„Tag der Arbeit“ in Ungarn

Der deutsche Handballmeister SC Magdeburg kämpft in Veszprém erneut um den Einzug ins Final-Four-Turnier der Champions League. | Von Rudi Bartlitz

Nicht nur wie hier ist SCM-Star Omar Ingi Magnusson am 1. Mai in Veszprém gefragt. (Foto: Peter Gercke)

Bennet Wiegert wirkte am vergangenen Mittwoch zu später Abendstunde in den Katakomben der Getec-Arena ziemlich angefasst. Grund dafür war nicht einmal so sehr der Umstand, dass im Viertelfinale-Hinspiel der Champions League gegen das ungarische Top-Team aus Veszprém nur ein 26:26-Remis herausgesprungen war. Ein Resultat, das die Magdeburger die Reise zum Rückspiel am Donnerstag unter nicht gerade günstigsten Voraussetzungen antreten lässt. Was den Cheftrainer der Grün-Roten viel mehr umtrieb, war etwas anderes: die schwere Achillessehnen-Verletzung von Matthias Musche. Ein Schock. Sie zieht den Kapitän für lange Zeit aus dem Verkehr. Dabei war der Linksaußen, seit Monaten in blendender Verfassung, zuletzt einer der Eckpfeiler des Teams.

 

Dennoch, die Albtraum-Serie langwieriger Verletzungen, von denen der SCM derzeit heimgesucht wird (zurzeit fallen neben Musche Oscar Bergendahl und Manuel Zehnter aus, davor betraf es Omar Ingi Magnusson, Gisli Kristjansson und Felix Claar), werfen das Team nicht um. „Wir haben Chancen, in Veszprém weiterzukommen“, zeigte sich Wiegert am Sonntag nach dem Bundesliga-Erfolg in Wetzlar (32:29) überzeugt. Es sei von vornherein klar gewesen, dass man für eine Qualifikation zum Final Four am 14./15. Juni in Köln eventuell sogar in Veszprém gewinnen müsse. Nicht ohne hinzuzufügen: „Aber da müssen wir in Veszprém besser spielen als in Wetzlar.“

 

Sollte den Magdeburgern das Husarenstück gelingen, wäre es für sie die dritte Teilnahme am Final Four seit der Wettbewerb in Turnierform ausgetragen wird (2010, seither permanent in der knapp 20.000 Zuschauer fassenden Lanxess-Arena in Köln). 2023 kehrte man sogar mit der Trophäe umjubelt an die Elbe zurück, im vergangenen Jahr reichte es nach Niederlagen gegen Aalborg und Kiel nur zu Rang vier. Auch wenn der sportliche Erfolg alles überstrahlt, das Finanzielle ist bei diesem Wettbewerb nicht zu verachten. Für den Sieger ist der wertvollste internationale Wettbewerb für Vereinsmannschaften immerhin mit einer Gesamtsumme von einer Million Euro dotiert.

 

Doch davor haben Handball-Götter eben die Hürde Veszprém aufgerichtet. Für eine Reihe von Experten ist das Team aus der nur wenige Kilometer vom Balaton entfernten Stadt mit ihren 55.000 Einwohnern in dieser Saison sogar der Titel-Anwärter Nummer eins. Auch mit Blick auf die beeindruckende Gruppenphase: Veszprém holte 24 Punkte (die meisten aller Teams). Die beiden einzigen Niederlagen dieser Königsklassen-Spielzeit kassierte das Team des spanischen Trainers Xavier Pascual bei Sporting Lissabon (30:39) und am letzten Spieltag gegen die Füchse Berlin (32:33), als es für die Hausherren um nichts mehr ging. Bringt der SC Magdeburg nun also im Viertelfinale die Superstar-Ansammlung zu Fall?

 

Wiegert hatte im Vorfeld der beiden Partien auf Nachfrage des Portals Handball World erklärt, dass die größte Stärke Veszpréms in der Kaderbreite liege. Nach der Verletzung von Yehia Elderaa hat der Klub mal eben Aron Palmarsson aus Island zurückgeholt. Weil der Ex-Magdeburger Mike Jensen im Tor ausfällt, wurde der künftige Melsunger Kristof Palasicsvorzeitig von Benfica Lissabon einbestellt. Auf Linksaußen sind Bjarki Mar Elisson (Bundesliga-Torschützenkönig 2019/20) und Hugo Descat (Olympiasieger 2021 und Europameister 2024) unterwegs. Spielmacher ist der Kroate Luka Cindric. Er nimmt im System des spanischen Coachs eine Schlüsselrolle ein. Pascual und Cindric arbeiteten schon in Barcelona und bei Dinamo Bukarest zusammen. In Nedim Remili zählt einer der besten Spieler der Welt zum Ensemble der Ungarn. Er ist auf dem Papier ein rechter Rückraumspieler – ebenso wie Lukas Sandell, schwedischer Europameister 2022. Last but not least: Am Kreis ist mit Ludovic Fabregas ein weiterer bärenstarker Franzose gesetzt. Mit ihm hatte der SCM im Hinspiel die größten Sorgen – von acht Würfen verwandelte er acht.

 

Seit Jahren jagt der Top-Klub aus Veszprem mit aller Macht dem ersten Champions-League-Titel der Vereinsgeschichte hinterher. Koste es, was es wolle. Geld scheint kaum eine Rolle zu spielen. Nachdem im vergangenen Jahr erstmals die Vereins-Weltmeisterschaft erobert wurde, soll nun auch die CL-Trophäe an den Balaton. Vier Mal wurde bisher Anlauf genommen, vier Mal scheiterte man. 2002, 2015, 2016 und 2019 gelang der Einzug ins Finale, das aber stets verloren wurde.

 

Dass sich der Magyaren-Klub zu Jahresbeginn einen neuen Vereinsnamen zulegte, der, wie es zumindest scheint, die eigenen Ambitionen zusätzlich symbolisieren soll, mag sicher Zufall sein. Jedenfalls firmiert er jetzt als One Veszprém HC. Nachdem er sich zuvor unter anderem Fotex, Elekom, MVM und MKB nannte. Hintergrund: In Ungarn darf ein Handballverein offiziell den Namen seines Hauptsponsors tragen. Bei „One“ handelt es sich um das Telekommunikations-Unternehmen 4iG. Mit dem neuen Namenspatron soll nun der endgültige Aufstieg zur Nummer eins der besten Handballklubs der Welt gelingen. Und da käme ein Sieg gegen den SCM, den Trainer Pascual ehrfürchtig „einen der besten Klubs der Welt“ nennt, gerade recht.

 

Sollte der SCM – nach Ansicht seiner Fans natürlich wider Erwarten – an den Ungarn scheitern, bleibt ja noch die Meisterschaft. Dort liegen die Elbestädter nach dem Wochenend-Erfolg in Wetzlar mit nur einem Minuszähler mehr belastet hinter den punktgleichen Spitzenteams Füchse Berlin und MT Melsungen noch aussichtsreich im Rennen. Zumindest Platz zwei hinter dem augenblicklichen Meisterschafts-Favoriten Nummer Eins aus der Hauptstadt sollte möglich sein. Dann wäre der SCM auch in der Saison 2025/26 wieder in der Champions League dabei. Egal, wie die Begegnung am 1. Mai in Ungarn ausgeht. Wie auch immer, ein „Tag der Arbeit“ verspricht es dort allemal zu werden.

Nr. 278 vom 30. April 2025, Seite 24

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