Wohnfläche heute doppelt so groß wie 1965

Thomas Wischnewski

Über den Flächenverbrauch durchs Wohnen wird gerade viel diskutiert. Das Einfamilienhaus sollte nach einer Idee des grünen-Politikers Anton Hofreiter wegen zunehmender Flächenversiegelung am besten auf den Idex. Fakt ist, das die genutzte Wohnfläche in Deutschland über viele Jahre angestiegen ist. Im Jahr 1965 standen pro Einwohner 22,3 Quadratmeter (m²)zur Verfügung. Laut Statistischem Bundesamt hat sich die genutzte Fläche bis 2019 auf 47 m² pro Kopf mehr als verdoppelt. Im Jahr der Deutschen Einheit betrug die durchschnittliche Wohnfläche im Osten 28,2 m² und im Westen lag sie damals schon bei 34,8 m².

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Das Umweltbundesamt sieht die Gründe für die gestiegene Fläche einerseits im Bevölkerungswachstum. Zwischen 2011 und 2019 nahm die Zahl der Wohnungen in Deutschland um 4,6 Prozent zu, während die Bevölkerung im gleichen Zeitraum um rund 3,5 Prozent wuchs. Als Hauptursache wird hierbei die Zuwanderung in den vergangenen Jahren ausgemacht. Während in den meisten Bundesländern die Bevölkerung zunahm, schrumpfte sie in Sachsen-Anhalt (-3,6 %), Thüringen (-2,2 %) und im Saarland (-1,1 %). Im gleichen Zeitraum stieg der Wohnungsbestand jedoch in allen Bundesländern, also auch in Thüringen (+2,2 %), im Saarland (+2,9 %), und geringfügig in Sachsen-Anhalt (+0,4 %). In Baden-Württemberg, Hessen und den drei Stadtstaaten wächst die Bevölkerung teilweise deutlich schneller als der Wohnungsbestand. Hingegen wächst in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein der Wohnungsbestand wesentlich schneller als die Bevölkerung.

 

Ein Grund dafür ist die immer noch zunehmende Versorgung mit Eigenheimen und großen Wohnungen, obwohl die Haushalte im Mittel immer kleiner und vor allem Ein-Personenhaushalte immer häufiger werden. Im Mittel teilten sich 2019 nur noch zwei Menschen eine Wohnung, der Anteil der Ein-Personenhaushalte lag bei 39,7 Prozent. Der Trend zu Haushalten mit weniger Personen führt dazu, dass die Bevölkerung insgesamt mehr Wohnfläche beansprucht. Im Jahr 2018 lag die Wohnfläche pro Kopf in Ein-Personenhaushalten mit 68 Quadratmetern um mehr als ein Drittel höher als die Wohnfläche pro Kopf in Zwei-Personenhaushalten mit 49 m². Die Mitglieder von Haushalten mit drei oder mehr Personen beanspruchten sogar nur eine durchschnittliche Fläche von 33 m². Ein wichtiger Grund für die geringere Wohnflächenbeanspruchung pro Person in Mehr-Personenhaushalten ist die gemeinsame Nutzung von Küche, Bad und Flur.

 

Den meisten Wohnraum belegen die Älteren in Deutschland. Der Grund dafür ist, dass Eltern nach Auszug der Kinder oft in der großen Familienwohnung bleiben. Vor allem Wohnungseigentümer sind wenig geneigt, nach der Familienphase in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Ein-Personenhaushalt in der Altersgruppe über 75 Jahre bewohnte im Jahr 1978 noch 55 Quadratmeter, im Jahr 2010 waren es bereits rund 78 m². Die Wohnflächenbelegung junger Ein-Personenhaushalte ist hingegen seit 1978 – mit kleinen Schwankungen – nicht wesentlich gewachsen und blieb unter 50 m².

 

Jeder bewohnte Quadratmeter Fläche in Gebäuden führt zu höherem Energieverbrauch, denn die Fläche wird beleuchtet, beheizt, mit Bodenbelag versehen und möbliert, muss gereinigt und instand gehalten werden. Dies führt zu erhöhtem Energie- und Ressourcenverbrauch. Aufgrund des Lockdowns werden die Forderungen nach einem Recht auf Homeoffice lauter. Dies würde vermutlich dazu führen, dass pro Kopf noch mehr Flächenbedarf entsteht. Mehr Wohnraum führt auch zu höheren Ausgaben bei der Wohnungsausstattung. Lagen die Ausgaben pro Jahr noch durchschnittlich bei 444 Euro, stiegen sie bis 2018 auf 529 Euro pro Kopf.

 

In einer Prognose aus dem vergangenen Jahr wird behauptet, dass die Pro-Kopf-Fläche beim Wohnraum bis 2030 auf rund 55 Quadratmeter steigen könnte. Eine aktuelle Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt jedoch, dass der Durchschnittsverbrauch aktuell gerade rückläufig ist. Vor allem für junge Menschen wird es in Ballungszentren schwieriger, Wohnraum zu finden bzw. sich dort Mieten zu leisten. Auch bei den Eigentümern von Wohnraum ist eine Trendumkehr zu sehen. So hat sich der Anteil der unter 45-jährigen Immobilienbesitzer seit der Jahrtausendwende halbiert. 2018 lag sie demnach nur noch bei 15 Prozent. Die Kaufpreise in Städten steigen, sodass junge Menschen ein höheres Eigenkapital zur Finanzierung benötigen. Und die Versingelung führt dazu, dass Alleinstehende seltener in Eigentum investieren, um insgesamt flexibler beim Arbeits- bzw. Wohnortwechsel zu sein.

 

 

Die durchschnittliche Wohnungsgröße beträgt in Deutschland 100 Quadratmeter. Während allerdings Eigentümer im Schnitt auf 125 m² leben, wohnen Mieter statistisch nur 75 m². Mieter beanspruchen also im Durchschnitt nur 35 m² Wohnraum pro Kopf. In ländlichen Regionen, in denen Wohnraum in der Regel günstiger ist, wird häufig großzügiger gebaut. Dort ist auch eine hohe Eigentümerquote zu finden. Sie liegt bei rund 75 Prozent. In großen Städten kehrt sich das Verhältnis um. Dort zahlen drei von vier Menschen Miete. Obwohl politisch die Eigentumsbildung zur Altersvorsorge seit Jahren propagiert wird, zeigt sich ein gegenteiliger Trend. Neben der wachsenden Anzahl an Singles, führt die Zuwanderung vieler armer Flüchtlinge und die fortschreitende Akademisierung, weswegen das Berufseinstiegsalter steigt als auch der Mobilitätsdruck am Arbeitsmarkt zu einem Rückgang bei der Eigentumsbildung. Es darf also angenommen werden, dass künftig eher weniger Fläche pro Kopf benötigt wird, es sei denn die Zuwanderung würde forciert werden. Dann ist jedoch fraglich, ob das im Sinne der politischen gewollten Klimaschutzes ist. Schließlich erfordern die deutschen Bauvorgaben zur Energieeffizienz den Einsatz wesentlich höherer Ressourcen als das teilweise auf der Südhalbkugel nötig wäre.

Seite 24, Kompakt Zeitung Nr. 181

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