Liebe Mütter oder liebe „gebärende Person“?

Prof. Dr. Reinhard Szibor und Thomas Wischnewski

Mütter erfuhren in der Vergangenheit in allen Kulturen Hochachtung. In Deutschland und anderen westlichen Ländern gilt das heute offenbar nicht mehr. Misogyne Minderheiten möchten Wörter wie „Mütter und Frauen“ am liebsten aus dem Sprachgebrauch verbanden, weil diese angeblich negativ konnotiert sind. Ein Beitrag zum Muttertag und zur Vernebelung von Begriffen.

Die Tagesschau wollte am 1. April eine Minderheit sprachlich inkludieren und hat das Wort „Mutter“ durch die Wortkonstruktionen „gebärende und entbindende Personen“ ersetzt. Man hätte das für einen April-Scherz halten können. Es war aber keiner. Entsprechend wuchs darüber der Proteststurm. Die ARD ruderte zurück. Doch worum geht es sprachsensiblen Wortschöpfern und einer sich formierenden Gegnerschaft? Der öffentlich ausgetragene Disput hat inzwischen die Argumente überdeckt. Es bleiben nur noch Fronten und Gräben übrig. Darunter geht das eigentliche Anliegen für Sichtbarmachung und Integration unter.


Fakt ist, soziale Geschlechtervorstellung, die von sogenannten bipolaren abweichen, existieren und sie differenzieren sich mit den Möglichkeiten menschlicher Kreativität weiter aus. Jedoch können Denk- und Sprechakte nicht einfach biologische Grundvoraussetzung bzw. die DNA des Menschen hinsichtlich der Fortpflanzung verändern. Es erscheint jedoch in der Argumentation der Befürworter von Sprachänderung, als wäre dies möglich. Und dass daraus mittlerweile eine politische Programmatik mit weitreichenden Gesetzesveränderungen geworden ist, schürt den Eindruck, dass der Mensch mit seinem Ideenpotenzial die Kräfte der Natur, aus der er kommt, überwinden könnte.


Missglückter Begriffswandel

 

Ein einfaches gesellschaftliches Beispiel, dass die Einführung eines anderen Begriffs soziale Mechanismen nicht einfach aushebeln kann: Im vergangenen Jahrhundert wurde im engen Zusammenspiel von Gruppen eher das Wort Seilschaft verwendet. Obwohl der Begriff ursprünglich von den Bergsteigern entnommen wurde und gegenseitigen Halt, Sicherheit und Schutz vor Abstürzen bedeutete, zog er in wirtschaftlichen und politischen Sphären negativ für Kungelei und fürs Agieren zum gegenseitigen Vorteil ein. Für die Interaktion von Gruppen wurde er am Ende des vergangenen Jahrhunderts durch das Wort Netzwerk ersetzt. Der Bedeutungsursprung eines Netzes liegt aber beispielsweise bei Spinnen- oder Fischernetzen, mit deren Hilfe etwas gefangen wird. Die Umdeutung vom Negativen in ein Positivverständnis hat hier gut funktioniert. Aber das vertrauenswürdige Miteinander zum gegenseitigen Vorteil ist dadurch keinesfalls verändert worden. Das Beispiel von Vetternwirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium ist ein Beleg dafür. Die Netzwerke Gleichgesinnter werden nicht besser, weil man sie heute nicht mehr Seilschaften nennt, obwohl sie genau solche sind.


Vor kurzem hat die Literaturwissenschaftlerin Tina Hartmann in einem Essay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Wort Frau als misogyn erklärt. Es sei frauenfeindlich, weil es vor Tausenden von Jahren von Männern zur Abgrenzung zum eigenen Geschlecht erfunden und definiert worden sei. Versucht man die komplexe Entwicklung der Zivilisation rein an Begriffen festzumachen, ignoriert man die gegenseitige Beeinflussung und verengt alles – vor allem heutzutage – in eine einzige Männerverantwortung. Nun stand bei der ARD also das Wort Mutter im Verdacht, bestimmte Personen auszugrenzen bzw. andere könnten nicht mitgenannt sein. Festzuhalten ist, dass man mit einem technokratisch-erzeugten Vokabular die Emotionalität, die in der Bindung von Frauen und ihren Kindern steckt, ausblendet. Oder anders gesagt: Gefühle von Menschen sollen durch Sprache nicht verletzt werden, doch genau solche Verletzungen werden mit der Ausblendung des Mutter-Begriffes erzeugt. Gebären können – und das ist absehbar nicht änderbar – eben nur Frauen mit einer entsprechend natürlichen Voraussetzung. Und noch eines: Die Bedeutung von Begriffen ändert sich vorrangig durch reale Sichtbarkeit von Menschen bzw. Geschehnissen, nicht durch schulmeisterliche Unterweisung.


Wie kommen Politiker und Journalisten des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie in Printmedien auf die Idee, das Wort Mutter zu ersetzen? Eine Sprecherin des Familienministeriums von Lisa Paus antwortete auf Anfrage eines Pressevertreters: „Die Kategorie Geschlecht unterliegt je nach Kontext unterschiedlichen Perspektiven und Begriffsbestimmungen, je nach Betonung, zum Beispiel biologischer, rechtlicher oder sozialer Aspekte … es gibt gebärende Männer und zeugende Frauen“. Das wirft Fragen auf. Könnte es sein, dass das verpönte M-Wort nicht nur bei der Tagesschau sondern bald auch in der Geburtsurkunde durch „gebärende oder entbindende Person“ ersetzt wird? Dabei passt der Begriff „entbindende Personen“ gar nicht, weil man dabei eher an Geburtshelfer denkt, also Hebammen und Gynäkologen. Könnten hier demnächst zwei Väter stehen, ein zeugender und ein gebärender Vater?


Wer sind eigentlich die Ideengeber für solche Theorien? Es gibt längst Beispiele aus der „Schönen Neuen Welt“. Dem Transmann Thomas Beatie wurde 2008 international mediale Aufmerksamkeit zuteil, weil er als „erster schwangerer Mann“ in die Geschichte einging. Der Israeli Yuval Topper-Erez brachte als selbsterklärter Mann drei Kinder auf die Welt. Er teilte die Fotos der besonderen Hausgeburt, um ein Zeichen für gebärende Trans-Männer zu setzen. Die Presse und einige Politiker jubelten. 217 Professuren mit einer Voll- oder Teildenomination für „Frauen- und Geschlechterforschung/Gender Studies“ an deutschsprachigen Hochschulen (Stand Juli 2019) verleihen dem Ganzen einen angeblich wissenschaftlichen Anstrich.


Wer macht welche Gesetze?

 

Das Volk hat die Macht, Gesetze zu erlassen. Es wählt die Volksvertreter, die das dann tun. Aber das Volk und seine Vertreter haben nicht die Macht, Naturgesetze außer Kraft zu setzen, nicht einmal die Verfassungsrichter. Die können zwar einen Mann zur Frau erklären und umgekehrt, aber die Biologie können sie nicht ändern. Ja, selbst Ärzte können das mit Skalpell und Hormongaben nicht wirklich. Papst Benedikt XVI. schrieb den Abgeordneten im Bundestag am 22. September 2011 etwas ins Stammbuch: „Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“ Er erhielt dafür stehende Ovationen, aber ein Nachdenken über diese Worte gab es nicht. Das zeigen die Gesetze, die danach entstanden sind.


Was die Biologie betrifft, gab es immer Widersprüche zwischen den Befunden der Wissenschaftler und dem Weltbild der Obrigkeit. In der Zeit des Stalinismus beherrschte der Scharlatan Trofim D. Lyssenko die Szene. Er erreichte, dass seriöse Wissenschaftler, die die Erkenntnis der Genetik vertraten, umgebracht wurden. In Nazideutschland war es lebensgefährlich, die Irrlehren der Rassenkunde in Frage zu stellen. Ganz so schlimm ist es heute nicht mehr, aber Mut braucht man schon, wenn man ein wissenschaftliches Weltbild verteidigt. Wer bekennt, dass er oder sie den oben beschriebenen Genderhype für Unsinn hält und sich anschickt, das mit wissenschaftlichen Daten zu belegen, lebt gefährlich. Man muss mit Konsequenzen rechnen, wenn man als Staatdoktrin verordnete Dogmen aus Queer-Theorien in Frage stellt, wenigstens mit Zensur, in krasseren Fällen mit Schlimmerem.


M. Sc. Marie-Luise Vollbrecht, eine junge Biologin, durfte ihren geplanten Vortrag „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht: Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“ bei der Langen Nacht der Wissenschaften 2022 in Berlin nicht halten. Das haben Garden einer Kulturrevolution 2.0 erreicht, die sich nach chinesischem Vorbild der Mao-Zeit an allen Universitäten Deutschlands und anderen westlichen Ländern gebildet haben. Die Namensliste zensierter Wissenschaftler ist lang. Pars pro toto: Dem Biologen Richard Dawkins, der 2013 von einer hochkarätigen Jury zum wichtigs-ten Denker unserer Zeit gewählt wurde, hat kürzlich die American Humanist Association den zuvor von ihr verliehenen Titel „Humanist des Jahres“ wieder aberkannt. Das kann ihm aber egal sein, denn er steht über den Dingen. Auslöser war ein Tweet zum Thema „Geschlechtliche Identität“. Er hatte darin den Stand der Biologie vertreten. Nicht egal war der Philosophie-Professorin Kathleen Stock die Hexenjagd gegen sie, die ein studentischer Mob von ihrer University of Sussex inszeniert hatte. Stock weist in ihren Schriften naturwissenschaftlich korrekt das Konzept einer von der Anatomie unabhängigen „Genderidentität“ zurück. Entnervt von dem Psychoterror quittierte sie ihren Job.


Man sollte denken, dass angesichts der Verhältnisse an den Universitäten ein Sturm der Entrüstung ausbricht. Das geschieht aber nicht, denn viele Wissenschaftler fürchten, dass sie ihre Laufbahn gefährden. Die Angst ist verständlich. Jene, die wie der Autor Reinhard Szibor, die wissenschaftliche Karriere hinter sich haben, könnten doch ihre Stimme erheben. Sie sind damit in bester Gesellschaft. Christiane Nüsslein-Volhard, die als erste und einzige deutsche Frau den Medizin-Nobelpreis erhielt, ist an ihrer Seite.


Wird Misogynie Staatsdoktrin?

 

Feministinnen täten gut daran, dafür zu kämpfen, dass Benachteiligungen von Müttern, die mehrere Kinder aufgezogen und damit ein funktionierendes Rentensystem ermöglicht haben, in Bezug auf ihre eigenen Rentenansprüche nicht benachteiligt werden. Bis heute geraten viele Frauen durch ihre Mehrfachmutterschaft in Altersarmut, während kinderlose Frauen reichliche Renten beziehen. Die sogenannten Feministinnen widersprechen diesem Prinzip nicht, stattdessen kümmern sie sich um Firlefanz.


In Freiburg i. Br. hat kürzlich eine Kommission Straßennamen überprüft. Personen, die mit zweifelhaftem Verhalten oder gar mit Verbrechen in Zusammenhang gebracht werden, sollen nicht mehr durch Straßennamen geehrt werden. Soweit so gut! Man traut allerdings seinen Augen nicht, dass auch Carl von Linné (1707-1778) auf den Index geriet. Linné gehört zu den größten Wissenschaftlern aller Zeiten. Er hat die belebte Natur mit seinem bahnbrechenden Werk „Systema Naturae“ systematisiert. Er teilte die Lebewesen nach Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen und Species ein. Nach seiner Nomenklatur ist der geschätzte Leser dieser Zeilen ein Homo sapiens, die Hundsrose eine Rosa canina und unsere Honigbiene eine Apis mellifera. Und was ist Linnés Verbrechen? Er hat eine Klasse der Wirbeltiere, zu der auch wir Menschen gehören, nach ihrer Eigenschaft als Mammalia (Säugetiere) definiert. Damit hätte Carl von Linné die dienende Rolle der Weiblichkeit proklamiert, sagen die Kritikerinnen. Seine taxonomische Entscheidung für die weibliche Brust sei ein politisches Programm. Die Frauen seien durch ihn auf ihre Mutterpflichten verwiesen worden. Der Gedanke, dass biologische Eigenschaften, die für eine ganze Klasse von Lebewesen prägend sind und sich für eine taxonomische Klassifikation eignen, nicht von einem rot-grünen Politbüro festgelegt werden können, sondern nach objektiven Tatsachen erfolgen muss, ist manchen Genderaktivistinnen fremd. Dass Frauen gern Mütter sein und ihre Kinder stillen wollen, wird in diesen Kreisen scheinbar geringgeschätzt.


Herabstufung von Frauen

 

Wenn Frauen und Mütter zu „gebärenden und entbindenden Personen“, „Menschen, die menstruieren“ oder, wie jüngst im Thüringer Landtag „Menschen mit Uterus“ heruntergestuft werden, ist dies an Menschenverachtung kaum zu überbieten. Diese und andere vermeintlich fortschrittliche Formulierungen laufen darauf hinaus, diesem Personenkreis die Würde zu nehmen und Wörter wie „Frau“ und „Mutter“ aus unserer Sprache zu eliminieren. Aber die wichtigste Person im Leben eines Menschen ist die Mutter. Sie hat uns unsere Existenz geschenkt. Sicher, aus der Sicht eines Genetikers, ist der Beitrag des Vaters, hinsichtlich der beigesteuerten Gene, fast genau so groß. Aber wir wissen, dass die Gene nicht alles sind und die Erbanlagen sich nur in einem positiven Umfeld optimal entfalten können. Das fängt an im Uterus, an der Mutterbrust und im häuslichen Umfeld. Hinzu kommt, dass die Mutter während der Schwangerschaft mit dem heranwachsenden Kind quasi eine körperliche Einheit bildet, die sie psychologisch während ihres gesamten Lebens beibehält. Wie die verfemte (angeblich rechte) Autorin Birgit Kelle in ihrem Buch „Das Muttertier“ beschreibt, sorgen sich Mütter um das Wohlergehen ihrer Kinder lebenslang, auch noch dann, wenn der Nachwuchs erwachsen und emanzipiert ist. Das ist unauslöschlich in der Natur einer Mutter verankert. Übrigens wachsen sogar Frauen, die in altruistischem Bestreben oder weil sie in einer richtigen Familie leben wollen, Kinder adoptieren, in die Mutterrolle hinein und sind hinsichtlich ihrer liebenden Fürsorge schon nach kurzer Zeit von genetischen Müttern nicht zu unterscheiden.

Kein Ruhmesblatt für Magdeburg ist, dass Birgit Kelle, die das traditionelle humanistische Mutterbild verteidigt, ihren Vortrag am 19. September 2018 im Magdeburger Blüthnersaal erst nach einem beherzten Gesichtzeigen des Publikums und schließlich unter Polizeischutz zu Ende bringen konnte, weil hier wiederum die radikalen Garden Schrei-Terror ausübten.


Enttäuschung geht von den Kirchen aus, die angesichts der hier beklagten Dekadenz eigentlich ihre Rolle als moralische Instanz annehmen und ihre Stimme für die Verteidigung eines christlichen Menschenbildes und der Würde von Frauen und Müttern erheben sollten. Allerdings schwindet seit dem 36. Kirchentag der EKD 2017 die Hoffnung. Da wurde das Nationale Kulturgut der deutschen Kirchenlieder in einem neuen Liederbuch gegendert und somit verhunzt. Es ist zu befürchten, dass zumindest die evangelische Kirche unsere Werte nicht verteidigen, sondern wieder einmal dem Zeitgeist huldigen wird. Werden wir also in einer der nächsten Weihnachtspredigten anstatt von der „Mutter Maria“ von der „Person, die den Heiland geboren hat“ hören müssen?


Am 2. Sonntag im Mai begehen wir alljährlich den Muttertag. Tradition, Würdigung und Aufmerksamkeit, die jeder für sich an diesem Tag seiner Mutter entgegenbringt, ist eine persönliche Angelegenheit, die kann niemals auf einer gesellschaftlichen oder medialen Ebene gerecht verhandelt werden.

Seite 4-5, Kompakt Zeitung Nr. 232

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