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Stadtmensch: Buddeln für Krummdenker

Lars Johansen

„Es gibt zwei Sorten von Menschen: Die einen haben einen geladenen Revolver, die anderen buddeln.“ So formulierte es einmal Clint Eastwood in dem wunderbaren Western „Zwei glorreiche Halunken“. Er hatte Recht und es ist bis heute so geblieben. Wir buddeln. Und dieses Buddeln ist so sinnfrei wie nutzlos. Aber wir haben eben keinen geladenen Revolver, sondern fühlen uns bedroht von der Energiekrise, mit welcher wir zurzeit konfrontiert sind. Diese ist vor allem selbstgemacht, denn wir schaffen es schon seit Jahrzehnten nicht, auf erneuerbare Energien umzusteigen. Aber statt endlich damit ernsthaft anzufangen, buddeln wir. Diesmal geschieht es in Lützerath. Nicht dass dieser Ort besonders wichtig wäre, er steht tatsächlich leer und muss nur noch endgültig abgerissen werden, um vom Erdboden zu verschwinden. Denn wirklich wichtig ist uns nur dass, worauf er sich befindet. Dort lässt sich nämlich Braunkohle finden.

Wenn uns Lützerath eines gezeigt hat, dann dass die aktuelle Umwelt- und Energiepolitik nicht gerade innovativ daherkommt. Braunkohletagebau ist so ziemlich die dümmste Idee, um uns über die Energiekrise hinwegzuhelfen. Bei dem hohen Wassergehalt von Braunkohle kann es wohl kaum eine wenig effizientere Methode zur Energiegewinnung geben. Und wie die Landschaften danach aussehen, das kann man sehr gut in den Mondlandschaften der Lausitz sehen. Das wirklich Schizophrene an der Situation ist, dass dort der für 2038 geplante Ausstieg auf 2030 vorgezogen werden soll, während man im Rheinland neue Abbaustätten errichtet. Wie will man das denkenden Menschen vernünftig vermitteln? Nun ja, vielleicht haben die Energieriesen in Deutschland geladene Revolver dabei und zwingen die Politik zum Buddeln. In Nordrhein-Westfalen regiert ein grüner Umweltminister, auch im Bund haben die Grünen dieses Ministerium in ihren Händen. Sie könnten also die Energiewende durchsetzen. Aber sie tun es nicht. Damit stoßen sie bewusst einen Teil ihrer Wählerklientel vor den Kopf. Es sind vor allem die jungen Menschen, welche nicht verstehen, was dort geschieht. Denn diese stehen bei „Fridays for Future“ auf den Straßen, reisten nach Lützerath, um dort mit zu blockieren und sind wenig begeistert davon, dass auch 2022 die Klimaziele der Bundesregierung wieder verfehlt wurden. Von den Regierenden wird gerne vergessen, dass eine neue Generation heranwächst, für die das Klima ein Dauerthema bleiben wird.

Deutschland sieht sich mit den Auswirkungen massiv konfrontiert. Der Klimawandel ist schon lange bei uns angekommen und manche jungen Menschen nehmen das sehr genau wahr. Wie sich das Klima in den ganzen irgendwann einmal renaturierten Braunkohlerevieren verändern wird, vermag heute niemand zu sagen. Diese in eine ganze Kette von Seen zu verwandeln, mag sich erst einmal gut anhören, doch es bedeutet auch, dass Wasser dafür von irgendwoher kommen muss. Und die trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass gerade dieses ein seltenes Gut geworden ist. Tausende von Waldbränden alleine im vergangenen Jahr sprechen eine deutliche Sprache. Die Bilder vom brennenden Brocken dürften sich allen Sachsen-Anhaltern ins Gedächtnis „gebrannt“ haben. Den jungen Menschen ist dieser Sachverhalt vielleicht klarer als vielen Erwachsenen. Dass sie deshalb manchmal schon geradezu hysterisch reagieren, ist auch diesem Umstand geschuldet, dass sie sich als ungehört begreifen. Sie mögen erst einmal groß werden und studieren und dann könnten sie sich möglicherweise äußern. So wird es ihnen von oben mitgeteilt. Aber diese Generation mag sich nicht länger abspeisen lassen. Politischer geworden und auch wütender, sucht sie nun nach Möglichkeiten, dass ihre Ideen in die Zukunftsgestaltung mit einfließen. Eine Greta Thunberg oder Luisa Neubauer existieren nicht im luftleeren Raum, sie werden von einer breiten Bewegung junger Menschen getragen. Beschwichtigungen oder faule Kompromisse vermögen diese nicht zu überzeugen. Sie wollen ernst genommen werden und das sollten wir tun. Denn unsere Zukunft ist eine gemeinsame. Über die Köpfe der Jungen können wir diese nicht gestalten. Nur miteinander wird es gelingen, mit Ehrlichkeit und der Einsicht, dass der Weg nicht leicht wird. Die Jungen wissen das, wir Älteren müssen das nun auch langsam lernen. Aber wir tun uns schwer damit. Denn immer noch wird darüber diskutiert, ob der Klimawandel menschengemacht ist. Einfacher scheint es für einige Zeitgenossen, den natürlichen Klimawandel als naturgegeben hinzunehmen, ohne zu verstehen, dass die natürliche Amplitude, welche es unbestritten gibt, keine solch großen Ausschläge produzieren würde, wie wir sie seit Jahren erleben. Aber diese Menschen werden weniger und reihen sich mittlerweile in die Reihe jener Querdenker ein, welche dieses schöne Wort seit ein paar Jahren in ein Schimpfwort verwandelt haben. Ich würde sie lieber als Krummdenker bezeichnen, die nicht in der Lage sind, geradeheraus zu denken und zu handeln. Das Problem ist, dass man ihnen immer noch zuhört und versucht, ihre Bedenken ernst zu nehmen. Wenn man die jungen Leute von „Fridays for future“ in ähnlicher Weise behandeln würde, dann müsste gerade die grüne Politik radikal anders aussehen. Dann würde es ein Buddeln wie in Lützerath nicht mehr geben. Man würde keinen Gedanken an Braunkohle verschwenden, sondern endlich die große Energiewende einleiten. Zukunftstechnologien gibt es genug, sie müssen nur flächendeckend eingesetzt werden. Niemand braucht eine erneute Diskussion über Atomkraftwerke und deren Laufzeiten, wie sie vor allem von der bayerischen Landesregierung immer wieder ins Gespräch gebracht wird. Saubere Energiegewinnung sieht anders aus. Und Buddeln kann man ja auch gerne da, wo es hingehört: Im Sandkasten.

Seite 10, Kompakt Zeitung Nr. 225

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