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Es war einmal – Frauen im Märchen

Hanna Diefert

Foto: pixabay

Wir kennen sie alle. Von Generation zu Generation weitergetragen, meist am Abend zum Einschlafen vorgelesen oder zum Belehren genutzt. Märchen sind Geschichten aus aller Welt, zusammengetragen von Lyrikern wie Hans Christian Andersen oder den Gebrüdern Grimm. Doch die Zeiten haben sich geändert. Nicht selten kommt es heute vor, dass Märchen überarbeitet und dem modernen Zeitgeist angepasst werden sollen. Vorwürfe eines traditionellen Rollenbildes der Frau, das längst nicht mehr aktuell zu sein scheint, häufen sich. Schließlich könnte die Prinzessin doch genauso gut den Prinzen retten und somit zur Heldin der Geschichte werden. Doch stellt sich die Frage, ob Frau im Märchen wirklich immer gerettet werden musste.


Zur Veranschaulichung einmal ein Beispiel: Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald. Wer jetzt die Melodie des bekannten Kinderliedes im Kopf hat, wird auch das Märchen kennen. Die Geschwister werden von einer Hexe eingesperrt, die sie zuvor mit Süßigkeiten und leeren Versprechungen angelockt hat. Die Lehre, die daraus gezogen werden soll, ist klar. Hänsel soll schließlich von der Alten gekocht und gegessen werden. Doch dazu kommt es nicht, denn es ist bekanntlich Gretel, die ihren Bruder mit einer kleinen List vor seinem Schicksal rettet. Keine Frage, wer von beiden die Position des Helden übernimmt.


Ähnlich verhält es sich auch bei „Brüderchen und Schwesterchen“. Von der Stiefmutter zu einem Reh verzaubert, muss sich Brüderchen auf die Hilfe seiner Schwester verlassen. Auch als sie sich am Hofe des Königs scheinbar in Sicherheit wiegen. Die Stiefmutter, die ihre richtige Tochter zur Königin machen will, schreckt vor keiner Gräueltat zurück. So kommt Schwesterchen durch die Hand der Hexe um und doch ist es am Ende sie, die ihren Mann vor dem Betrug bewahrt und auch ihren Bruder rettet. Ohne sie wäre der König, blind vor Liebe, in sein eigenes Unglück gerannt. Nicht der König rettet seine Königin, sondern umgekehrt.


Und was ist mit Rapunzel, die sich, anfangs in einem Turm eingesperrt, den strengen Regeln ihrer Mutter widersetzt und allein für ihre Freiheit kämpft? Oder Rotkäppchen, das sich mutig und unerschrocken auf den Weg macht, ihrer Großmutter einen Gefallen zu tun, obwohl im tiefen Wald viele Gefahren lauern? Nicht zu vergessen ist auch die kluge Bauerntochter, die ihren Vater rettet, indem sie ein schwieriges Rätsel des Königs löst und damit allen anderen zeigt, dass sie es würdig ist, Königin zu werden.

 

Es ist leicht zu behaupten, dass Frauenfiguren, die vor über 200 Jahren in etlichen Büchern niedergeschrieben wurden, dem heutigen Zeitgeist nicht mehr entsprechen. Und doch zeigt sich in der Tiefe der Märchen ein anderes Bild. Es sind nicht nur Prinzen und Ritter, die zu Helden der Geschichte werden, sondern auch Frauen und Mädchen, die schon damals selbstbestimmt und mutig ihren eigenen Weg gewählt haben. Etwas, wofür heute viele Frauen in anderen Ländern leider noch kämpfen müssen. Letztlich liegt es doch auch am Erzähler der Märchen selbst, wie die Geschichten erzählt werden können. Unsere Märchen sind Kulturgut und überdauern schon viele Generationen und Jahre. Was zählt, sind nicht die angesprochenen Helden oder Heldinnen, sondern das große Ganze. Jeder, ob Mann oder Frau, hat heute die Möglichkeit, seine eigene Geschichte zu schreiben und zu erzählen. So wie es schon viele Figuren bekannter Märchen Jahrhunderte vor ihnen getan haben. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute … in uns weiter.

Seite 14, Kompakt Zeitung Nr. 228

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