Der Kosmos Vincent van Goghs als Ballett
Mit dem Eröffnungsabend der neuen Ballettsaison begibt sich Ballettdirektor Jörg Mannes auf ein Experimentierfeld zwischen Kunst, Klang und Choreografie. Im Zentrum steht Vincent van Gogh und dessen Suche nach dem eigenen Stil.
Mit den Ohren sehen
Mit den Ohren sehen Birgit Ahlert Erstmalig bietet das Theater Magdeburg besondere Vorstellungen für blinde und sehbeeinträchtigte Besucher. Premiere ist am 24. Februar. Dramaturgin Sarah Ströbele erklärt im Kompakt-Gespräch das Vorhaben. Foto: Peter Gercke Kompakt Zeitung Ein Theaterbesuch ist für Menschen, die nicht oder sehr schlecht sehen können, ein eingeschränktes Erlebnis. Um das zu ändern, bereitet das Theater Magdeburg Opern-Aufführungen vor, die neben Musik und Gesang Audiodeskription anbieten. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine akustische Bildbeschreibung bzw. Kommentierung, die das Geschehen auf der Bühne nachvollziehbar macht. Sozusagen sehen mit den Ohren. „Wir wissen, dass Blinde und Sehbeeinträchtigte zu unseren Konzerten oder Opern kommen“, erklärt Sarah Ströbele, „ihnen möchten wir ermöglichen, live zu erfahren, was visuell auf der Bühne passiert.“ Die Dramaturgin ist für die Umsetzung des Vorhabens zuständig. Die erste Aufführung mit Audiodeskription wird am 24. Februar „Die Liebe zu den drei Orangen“ sein, eine surreale Märchenoper von Sergei Prokofjew. Es handelt sich um eine Ko-Produktion mit der Opéra national de Lorraine in Nancy und dem Theater St. Gallen. In Frankreich wurde sie bereits mit Audiodeskription aufgeführt. Daraus entstand der Wunsch des Generalintendanten Julien Chavaz, dies auch in Magdeburg anzubieten. Eine 1:1-Umsetzung allerdings ist nicht möglich, erklärt Sarah Ströbele, schon allein wegen der unterschiedlichen Textlänge in deutscher und französischer Sprache. Also wurde fürs hiesige Theater eine eigene Version entwickelt. Für dieses Projekt der Teilhabe investierte das Theater Magdeburg rund 6.000 Euro. Die Vorbereitungen waren umfangreich, da vieles zu bedenken ist – von den technischen Voraussetzungen bis zur praktischen Umsetzung. Dazu wurde ein Team gebildet, zu dem sowohl sehende als auch nichtsehende Personen gehören. Marketing-Leiter Andreas Drabe hatte dafür zuvor Kontakt aufgenommen u. a. mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen-Anhalt und den Behindertenbeauftragten der Regionen, sodass sehbeeinträchtigte und blinde Menschen bei der Erarbeitung und Umsetzung des Projekts ihre Expertenmeinung einbringen können. Während der Aufführungen werden Audiodeskriptoren in einem Beleuchtungsraum des Theaters ihren Platz haben und von dort aus live das Bühnengeschehen kommentieren. Für die Hörbeschreibung stellt das Theater dem nicht sehenden Publikum Kopfhörer zur Verfügung. Aber auch eigene können genutzt werden, ergänzt Sarah Ströbele. Zusätzlich zum Vorstellungsbesuch mit Audiodeskription bietet das Theater Magdeburg für das blinde und sehbeeinträchtigte Publikum eine speziell auf sie ausgerichtete Stückeinführung und Tastführung an. Sie sollen dabei helfen, eigene Bilder beim Hören zu entwickeln sowie das Verständnis der Theateraufführung zu unterstützen. Dazu können die Besucher das Bühnenbild, Requisiten und Kostüme vor der Vorstellung ertasten. Vor der Projektpremiere wird es im Februar einen „Testlauf“ geben. Der soll zeigen, ob „alles so funktioniert, wie es soll“, meint Sarah Ströbele. Neben der Live-Kommentierung über Kopfhörer wird u. a. die Lautstärke getestet – sowohl für die Nutzer der Kopfhörer als auch für die daneben sitzenden Gäste. Denn es sind Aufführungen nicht nur für blinde und sehbeeinträchtigte Besucher, sondern für alle Opernfreunde. „Die Liebe zu den drei Orangen“ mit Audiodeskription steht am 24. Februar und 28. April auf dem Spielplan. Eintrittskarten gibt es an der Theaterkasse oder können telefonisch bestellt werden. Dabei sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, dass Interesse an der Audiodeskription besteht und ob Kopfhörer gewünscht sind. Am Tag der Vorstellung werden die blinden und sehbeeinträchtigten Besucher zwei Stunden vor der Opernaufführung in Empfang genommen, damit sie vorab an der speziellen Tast- und Stückeinführung teilnehmen können. Seite 12, Kompakt Zeitung Nr. 248, 24. Januar 2024
„Evita ist mehr als die Frau auf dem Balkon“
„Evita ist mehr als die Frau auf dem Balkon“ Birgit Ahlert Kompakt Zeitung Wenn am 11. November „Evita“ am Opernhaus Premiere hat, ist es nicht die erste Aufführung des Musicals, doch die erste unter der Regie des gebürtigen Magdeburgers Matthias Reichwald. Nach 25 Jahren kehrt er an den Ort seiner künstlerischen Anfänge zurück. Mittlerweile ist der Schauspieler und Dozent ein gefragter Regisseur, der für seine frischen Inszenierungen bekannt ist. Eine davon erlebte ein Teil der Magdeburger Intendanz im vorigen Herbst in Dresden („Die Dollarprinzessin“ von Leo Fall). Daraus folgte das Angebot, am Theater Magdeburg „Evita“ zu übernehmen. Eine recht kurze Zeit für so eine Arbeit, betont Matthias Reichwald, und doch freut er sich immens. Evita, so erzählt er, kannte er bereits gut und seit seiner Jugend mochte er die Musik, die über die populären Stellen hinaus komplex, rhythmisch interessant und modern ist. Es gibt ihm aber auch einen „gewissen emotionalen Kick, nach 25 Jahren wieder in diesem Haus zu arbeiten“. Geboren 1981, wuchs Matthias Reichwald in Magdeburg auf, ging hier zur Schule, in die Musikklasse, sang im Chor, erhielt über zehn Jahre Unterricht in Klavier, Komposition und Chorleitung am Konservatorium, sammelte erste Bühnenerfahrungen im Jugendtheaterklub, bei den Freien Kammerspielen und auf der Bühne des jetzigen Opernhauses. Seinen Zivildienst absolvierte er im Krankenhaus, was ihn emotional sehr geprägt hat, da dort „Freud’ und Leid sehr nah beieinander waren, bis zum Tod“. Danach studierte er an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin und arbeitete ab 1999 als Darsteller u.a. in Magdeburg, Weimar, Halle, am Opernhaus Zürich sowie in Berlin an der Schaubühne, dem Maxim-Gorki-Theater und dem Deutschen Theater. Seit 2009 ist er neben seiner Tätigkeit als Regisseur Ensemblemitglied am Staatsschauspiel Dresden. In seinem Geburtsort ist der Vater von vier Kindern mittlerweile selten, besucht die Eltern und die Großmutter, manchmal auch das Theater. Die Stadt genauer angesehen hat er erst jetzt, in der Zeit der Vorbereitung auf „Evita“. Sie hat ihn angenehm überrascht, erzählt er. „Es hat sich kulturell, atmosphärisch, auch architektonisch und in der Lebensqualität viel verändert.“ Ebenso Spielorte wie Opern- und Schauspielhaus, das für ihn von Kindheit an ein wichtiger Ort war. „Es ist ein angenehmes Gefühl, wieder da zu sein.“ Mit „Evita“ gibt er sein Magdeburg-Debüt als Regisseur. Das Musical ist ein sehr komplexes Stück, das in Text und Musik vorgegeben ist. Daraus dennoch eine individuelle Inszenierung zu machen, stellt eine Herausforderung dar. Sie variiert von Kostümen, Licht bis Bühnenbild, das schnelle Ortswechsel ermöglichen muss, und natürlich in der Choreografie. Szenenweise sind bis zu 80 Personen auf der Bühne zu erleben. Dabei muss der Regisseur den Blick des Publikums auf die jeweils wichtige Handlung leiten. „Zwei Takte können einen wesentlichen Unterschied machen“, erklärt er. In seiner Inszenierung geht es ihm um die vielschichtige Betrachtung der Hauptfigur. „Bei Evita geht es ja immer um diesen Personenkult, sie wird fast als Heilige betrachtet. Aber es gibt viele andere Seiten in ihr, die nicht unbedingt im Fokus stehen, aber im Musical auch auftauchen.“ Neben der politischen Aktivistin ist da die humorvolle junge Frau, die herrschsüchtige, launische, arrogante Frau, die Mode-Ikone, liebende Ehefrau, die kinderlos eine Gebärmutterkrebs-Diagnose bekommt. „Ich möchte eine Geschichte erzählen, bei der zu erleben ist: Evita ist mehr als die Frau auf dem Balkon, die ,Don’t cry for me’ singt.“ Evita: Musical von Andrew Lloyd Webber (Musik) und Tim Rice (Text), Premiere am 11.11.23 am Theater Magdeburg. Seite 17, Kompakt Zeitung Nr. 244, 7.11.2023