Wahlrecht – Plädoyer für ein Absenken des Wahlalters
Wahlrecht – Plädoyer für ein Absenken des Wahlalters Von Elisa Wiegmann (Abiturientin, 19 Jahre) Kompakt Zeitung Der 18. Geburtstag naht und mit ihm nicht nur der Eintritt in die Volljährigkeit, sondern auch das Recht, zu wählen. Doch warum ist genau 18 diese magische Zahl und nicht 16 oder 17? Unsere Geschichte zeigt, dass die Absenkung des Wahlalters ein fortlaufender historischer Trend ist, der noch nicht abgeschlossen sein muss. Während die jungen Menschen vor der Weimarer Republik erst mit 25 Jahren das Wahlrecht besaßen, lag die Altersgrenze bis 1970 bei 21 Jahren, heute bei 18 Jahren und in der Zukunft womöglich bei 16 Jahren oder noch darunter. In einigen EU-Ländern, wie z. B. Österreich und Griechenland, dürfen bereits jetzt die 16-Jährigen wählen und auch innerhalb Deutschlands gilt diese Altersgrenze in sechs Bundesländern nicht nur bei Kommunal-, sondern auch bei Landtagswahlen. So magisch ist die 18 also gar nicht, denn auch Jugendliche haben ein Recht auf politische Mitbestimmung, um über ihre eigene Zukunft zu entscheiden. Junge Menschen haben andere Interessen als Erwachsene, die jedoch ohne ihre Wählerstimmen vernachlässigt und überhört werden. Der demografische Wandel verstärkt diese Tendenz, indem mit einem durchschnittlichen Wahlalter von 54 Jahren eine sehr ungleichmäßige Repräsentation aller Generationen stattfindet. Bewegungen wie „Fridays for Future“ zeigen, wie stark das Interesse junger Menschen an der Politik steigt. Eine Absenkung des Wahlalters würde die Teilnahme am politischen Leben noch erhöhen und die Identifikation mit der Demokratie fördern. Die Kindheit gilt jedoch auch als Schonungsraum, in dem eine geschützte Meinungsbildung ohne äußeren Druck stattfinden soll. Bei einer Herabsetzung des Wahlalters sollte es immer die Entscheidung der Jugendlichen selbst sein, ob sie an einer Wahl teilnehmen möchten oder nicht. Häufig verwendete Argumente gegen ein geringeres Wahlalter sind unzureichende kognitive und soziale Reife sowie die begrenztere Lebenserfahrung junger Menschen. Natürlich stimmt es, dass Jugendliche nicht so viel erlebt haben und wissen können wie 80-jährige Personen, aber sollte ihnen deshalb das Recht auf politische Mitbestimmung genommen werden? Das ganze Leben ist ein Prozess des Lernens, der individuell verläuft und niemals abgeschlossen sein wird. Dadurch kann es gar nicht den „einen Zeitpunkt“ geben, an dem wir Menschen „bereit“ für eine politische Wahl sind. Somit ist jede Festlegung auf eine Altersgrenze bloß eine willkürliche. Eine Studie der Freien Universität Berlin belegt zudem, dass 16-Jährige genauso interessiert und informiert wie 18-Jährige sind. Natürlich gibt es dabei individuelle Unterschiede, aber die gibt es auch bei den Erwachsenen, die alle einen unterschiedlichen Bildungsgrad und individuelle „politische Reife“ besitzen. Auch Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie zeigen, dass Jugendliche bereits mit ca. 12 bis 14 Jahren dazu in der Lage sind, abstrakte Entscheidungen zu treffen und multiperspektivisch zu denken. Ein weiteres Gegenargument stellt die leichte Beeinflussung junger Menschen durch Eltern, soziale Medien oder Fake News dar. Doch jeder Mensch ist auf die eine oder andere Art beeinflussbar, weswegen dies nicht der Grund sein sollte, Jugendliche aus unserer Demokratie auszugrenzen. Stattdessen sollte es die Herangehensweise sein, politische Bildung sowie die Medienkompetenz in Schulen und Vereinen in den Vordergrund zu stellen. Beides stellt eine sehr wichtige Bedingung für die Absenkung des Wahlalters dar, ebenso wie es essenziell ist, Kinder und Jugendliche aller Schulformen und sozialer Hintergründe gleichermaßen politisch zu bilden. Abschließend lässt sich sagen, dass auch Jugendliche unter 18 Jahren das Recht haben sollten, für ihre eigenen Interessen einzustehen und diese durch politische Wahlen zu bekräftigen. Dafür sind eine Verbesserung und Ausweitung der Bildungsangebote von großer Bedeutung. Die Digitalisierung und konkret auch die sozialen Medien stellen neben den Schulen eine sinnvolle Option dar, noch stärker für Bildungszwecke eingesetzt zu werden. Jugendliche haben mit vielen Projekten bewiesen, dass ihnen die Politik wichtig ist und sie die Chance verdienen, dies auch bei den Wahlen zu zeigen. Seite 20, Kompakt Zeitung Nr. 243