch für das Land. Die Bürokratie schwillt entgegen allen politischen Beteuerungen an, und seien wir ehrlich, in vielen Bereichen wird die Arbeit nicht mehr in einer angemessenen Zeit geschafft. Entweder fehlt es an Fachkräften oder Arbeitszeiten werden nach unten korrigiert. Seit 1970 hat Deutschland statistisch über 1.000 Jahresarbeitsstunden pro Kopf abgebaut. Im selben Zeitraum ist die durchschnittliche Arbeitszeit in asiatischen Ländern – allen voran China – um rund 1.000 Stunden gestiegen. Wird also hierzulande weniger getan, entsteht die Arbeit woanders. Darüber wird selten geredet. Eher da-rüber, dass wir alle viel zu viel zu tun haben und mächtig gestresst sind. Nun hat die staatliche Förderbank KfW Alarm geschlagen. Behielten wir den Zustand bei, drohe ein gesellschaftlicher Wohlstandsverlust – das heißt, wir werden als Land ärmer – mit der Folge entstehender „Verteilungskonflikte“. Deutschland ist im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig. Die KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib sieht ein historisches Ausmaß von langfristig schrumpfendem inländischem Arbeitskräfteangebot und schwacher Produktivitätsentwicklung. In Berlin werden dagegen weiter Schönwetter-Reden gehalten. Aus der Talfahrt sollten laut KfW drei Dinge helfen: Mehr Leute in Arbeit bringen, Fachkräfte anlocken und die Produktivität steigern. Zur Produktivität gehört neben Arbeitszeit natürlich auch der Preis für den Energieaufwand. Die Preise für Energie müssten wegen des Klimawandels allerdings weiter steigen. Das fordern allen voran die Grünen. Die „Zeitenwende“, die vom Kanzler Olaf Scholz nach Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine ausgerufen wurde, schlägt sich unter den genannten Vorzeichen nicht im Erfolg politischer Vorgaben nieder, sondern im schleichenden Niedergang eines ehemaligen Exportweltmeisters. Hervortretende Gewalt im Alltag, gesellschaftliche Spaltung und Konfrontation sind Symptome dieser Veränderungen. Ein Deutschland, das international Maßstäbe und Vorbild in umweltfreundlicher Produktion und Erzeugung sauberer Energie setzen möchte, braucht ein funktionierendes wirtschaftliches Fundament. Das gute Wünschen, das meistens von solchen gepredigt wird, die theoretisch viel wissen, hilft in der Praxis nicht. Märchen sollen bleiben, wo sie hingehören: in Märchenbüchern.   Seite 2, Kompakt Zeitung Nr. 225

Die Inflation der Erregung

Standpunkt Breiter Weg: Die Inflation der Erregung Thomas Wischnewski Kompakt Zeitung Aus der aufgeregten Gesellschaft gibt es offenbar kein Entkommen mehr. Pyro-Angriffe auf Rettungskräfte und Polizei – da darf kein Auge zugedrückt werden. Was zu den Silvester-Ereignissen in Berlin jedoch folgt, ist ein endloses Gerede. Die Debatte über Täter, unter denen viele mit Migrationshintergrund waren, darf Migranten insgesamt nicht verunglimpfen. Natürlich nicht. Täter sind Täter. Andere, die nicht beteiligt waren, haben damit nichts zu tun. Die allgemeine und berechtigte Empörung ist Ausdruck der Debattenunkultur in diesem Land. Es existiert kaum noch eine Differenzierung zwischen tatsächlicher Verursachung und Interpretation. Die Hoheit aller Deutung findet im abstrakten, vergeistigten Raum statt. Abstraktion und Theorie verdrängen die Tatsachen. Das ist in Auseinandersetzungen über Geschlechtergerechtigkeit so, genauso wie in zurückliegenden Corona-Diskussionen. Stets schwebt nach kurzer Zeit ein Begriff über Akteuren. Ob patriarchalische, toxische Männer, die Unterdrückung von Frauen verteidigen wollten, ob integrationsunwillige Migranten, unbelehrbare identitätspolitische Vertreter oder allerorten existente, gefährlich rechte Horden, deren Programm die Abschaffung der Demokratie sein soll. Es sind die Konstrukte einer Unterstellungskultur, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Die Generationen der Alten haben mit ihrem Leben die Welt versaut und die Menschheit mittels klimaschädlicher Emissionen an den Abgrund katapultiert. Corona-Maßnahme-Kritiker konnten in den vergangenen Jahren bei manchen als „Mörder“ an Infizierten gelten. Autofahrer sind per se Fortschrittsbremsen am deutschen Zukunftswagen. Es sind die Empörten, die das gesellschaftliche Klima bestimmen, und es gibt sie in jedem Themenbereich. Weil die Aufschreie wie Dauerregen über dem Land niedergehen, wird es keine Ruhe geben. Wie reagiert man in der Politik? Dort wird mit Geld bekleistert, was zu beseitigen oder zu fördern sei. In der Regel fließen die Euros dann in Sozialforschungsinstitute, die nur noch mehr Unheil ermitteln, weswegen es dann weiteres Geld rieselt. Fakt ist, die Aufregung über einzelne Themen bewirkt nichts, außer, dass alles nur noch gewichtiger und schlimmer erscheint als die Wirklichkeit. Integration ist kein theoretischer Prozess, der per Verordnungen und mit Sprachkursen gesteuert werden kann. Entgrenzung in den Debatten keimt aus dem Nebel theoretisierter Politikerklärung. Alle erschlagen sich mit Studien und Statistiken. Jeder wird da für seine Argumentation fündig. Gelöst ist am Ende nichts. Menschen müssen sich angemessen miteinander und zueinander verhalten können, egal, was andere theoretisieren. In Berlin haben Kravallisten zu Silvester gefährliche Schäden verursacht. Solche Taten werden nicht durch Debatten verhindert. Die inflationäre Erregung wird weiter zerstören, was einmal uns lieb und teuer war. Seite 2, Kompakt Zeitung Nr. 224

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