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Der Traum des Florian Wellbrock

Rudi Bartlitz

Jenes Bild aus der Magdeburger Elbeschwimmhalle könnte eigentlich Sportromantikern die Tränen in die Augen treiben: Auf der einen Bahn Olympiasieger Florian Wellbrock, auf der anderen, kaum zwei Meter entfernt, jener kleine Schwimm-Eleve, der ehrfurchtsvoll zu dem SCM-Star hinüberblickt. Beide nebeneinander im Wasser. Fast schon zu kitschig-schön. Stellt sich so nicht der sportliche Gutmensch in seinen kühnsten Höhenflügen das Nebeneinander von absolutem Hochleistungs- und Nachwuchssport vor?


Wenn da nicht ein Haken wäre. Wellbrock, der Goldfisch von Tokio, muss hier – zusammen mit seiner Truppe, einer der besten Schwimm-Trainingsgruppen der Welt – seine Bahnen durchs Wasser ziehen. Er muss. Eine Alternative existiert nicht. Es sei alles andere als ideal, sich die Halle die meiste Zeit mit Nachwuchsschwimmern oder Badegästen teilen zu müssen, sagte Coach Bernd Berkhahn jüngst dem MDR. Wellbrock pflichte seinem Trainer bei: „So schön es ist, wenn nebenan Kinder das Schwimmen lernen, unsere Abläufe beeinträchtigt es doch. Oft sind aufgrund des Lärms in der Halle die Anweisungen des Trainers gar nicht zu hören.“ Vom begrenzten Platz redet er gar nicht mehr … Die Konkurrenz der Magdeburger Top-Schwimmer – zu denen neben Wellbrock unter anderem die SCM-Europameister Isabel Gose und Lukas Märtens, der in Magdeburg als Gast weilende ukrainische Europameister Mychailo Romantschuk und die niederländische Olympiasiegerin Sharon van Rouwendal zählen – wird da nur ungläubig den Kopf schütteln. In den USA, Australien, Canada oder Großbritannien, wo die Spitzenleute Hallen zur Verfügung haben, wann immer sie wollen, wäre eine derartige Praxis undenkbar.


So wie jetzt kann es jedenfalls nicht bleiben. „Für eine optimale Förderung des Spitzensports muss in Sachsen-Anhalt ein neues Schwimmzentrum entstehen“, fordert FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack. Damit werde der Spitzensportstandort Sachsen-Anhalt gestärkt und gesichert. Die vorhandene Infrastruktur mit dem SCM sowie dem Olympiastützpunkt Sachsen-Anhalt für die Bundeskader im Land qualifiziere Magdeburg als Bundeszentrum, betonte Silbersack. Der Landtag gab schon einmal sein Okay. Für den Bau einer solchen Einrichtung werde jedoch zusätzlich Geld vom Bund benötigt. Gemessen an den Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften sei der Standort Magdeburg der erfolgreichste der insgesamt sieben Bundesstützpunkte in Sachsen-Anhalt. Die Crux: Ausgerechnet ihm fehlen geeignete Schwimmstätten.


Die neue Schwimmhalle, die in Sachsen-Anhalts Hauptstadt bis 2028 entstehen soll, wird nur dem Leistungssport zur Verfügung stehen. Sie soll die inzwischen 61 Jahre alte Elbeschwimmhalle ablösen, in der einer Gruppe von 20 Top-Athleten in der Regel nur drei Bahnen zur Verfügung stehen – einfach zu wenig für den Profisport. Geplant ist ferner, die neue Halle zu einem zentralen Anlaufpunkt für Lehrgänge und Trainingslager für das gesamte deutsche Hochleistungsschwimmen zu machen. Dass sie in Magdeburg errichtet wird, dafür spricht sich auch der Leistungssportdirektor des Deutschen Schwimmverbandes (DSV), Christian Hansmann, aus. Magdeburg sei derzeit „der stärkste deutsche Stützpunkt“. Die Kosten sollen zu etwa 90 Prozent vom Bund getragen werden. Insgesamt sind 50 Millionen Euro für den Komplex veranschlagt. Fünf Millionen sind, so ist zu hören, derzeit sicher.


Um das Projekt weiter in Gang zu bringen, fehlt noch die Unterstützungszusage von DOSB und DSV. „Ich hoffe, dass sich jetzt alle geschlossen dazu bekennen. Für den Verband ist es eine Riesenchance, so ein Zentrum aufzubauen, in dem es Möglichkeiten gibt, Nationalteams und Personal weiterzuentwickeln”, sagt Trainer Bernd Berkhahn der „Bild“.  Das Projekt „stößt genau in die Bereiche vor, in denen der Sport große Defizite hat. Trainerausbildung, vernünftige und moderne Trainingsstätten, die in eine funktionierende Sportinfrastruktur eingebunden sind.” Seine Magdeburger Trainingsgruppe ist zurzeit die erfolgreichste der Nation. 25 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften erschwammen die Athleten in den letzten fünf Jahren.


Absoluter Star unter ihnen ist natürlich Olympiasieger Wellbrock. Magdeburgs erster Goldmedaillengewinner seit 2008, als dieses Kunststück in Peking den beiden Kanuten Conny Waßmuth und Andreas Ihle gelungen war. Der 26-Jährige, der 2015 aus Bremen nach Magdeburg kam, startet vor allem über längere Freistilstrecken und im Freiwasser. Er ist fünffacher Weltmeister im Becken und Freiwasser (2019–22) sowie seit 2021 Weltrekordhalter über 1500 Meter Freistil auf der Kurzbahn. Über die 10-km-Freiwasserdistanz gewann er 2021 die Goldmedaille bei Olympia in Tokio.


Nun liebäugelt Wellbrock auch damit, die Einweihung der neuen Halle in seiner Heimatstadt mitzuerleben. Und zwar nicht als Ehrengast oder ähnliches, sondern als Aktiver im Wasser. „2028 will ich schon noch dabei sein“, meinte er unlängst. „Ich gehe davon aus, wenn der Körper noch mitmacht.“ Ob die Halle dann nicht eventuell den Namen Wellbrocks tragen könnte, wurde Sachsen-Anhalts Sportministerin Tamara Zieschang vom MDR gefragt. Die Antwort der CDU-Politikerin: Sie wird Schwimmzentrum für Deutschland heißen. „Aber vielleicht liegt sie dann“, fügte sie schmunzelnd hinzu, „an der Berkhahn-Straße …“

Seite 18, Kompakt Zeitung Nr. 233

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