Suche

Tickethotline 0391 79294310

KM_LOGO_rb_100px

Salongeflüster:
Wissen oder Wunder

Lars Johansen

Da hatte ich doch jetzt einen Lehrer in meinem Salon. „Wie immer“, sagte er und ich erwiderte wie immer: „Wie bei deinem Unterricht. Einmal vorbereiten und dann 30 Jahre durchziehen.“ Normalerweise mag er meine Frotzeleien, denn er verfügt, im Gegensatz zu anderen seiner Kollegen über Humor. Darum leidet er auch bis heute nicht unter Burn-Out, im Gegenteil, er liebt seine Arbeit und mag sogar die Schüler. Ich schneide ja gewissermaßen direkt über dem Wissensspeicher. Befinde mich mit meinem Handwerk also bei allem, was aus dem Wissen sprießt und schneide gelegentlich weg, wenn da dummes Zeug aus einem Hirn wächst. Spaß beiseite: An diesem Tag war der Pädagoge überhaupt nicht gut drauf. Dabei hatte es doch gerade einen Bildungsgipfel in Sachsen-Anhalt gegeben, denn die Bildungspolitik hier ist der Gipfel. Genauer der Brockengipfel im Sommer, denn da brennt der Baum ja auch. Aber statt zu löschen, gießen die Bildungsexperten noch ein wenig Öl nach.


„Wir sollen jetzt eine Stunde länger arbeiten“, sagte er mir. „Damit wollen sie den Lehrermangel bekämpfen.“ Ich fand das ausgezeichnet, was er nicht verstehen konnte. Dabei scheint mir das wirklich eine großartige Idee zu sein. So wie warme Decken im Winter, statt zu heizen, und schon langt die Rente wieder für eine warme Mahlzeit. Oder der gute alte Waschlappen, statt dieses ewige Duschen. Hygiene wird, wie Bildung, überhaupt überschätzt. Ich biete ja auch schon mal eine Sparglatze für den klammen Herren an. Alles runter, da muss man zu Hause keine Haare mehr waschen. Und auf diesem Niveau bewegt sich der Vorschlag, mehr zu arbeiten, um den Mangel zu beseitigen. Jetzt stieg seine Laune langsam wieder. 


„Die fehlenden Fachkräfte im Land können wir ja dadurch ersetzen, dass wir Intel hier gar nicht erst eröffnen und mit den gesparten Fördermitteln die Ausbildung verbessern.“ Ich sah ihn an: „Wofür denn das, wenn die Firmen, welche die Fachkräfte brauchen, nicht kommen, weil die Fachkräfte fehlen, die erst dann da sind, wenn auch die letzte Firma abgesagt hat?“ „Siehst du“, erwiderte er, „aber genau so funktioniert hier die Bildungspolitik. Wir stampfen die Studiengänge für Lehrer ein, raten jedem ab, auf Lehramt zu studieren, nur um uns ein paar Jahre später über den Lehrermangel zu wundern.“ Wundern war, wie ich fand, ein gutes Stichwort. Wir warten einfach auf eines. Das funktioniert besser als jeder Plan. 

 

In diesem Sinne: Der Nächste bitte.

 

Seite 26, Kompakt Zeitung Nr. 226

Schlagzeilen

Aktuelle Ausgabe

Edit Template

Über uns

KOMPAKT MEDIA als Printmedium mit über 30.000 Exemplaren sowie Magazinen, Büchern, Kalendern, Online-Seiten und Social Media. Monatlich erreichen wir mit unseren verbreiteten Inhalten in den zweimal pro Monat erscheinenden Zeitungen sowie mit der Reichweite unserer Internet-Kanäle mehr als 420.000 Nutzer.